Menschen mit Behinderung finden trotz gesetzlicher Beschäftigungsquoten nur schwer eine gerecht bezahlte Arbeit. Der DGB fordert deshalb, Schwerbehinderte stärker zu fördern und den Druck auf die Unternehmen zu erhöhen. Denn Deutschland hat sich verpflichtet, die UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen. Diese garantiert Behinderten das Recht auf Arbeit.
DGB/Andriy Popov/123rf.com
Behinderte Menschen haben das Recht, ihren Lebensunterhalt durch eine frei gewählte Arbeit zu verdienen. So steht es in der UN-Behindertenrechtskonvention, die in Deutschland seit dem März 2009 gilt. Mit der Ratifizierung der Konvention verpflichtete sich die Bundesregierung, dieses Recht auf Arbeit aktiv zu sichern und zu fördern.
2009 lag die Arbeitslosenquote Schwerbehinderter in Deutschland bei 14,6 Prozent. Doch auch im Jahre 2016 hatte sich die Lage kaum verbessert: Während die allgemeine Arbeitslosigkeit auf unter 8 Prozent sank, waren laut Bundesagentur für Arbeit noch immer 12,4 Prozent der Menschen mit Behinderung ohne Erwerbseinkommen, die meisten sind länger als ein Jahr arbeitslos. Obwohl die Ziele der UN-Behindertenrechtskonvention nicht annähernd erreicht wurden, blieb die Reaktion der Regierung aus:
„Die Bundesregierung benennt in ihrem im Sommer 2016 verabschiedeten zweiten Aktionsplan zur Umsetzung der UN-BRK keinerlei Zielsetzungen oder geeignete Maßnahmen, um die überdurchschnittlich hohe Arbeitslosenquote schwerbehinderter Menschen perspektivisch zu senken“, kritisiert der DGB in seiner Stellungnahme zur Umsetzung der UN-Konvention.
DGB/Daten: Bundesagentur für Arbeit
Zwar gibt es in Deutschland ein breites Angebot zur Qualifizierung behinderter Menschen, der Staat unterstützt die behindertengerechte Umgestaltung der Arbeitsplätze und bezuschusst Arbeitgeber, die behindertengerechte Arbeitsplätze schaffen. Doch seit 2010, unter der Koalition aus Union und FDP, wurden die Fördermittel deutlich gekürzt, begründet mit dem Rückgang der Arbeitslosigkeit nach der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise 2009/2010. Allerdings gingen und gehen die Kürzungen weit über den Rückgang der Arbeitslosigkeit hinaus.
Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Berechnungen des DGB | |||
Entwicklung Arbeitslose und Teilnehmende in Arbeitsmarktmaßnahmen | |||
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2009 | 2016 | Veränderung in Prozent |
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Arbeitslose, insgesamt | 3.414.531 | 2.690.975 | -21,2% |
Teilnehmer in Maßnahmen insgesamt1) | 1.057.482 | 677.625 | -36,0% |
Arbeitslose, schwerbehindert | 168.096 | 170.508 | +1,2% |
Schwerbehinderte Teilnehmer in Maßnahmen insgesamt |
48.157 | 31.387 | -35,4% |
1) ohne Kurzarbeiter und vorruhestandsähnliche Regelungen in 2009, ohne Berufswahl und Berufsausbildung in 2016 |
Inzwischen stieg die Zahl der schwerbehinderten Arbeitslosen gegen den Trend auf dem Arbeitsmarkt leicht an. Die Regierung reagierte auf diese Entwicklung jedoch nicht durch mehr Förderung. Im Gegenteil: Bei den Maßnahmen für schwerbehinderte Menschen gab es 35 Prozent weniger Teilnehmende als in 2009. Schwerbehinderte Menschen sind durch die Kürzungen damit sogar stärker betroffen.
Circa 1,2 Millionen schwerbehinderte Menschen arbeiteten 2015 in Wirtschaft und Verwaltung – der Trend zeigt leicht nach oben. Allerdings stieg im gleichen Zeitraum auch die Zahl der schwerbehinderten Arbeitslosen. Eine Ursache ist auch der demografische Wandel in Deutschland, mit einem wachsenden Anteil an älteren und schwerbehinderten Menschen an der Bevölkerung.
Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit | |||||||
Entwicklung Arbeitslose und Teilnehmende in Arbeitsmarktmaßnahmen | |||||||
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2009 | 2010 | 2011 | 2012 | 2013 | 2014 | 2015 | |
schwer-behinderte Beschäftigte |
1.018.115 | 1.039.382 | 1.070.450 | 1.102.944 | 1.125.035 | 1.152.365 | 1.198.022 |
schwer-behinderte Arbeitslose |
168.133 | 175.357 | 180.315 | 176.040 | 178.632 | 181.110 | 178.809 |
Beschäf- |
4,5 | 4,5 | 4,6 | 4,6 | 4,7 | 4,7 | 4,7 |
Unternehmen ab 20 Beschäftigten müssen mindestens 5 Prozent ihrer Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzen. Ansonsten wird eine gestaffelte Ausgleichsabgabe fällig. Ausgleichsabgabe statt Beschäftigung- diese Möglichkeit nehmen offenbar viele Unternehmen wahr. Denn der Anteil schwerbehinderter Beschäftigter an der Belegschaft stagniert seit Jahren auf etwa 4,7 Prozent. Während die öffentlichen Arbeitgeber die Mindestquote mit 6,6 Prozent sogar übertreffen, sind es in privaten Unternehmen nur 4,1 Prozent. Ein Viertel aller beschäftigungspflichtigen Unternehmen beschäftigt keinen einzigen schwerbehinderten Menschen.
Für die Förderung von arbeitslosen schwerbehinderten Menschen, insbesondere für Langzeitarbeitslose, muss die Bundesregierung ausreichende Mittel bereitstellen. Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD enthält hier einige begrüßenswerte Vorschläge, etwas die Aufstockung der Mittel für die Jobcenter, die Langzeitarbeitslose betreuen sowie ein neues Instrument zur besseren Förderung von Langzeitarbeitslosen.
Zudem gilt es, die Bereitschaft in den Unternehmen für Menschen mit Behinderung zu erhöhen. Der DGB fordert eine höhere Ausgleichsabgabe für die Unternehmen, die sich der Beschäftigungspflicht ganz oder teilweise entziehen.
Der DGB schlägt vor:
Die Stellungnahme beschreibt den Arbeitsmarkt für schwerbehinderte Menschen in Deutschland, das Angebot an Arbeitsmarktmaßnahmen und wie die Beschäftigungspflicht von Menschen mit Behinderung umgesetzt wird. Die Bundesregierung muss die „dauerhaft überdurchschnittlich hohe Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen“ abbauen, fordert der DGB.