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Wenn es um das Thema Mindestlöhne in Europa geht, gibt es unter den Wahlberechtigten in Deutschland eine klare Mehrheit: 79 Prozent der Deutschen ab 18 Jahre sind dafür, dass Mindestlöhne in allen Ländern der Europäischen Union (EU) eingeführt werden. 18 Prozent sprechen sich gegen eine EU-weite Umsetzung aus. Das hat eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap kürzlich ergeben. Deutschland gehört zu den wenigen EU-Ländern, in denen bisher kein gesetzlicher Mindestlohn existiert.
In 20 von 27 Mitgliedsstaaten der EU gilt schon heute ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn. Elf EU-Länder haben ihre Lohnuntergrenzen sogar trotz Krise zum Jahresbeginn angehoben, darunter einige mittel- und osteuropäische Staaten, aber auch die Niederlande, Spanien, Portugal, Malta und Luxemburg. In Frankreich, wo der Zuwachs des Mindestlohns unter anderem an die Preissteigerung gekoppelt ist, stieg der Mindestlohn zum 1. Juli von 8,71 Euro auf 8,82 Euro pro Stunde an.
Auch in den anderen westeuropäischen Nachbarländern liegt die Lohnuntergrenze über 8 Euro pro Stunde: In Luxemburg sind es derzeit 9,49 Euro, in den Niederlanden 8,47 Euro und in Belgien liegt der Mindestlohn bei 8,41 Euro.
Zwar erwartet Thorsten Schulten, Arbeitsmarktexperte der Hans Böckler Stiftung, angesichts der Wirtschaftskrise auch in den Mindestlohnländern schärfere Debatten zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern um die zukünftige Anhebung der Mindestlöhne; die Notwendigkeit von Lohnuntergrenzen sei jedoch in den meisten EU-Ländern unumstritten. In keinem europäischen Land werde ernsthaft die Abschaffung der Mindestlöhne erwogen oder von einer relevanten politischen oder sozialen Kraft gefordert. Der gesetzliche Mindestlohn verfüge europaweit „über eine große gesellschaftliche Akzeptanz“, so der Experte. Betrachtet man die aktuelle Umfrage, so bildet Deutschland mit 79 Prozent Zustimmung zumindest in dieser Hinsicht offenbar keine Ausnahme.