DGB-Newsletter einblick
Jetzt den E-Mail-Newsletter des DGB abonnieren. Der DGB-Infoservice einblick liefert vierzehntägig kompakte News und Infos zu allen Themen, die im Job eine Rolle spielen.
Die Beschäftigten reden mit – was in Deutschland in mitbestimmten Aufsichtsräten Realität ist, gibt es nicht in allen EU-Ländern. Neue Entwicklungen drohen nun, es den Arbeitgebern noch leichter zu machen, sich vor dieser Mitbestimmung zu drücken und sich so aus der Verantwortung zu stehlen.
DGB/Simone M. Neumann
Die Freude währte nicht lange. Erst im Juli 2017 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg, dass die deutsche Unternehmensmitbestimmung vereinbar ist mit europäischem Recht. Geklagt hatte ein TUI-Aktionär. Bereits drei Monate später deutete sich nichts Gutes an: Im sogenannten Polbud-Urteil stärkte der EuGH die Niederlassungsfreiheit der Unternehmen in Europa – unabhängig davon, ob sie am angemeldeten Ort tatsächlich wirtschaftlich tätig sind. Briefkastenfirmen sind so Tür und Tor geöffnet. Unternehmen werden es nun noch leichter haben, sich von einem mitbestimmten Aufsichtsrat zu verabschieden. Es bedürfte also dringend politischer Regelungen, um diese rechtlichen Grauzonen zu beseitigen. Dies hat die EU-Kommission in ihrem Unternehmensrechtspaket (Company Law Package) versucht – der Entwurf weist jedoch erhebliche Defizite auf und muss dringend nachgebessert werden.
In der sozialen Marktwirtschaft ist die Mitbestimmung der ArbeitnehmerInnen im Aufsichtsrat ein wichtiges Element – die Beschäftigten können mitreden, wenn es um Zukunftsentscheidungen des Unternehmens geht, und Vorstand oder Geschäftsführung kontrollieren und beraten.
Nun steht das deutsche Modell der Unternehmensmitbestimmung erneut in der Schusslinie. Denn Unternehmen, die ihren Sitz in einem Land ohne Mitbestimmungsregeln registrieren, auch ohne dort tätig zu sein, können ihre ArbeitnehmervertreterInnen im Aufsichtsrat ganz einfach loswerden. Zwar hat die EU-Kommission Vorschläge gemacht, um die Mitbestimmung zu schützen. So soll der Status quo nach einem grenzüberschreitenden Rechtsformwechsel drei Jahre lang geschützt sein. Das reicht aus Sicht des DGB jedoch nicht aus. Auch bietet das Gesetzespaket keinen Schutz gegen das „Einfrieren“ eines Zustandes ohne Mitbestimmung. Eine Übung, die regelmäßig angewendet wird, bevor kritische Mitbestimmungsschwellen wie 500 oder 2000 Beschäftigte erreicht wurden. Nach Zahlen der Hans-Böckler-Stiftung werden so hunderttausende Beschäftigte um ihre Mitbestimmungsrechte gebracht.
Der DGB und der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) fordern von der EU-Kommission eine Rahmenrichtlinie für die Mitbestimmung, um den Vermeidungstendenzen einiger Unternehmen einen Riegel vorzuschieben, und Standards für Unternehmen mit europäischen Rechtsformen zu schaffen. In jedem Fall muss der Schutz der Mitbestimmung im Company Law Package verbessert werden. Darüber hinaus soll sich ein Unternehmen nur in eine ausländische Gesellschaftsform umwandeln oder seinen Sitz nur in ein Land verlegen dürfen, in dem es nachweislich ökonomisch aktiv ist. Ziel ist es „Geisterfirmen“ zu vermeiden, deren einziges Ziel es ist, Steuern und ArbeitnehmerInnenrechte zu umgehen.
Viele WissenschaftlerInnen und GewerkschafterInnen, darunter auch der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann, haben im Mai den „Europäischen Aufruf für einen neuen Weg zwischen Unternehmen und Beschäftigten“ (European Appeal) unterzeichnet. Darin fordern sie von den EU-Institution endlich umzudenken: Die Interessen der Beschäftigten vor die Interessen der Aktionäre stellen.
DGB-Stellungnahme zum Thema: