Deutscher Gewerkschaftsbund

25.04.2018

Den digitalen Kapitalismus bändigen

einblick Mai 2018

Reiner Hoffmann tritt auf dem DGB-Bundeskongress erneut zur Wahl des DGB-Vorsitzenden an. Im Interview spricht er über Erfolge und Überraschungen seiner ersten Amtszeit und beschreibt die gewerkschaftlichen Ziele für die kommenden vier Jahre.

DGB-Vorsitzender Reiner Hoffmann

DGB/Simone M. Neumann

Was waren die großen gewerkschaftlichen Erfolge der letzten vier Jahre?

Wir haben zahlreiche Themen wie die bessere Rente, weg mit sachgrundloser Befristung, Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit, Einschränkung der Leiharbeit, Lohntransparenzgesetz und die paritätische Finanzierung der Krankenkasse politisch und gesellschaftlich gesetzt. All das fände sich ohne uns weder in den Gesetzen der letzten Koalition wieder, noch im aktuellen Koalitionsvertrag. Ein großer Erfolg ist der Mindestlohn!

Jetzt kommt es darauf an, dass er auch überall bezahlt wird. Es ist unerträglich, dass aufgrund mangelnder Kontrollen Hunderttausende um ihren Lohn betrogen werden. In der Diskussion über die Arbeit der Zukunft haben wir deutlich gemacht, dass die Digitalisierung kein technisches Thema ist, sondern ein arbeits- und bildungspolitisches Thema, bei dem wir den Menschen in den Mittelpunkt stellen müssen. Auch das ist ein Erfolg.

Was hat dich in den vergangenen vier Jahren enttäuscht?

Bei der Mitbestimmung ist es weitgehend beim Stillstand geblieben. Da wünsche ich mir wirklich mehr politischen Mut. Der ist dringend notwendig, wenn wir die Transformation der Arbeit erfolgreich gestalten wollen. Es kann nicht sein, dass die Arbeitswelt sich rasant wandelt, nur bei der Mitbestimmung soll alles beim Alten bleiben. Nicht nur enttäuschend, sondern richtig ärgerlich ist, dass sich immer mehr Arbeitgeber aus ihrer tarifpolitischen Verantwortung zurückziehen. Die Tarifbindung muss dringend wieder erhöht werden.

Was hat dich politisch überrascht?

Das Europakapitel im Koalitionsvertrag. Es hat das Potenzial für eine andere, bessere deutsche Europapolitik. Jetzt muss auch geliefert werden, beispielsweise wenn es um einen europäischen Sozialpakt geht oder um ein ambitioniertes europäisches Zukunftsinvestitionsprogramm.

Du trittst auf dem kommenden DGB-Kongress wieder zur Wahl des DGB-Vorsitzenden an. Was sind deine Ziele für die nächsten vier Jahre?

DGB-Vorsitzender Reiner Hoffmann in Gesprächssituation

DGB/Christoph Michaelis

Reiner Hoffmann, 62, ist seit 2014 DGB-Vorsitzender. Auf dem DGB-Bundeskongress im Mai in Berlin tritt er zur Wiederwahl an.

Wir stehen vor einem weitreichenden Wandel in der Arbeitswelt, der durch Digitalisierung, Globalisierung und die demografische Entwicklung getrieben wird. Das verunsichert viele Menschen: Werden sie mithalten können? Sind ihre Arbeitsplätze in Zukunft sicher? Wir dürfen die Risiken nicht ignorieren, vor allem müssen wir aber dafür sorgen, dass die Chancen für gute und sichere Arbeit genutzt werden. Das ist auch die Voraussetzung dafür, dass wir die Rechten deutlich in ihre Schranken verweisen.

Darüber hinaus haben wir schon im Mai 2019 die nächsten Wahlen zum Europaparlament. Hier müssen wir ganz klare Kante zeigen und unsere Vorstellungen von einem liberalen, solidarischen und offenen Europa deutlich machen, in dem alle ein gutes Leben führen können. Wir kämpfen für ein Europa der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit sicheren Arbeitsplätzen, ordentlichen Arbeitsbedingungen und guten Löhnen.

Wie können Gewerkschaften gute Arbeit im digitalen Zeitalter sichern? Und welche Entwicklungen bereiten dir Sorgen?

Die Expertenkommission der Hans-Böckler-Stiftung hat 2017 in ihrem Bericht zahlreiche Denkanstöße formuliert. Diese gilt es aufzugreifen, zu konkretisieren und in konkrete politische Praxis zu überführen. Beispielsweise muss man die bildungspolitischen Voraussetzungen für die Arbeit der Zukunft deutlich verbessern. Oder wenn es darum geht, die Bedingungen zu verbessern, damit die Beschäftigten über mehr Arbeitszeitsouveränität verfügen können.

Wir erleben gerade, wie im digitalen Kapitalismus neue Geschäftsmodelle entstehen, bei der sich die Unternehmen ihrer Rolle als Arbeitgeber verweigern. Dafür brauchen wir eine Neujustierung des Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbegriffs. Die enormen Digitalisierungsgewinne müssen gerecht besteuert und verteilt werden. Sorgen bereitet mir das Thema Daten und Datensicherheit in der Plattformökonomie. Wem gehören die Daten in Zukunft und wie gelingt uns ein erfolgreicher Arbeitnehmerdatenschutz?

Wie können Gewerkschaften von digitaler Technologie profitieren?

Beispielsweise in dem wir uns neue digitale Kommunikationsmittel und -wege zu Eigen machen. Leider liegen wir hier weit hinter den technischen Möglichkeiten zurück. Unsere App für den DGB-Kongress ist ein erster Anfang. Da sehe ich ganz viel Luft nach oben.


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