Deutscher Gewerkschaftsbund

14.11.2014

Mindestlohn: Finanzministerium öffnet Schlupflöcher

Zwei Verordnungen des Bundesfinanzministeriums könnten dafür sorgen, dass der Mindestlohn in einigen Branchen leicht umgangen und kaum kontrolliert werden kann. Ziel des Ministeriums sei offenbar eine Regelung, deren Sinn "einzig und alleine in einer Förderung der Umgehung des Mindestlohns zu liegen scheint", kritisiert der DGB in einer Stellungnahme.

Mindestlohn-Plakat vor Reichstag / Bundestag

Mindestlohn für alle? Zumindest die Kontrollen, ob der Mindestlohn auch eingehalten wird, könnten schwierig werden – wenn das Bundesfinanzministerium seine Verordnungen zur Arbeitszeit-Aufzeichnung und zur Meldepflicht durchsetzen kann. DGB/Simone M. Neumann

Ohne Arbeitszeit-Erfassung keine Kontrolle möglich

Konkret geht es um zwei Verordnungen des Bundesfinanzministeriums, die Details des Mindestlohngesetzes regeln. Zum einen geht es um die Pflicht der Arbeitgeber, die Arbeistzeit ihrer Beschäftigten zu erfassen. Eigentlich sieht das Mindestlohngesetz vor, dass in Branchen, in denen Verstöße gegen den Mindestlohn wahrscheinlich sind ("missbrauchsanfällige Branchen"), die Arbeitszeit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern genau erfasst werden muss – mit genauer Uhrzeit des Arbeitsbeginns und -endes. Diese Daten müssen zwei Jahre archiviert werden, damit die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls kontrollieren kann, ob unterm Strich die Mindest-Stundenlöhne gezahlt wurden.

Der Regelungsvorschlag des Finanzministeriums sieht jetzt  aber vor, dass bei Berufen mit „ausschließlich mobiler Tätigkeit“ nur die Gesamtdauer der Arbeitszeit aufgeschrieben werden muss. Angeblich sei eine genaue Erfassung in diesen Tätigkeiten zu kompliziert. Der DGB übt scharfe Kritik: Zum einen gebe es keinen Grund, warum etwa bei der Straßen- oder Stadtreinigung oder der Personenbeförderung keine genaue Erfassung des Arbeitsbeginns und -endes möglich sein sollte. Zum anderen öffne diese Regelung dem Missbrauch Tür und Tor: Arbeitgeber müssten nur noch die "passende" Arbeitszeit notieren, die dem Mindestlohngesetz entspricht – Kontrollen des Zolls würden unmöglich. "Es handelt sich somit um einen Regelungsvorschlag, dessen Sinn einzig und alleine in einer Förderung der Umgehung des Mindestlohns zu liegen scheint", heißt es in einer Stellungnahme des DGB.

Ohne echte Melde- und Kontrollpflicht sind Verstöße vorprogrammiert

Bei der zweiten Verordnung des Finanzministeriums geht es um Detailvorschriften zum Mindestlohngesetz, zum Arbeitnehmer-Entsendegesetz und zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Eigentlich müssen ausländische Arbeitgeber dem Zoll im Voraus melden, wie viele ausländische Beschäftigte sie wann, wo und in welchen Tätigkeiten in Deutschland einsetzen wollen. Auch hier will das Finanzministerium Ausnahmen für "mobile Tätigkeiten" sowie für grenznahe Regionen schaffen: Statt der genauen Meldepflicht sollen allgemeinere "Einsatzplanungen" für einen Sechs-Monats-Zeitraum ausreichen, die nachträglich nicht mehr kontrolliert werden müssten. Der DGB kritisiert: Das macht wirksame Kontrollen unmöglich.

DGB-Stellungnahme zur Arbeitszeitaufzeichnung im Mindestlohngesetz (PDF, 159 kB)

Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum Verordnungsentwurf des Bundesministeriums der Finanzen: Entwurf der Verordnung zur Abwandlung der Pflicht zur Arbeitszeitaufzeichnung nach dem Mindestlohngesetz und dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz (Mindestlohnaufzeichnungsverordnung – MiLoAufzV)

DGB-Stellungnahme zur Meldepflicht nach dem Mindestlohngesetz, dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz und dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (PDF, 156 kB)

Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum Verordnungsentwurf des Bundesministeriums der Finanzen Verordnung über Meldepflichten nach dem Mindestlohngesetz, dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz und dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (Mindestlohnmeldeverordnung – MiLoMeldV)


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