Heute wurde die Polizeiliche Kriminalstatistik 2017 mit aktuellen Zahlen zu angezeigten Straftaten veröffentlicht. Demnach befindet sich die erfasste Kriminalität insgesamt auf einem historischen Tiefstand. Dies gilt jedoch nicht für Gewaltdelikte generell und insbesondere für die gegen Polizistinnen und Polizisten.
Gewerkschaft der Polizei/www.auchmensch.de
Es sind überraschende Zahlen, die Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zusammen mit dem Vorsitzenden der Innenministerkonferenz, Holger Stahlknecht (CDU), am 8. Mai im Rahmen der Vorstellung der aktuellen Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) veröffentlichte. Demnach ist die Kriminalität in Deutschland 2017 mit insgesamt 5,76 Millionen erfassten Verbrechen so niedrig wie seit 25 Jahren nicht mehr. Auf den ersten Blick ist Deutschland statistisch gesehen derzeit so sicher wie nie. Doch auf den zweiten Blick bekommt dieses Bild Risse, was auch an der Statistik selbst liegt.
Laut Bundeskriminalamt gab es vergangenes Jahr 5,76 Millionen Straftaten. Im Vergleich zu 2016 entspricht das einer Abnahme um 9,6 Prozent. Erfolge der Polizei gab es insbesondere bei Diebstahlsdelikten zu verzeichnen. Diese sanken 2017 auf 2,09 Millionen Fälle, was einer Abnahme gegenüber 2016 um 11,8 Prozent entspricht. Ebenfalls erfolgreich war die Bekämpfung des Wohnungseinbruchdiebstahls. Diese sind bundesweit um 23 Prozent auf 116.540 Fälle zurückgegangen. Weniger spürbar war der Rückgang der gemeldeten Gewaltkriminalität, die um 2,4 Prozent auf rund 189.000 Fälle zurückging und nach wie vor über den Jahren 2013 bis 2015 liegt. Auf gleichem Niveau geblieben sind in diesem Zusammenhang auch Übergriffe gegen PolizistInnen. Während 2016 bereits mit fast 72.000 Angriffen ein Rekord erreicht worden war, wurden 2017 über 74.000 Übergriffe erfasst.
Der Rückgang der Kriminalität macht deutlich, dass der vielbeschworene Kontrollverlust des Staates ausgeblieben ist. Die Wahrheit ist, dass Deutschland weitgehend ein sicheres Land ist. Dieser Erfolg ist in erster Linie der Verdienst der knapp 313.00 PolizeibeamtInnen und Angestellten in Bund und Ländern, die jeden Tag trotz Überstunden im Millionenbereich und trotz Personalmangel, mit großem Einsatz für die Sicherheit der Menschen im Land einstehen.
Ein Grund zum Zurücklehnen sind die Zahlen aber nicht. Denn wahr ist auch, dass der gestiegenen Aufklärungsrate eine unübersehbare Verrohung der Gesellschaft gegenübersteht, die sich auch 2017 statistisch durch die hohe Zahl – vor allem aber durch die Intensität – von Gewaltdelikten bemerkbar macht, insbesondere gegenüber PolizistInnen. Dahinter steht die Entwicklung einer wachsenden Ablehnung von Beschäftigten im öffentlichen Dienst und im privatisierten Dienstleistungssektor. Immer wieder und immer öfter werden MitarbeiterInnen von Rettungskräften, Sozialbehörden oder Jobcentern bei ihrer Arbeit beleidigt oder körperlich angegriffen. Es gibt kaum eine Berufsgruppe, die hier mittlerweile nicht betroffen wäre: Denn auch in Schulen, Krankenhäusern, in Bussen und Bahnen ist der Umgang rauer geworden.
