Wolfgang Schäuble ist sauer: Sowohl der Internationale Währungsfonds (IWF) als auch die Europäische Kommission wollen, dass er die "Schwarze Null" aufgibt und die gute Haushaltslage zur Stärkung von heimischen Investitionen nutzt. Weltweit wächst die Erkenntnis, dass lockere Geldpolitik allein nicht ausreicht, um die Euro-Krise zu beenden.
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Wolfgang Schäuble ist sauer. Einen „Brandbrief“ soll der Bundesfinanzminister an die EU-Kommission geschrieben haben, berichten Zeitungen. Der Grund: Die Kommission hatte empfohlen, die Sparpolitik in der Eurozone zu lockern, um Wachstum zu fördern. Insbesondere Deutschland solle seine gute Haushaltslage zur Stärkung von heimischen Investitionen nutzen.
Schäubles Reaktion zeigt, dass das deutsche Finanzministerium mit seinem Ruf nach „Schwarzer Null“ und europaweitem Kürzungskurs zunehmend in die Defensive gerät. Denn weltweit wächst die Erkenntnis, dass lockere Geldpolitik nicht ausreicht, um die Euro-Krise zu beenden, dass es endlich auch einer expansiven Fiskalpolitik und öffentlicher Investitionen bedarf.
Bereits im Sommer hatte der Internationale Währungsfonds (IWF) gefordert, dass Deutschland die „Schwarze Null“ zugunsten von mehr Investitionen aufgibt. Vor zwei Wochen legte dann die EU-Kommission nach. In einer Mitteilung empfiehlt sie einen zusätzlichen fiskalpolitischen Impuls für die gesamte Eurozone in Höhe von 0,5 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Das entspräche öffentlichen Mehrausgaben von insgesamt rund 50 Milliarden Euro in 2017.
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Sie betont dabei, dass ein solcher Kurs nicht nur kurzfristig die Arbeitslosigkeit senken würde, sondern auch langfristig zu einer Stärkung der Zukunftsfähigkeit der europäischen Wirtschaft und zu einer Stabilisierung der Weltwirtschaft beitragen könnte. Selbstkritisch wird eingeräumt, dass die letzten europäischen Empfehlungen an die Mitgliedsstaaten zu sehr auf einen Sparkurs abzielten und deren Umsetzung deshalb heute kontraproduktiv wäre. Die Kommission betont zwar, dass finanzkräftige Länder, wie Deutschland, überdurchschnittlich investieren müssen, während stark verschuldete Staaten weiter sparen sollen. Doch auch letzteren wird „Flexibilität“ bei den EU-Schulden-Regeln zugesichert.
Weiter geht hier die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Sie stellt in ihrer neuesten Wirtschaftsprognose die europäischen Schuldenregeln insgesamt in Frage und empfiehlt – wie der DGB – öffentliche Investitionen künftig von den Regeln auszunehmen. Die OECD regt sogar an, solche öffentlichen Investitionen durch die Europäische Zentralbank mit ihrem Aufkaufprogramm für Staatsanleihen fördern zu lassen. Ähnlich wie die EU-Kommission empfiehlt die OECD den Industriestaaten einen fiskalpolitischen Impuls in Höhe von 0,5 % des BIP und rechnet bei koordiniertem Vorgehen mit zusätzlichem BIP-Wachstum von bis zu 0,7 %. Gemessen am BIP würde so auch der öffentliche Schuldenstand nicht steigen. Insbesondere von ihrem Mitglied Deutschland verlangt die OECD einen deutlichen Impuls durch Investitionen.
Die internationale Kritik zeigt: Das Bundesfinanzministerium isoliert sich zunehmend mit dem steten Ruf nach Haushaltskonsolidierung. In Deutschland gibt es immensen Investitionsbedarf, die Bedingungen waren nie so gut. Auch Schäuble muss das endlich erkennen.