In deutschen Großstädten steigen die Mieten rasant. Durchschnittsverdiener müssen inzwischen mehr als ein Drittel ihres Einkommens fürs Wohnen aufbringen. Dagegen braucht es jetzt eine sozial gerechte Wohnungspolitik.
Da bleibt kein Stein auf dem anderen: In Sachen Wohnungspolitik scheinen sich die Parteien in Vorwahlkampfzeiten gegenseitig überbieten zu wollen. Plötzlich hat auch die Bundeskanzlerin – zum Leidwesen ihres Koalitionspartners FDP – ihr Herz für die Mieter entdeckt und plädiert wie vorher schon die SPD für eine Wiedervermietungs-Bremse. Kein Wunder, die MieterInnen sind eine große und an diesem Thema interessierte Wählergruppe, denn in Deutschland leben über die Hälfte der Menschen zur Miete und bringen dafür zum Teil deutlich mehr als ein Drittel ihres Einkommens auf.
Wohnen macht viele arm: Gerade hat das Institut für Arbeit und Qualifikation (IAQ) herausgefunden, dass besonders in Regionen mit hohem Mietniveau viel mehr Menschen Anspruch auf ergänzendes Hartz IV hätten, als sie ihn tatsächlich geltend machen. So müsste in München der Stundenlohn in einem Single-Haushalt bei 9,66 Euro liegen, um nicht schlechter gestellt zu sein als ein Hartz IV-Haushalt, dessen Wohnungskosten vom Jobcenter anerkannt werden. Doch etliche Beschäftigte erhalten ein geringeres Salär, gehen aber aus Unkenntnis oder Scham nicht zum Amt. Die Mietpreisspirale schraubt sich gerade in Großstädten immer schneller nach oben – besonders in Berlin. Mit einem Plus von über 40 Prozent (!) in fünf Jahren fiel hier der Anstieg bei Wiedervermietung bundesweit am stärksten aus. Nicht nur die Nettomiete steigt und steigt.
Quelle: empirica; eigene Berechnungen
Hinzu kommt noch die so genannte zweite Miete – die rasant steigenden Kosten für Energie. Und die nun anstehenden energetischen Sanierungen werden überwiegend den MieterInnen aufgebürdet – bis zu 11 Prozent der Modernisierungskosten darf der Vermieter auf die Jahresmiete aufschlagen. Das führt zu Mietpreissprüngen, die sich durch die Heizkostenersparnis erst nach Jahrzehnten amortisieren – wenn überhaupt. Sogar das Mietminderungsrecht während der Bauarbeiten hat Schwarz-Gelb zusammengestutzt. Kurzum: Es braucht eine sozial gerechte Wohnungspolitik, gut koordiniert zwischen Bund, Land und Kommune.
Der Bund muss den Ländern deutlich mehr Geld zur Verfügung stellen, um den Neubaubedarf bei Sozialwohnungen mitzufinanzieren. Darüber hinaus muss die Umwandlung von leerstehenden Büro- und Gewerbeflächen in Wohnraum erleichtert werden. Es muss zudem alles daran gesetzt werden, dass noch bezahlbare Mietwohnungen nicht durch Luxussanierungen oder Zweckentfremdung als Ferienwohnung gefährdet werden. Dafür sind städtische Wohnungsunternehmen und Genossenschaften – also nachhaltig und nicht profitorientiert wirtschaftende Sektoren – zu stärken.
Dabei sollten besonders altersgerechte und barrierefreie Wohnungen öffentlich gefördert werden. Und natürlich braucht es Mietobergrenzen bei Wiedervermietungen. Die Obergrenze sollte bei max. 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen, da es nicht länger geduldet werden kann, dass Vermieter bei Wiedervermietungen völlig losgelöst von ortsüblichen Vergleichsmieten Phantasiepreise verlangen können. Wohnen gehört zur öffentlichen Daseinsvorsorge. Damit auch Durchschnitts- und Geringverdiener bezahlbaren Wohnraum erhalten können, muss ein handlungsfähiger Staat aktiv eingreifen und die nötige Rahmengesetzgebung schaffen.