Das Problem ist: diese Fälle werden – anders als etwa Übergriffe gegen PolizistInnen – nicht separat durch die PKS erfasst, sondern sind entweder Teil der Gesamtstatistik oder werden in anderen Erhebungen abgebildet, wenn überhaupt. Damit aber fehlt ein belastbares und differenziertes Lagebild, aus dem das Ausmaß ersichtlich wird und aus dem die richtigen Schlüsse gezogen werden können. Anspruch der PKS sollte es aber sein, Übergriffe gegen alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst und privatisierten Dienstleistungssektor darzustellen.
Hinzu kommt: Die Autoren der Statistik schreiben selber von einem Dunkelfeld von Straftaten, dass maßgeblich darin begründet liege, dass entweder Straftaten nicht angezeigt würden oder der Verfolgungsintensität der Polizei durch Personalmangel Grenzen gesetzt seien. Was die Autoren allerdings nicht schreiben, ist, dass beide Faktoren geändert werden können, etwa durch mehr Aufklärungskampagnen sowie Personalaufstockung. Insbesondere die aktuellen Erfolge bei Diebstählen und Einbrüchen zeigen deutlich, dass dort, wo Personal effektiv und umfassend eingesetzt wird, die Kriminalität signifikant sinkt.
„Die zahlreichen Gewaltdelikte gegen Beschäftigte im öffentlichen Dienst sind auch Symptom des schwindenden gesellschaftlichen Zusammenhalts und Folge eines zu schlanken Staates. Wo der Staat seine Aufgaben nicht oder nur noch schlecht erfüllt, sind seine Beschäftigten oft die Blitzableiter für den Ärger der unzufriedenen Bürger. Frust, Unmut und Ohnmacht werden oft direkt in den Dienststellen, neuerdings sogar während des Einsatzes auf der Straße abgeladen. Oft sind es Respektlosigkeiten, immer öfter Gewalt.“ kommentiert Elke Hannack, stellvertretende DGB-Bundesvorsitzende die aktuellen Zahlen der PKS. „Viele Menschen fühlen sich abgehängt. Sei es, weil das nächste öffentliche Amt nicht mehr nebenan ist und sie heute Kilometerweit fahren müssen, weil es keinen Arzt oder keine Schule mehr im Ort gibt. Dass Unsicherheit, Frustration und Enttäuschung bei vielen Bürgern eine große Rolle spielen – dieser Fakt wird von der Politik leider immer noch zu oft ausgeblendet. Es reicht nicht, hier einzig und allein mehr Respekt einzufordern und regelmäßig den schlechten Umgang zu bemängeln. Der öffentliche Dienst muss endlich aufgewertet werden – durch mehr gut qualifiziertes und auch gut bezahltes Personal, durch mehr Investitionen in öffentliche Infrastruktur und Ausstattung. Wir brauchen mehr Geld für Schulen, Bibliotheken, Schwimmbäder, Bürger- und Jugendämter und gerade und auch für die Polizei. Im Koalitionsvertrag sind zwar erste Lichtblicke enthalten, nämlich mehr Personal für Polizei und Pflege. Das reicht aber bei weitem nicht. Wer jetzt nicht deutlich mehr investiert, gefährdet den Zusammenhalt im Land. Der öffentliche Dienst steht vor einer Pensionierungswelle. Es ist vollkommen unverständlich, ja unverantwortlich gegenüber kommenden Generationen, angesichts dieser Situation weiterhin auf eine Politik der schwarzen Null zu setzen. Damit beraubt sich der Staat selbst seiner Handlungsfähigkeit.“ so Hannack weiter.
Tagung "Gewalt gegen Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Maßnahmen und Handlungsansätze"
Am Donnerstag, 20.09.2018, stellt der DGB auf der Tagung „Gewalt gegen Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Maßnahmen und Handlungsansätze" in Berlin die Ursachen, die Auswirkungen sowie die persönlichen Erlebnisse von Beschäftigten zum Thema in den Mittelpunkt des Tages.
Diskutieren Sie mit, bringen Sie sich ein! Gemeinsam wollen wir mit erfahrenen Köpfen aus Politik, Gesellschaft und Wissenschaft sowie mit unmittelbar betroffenen Beschäftigten Hintergründe und Lösungsansätze diskutieren.
In drei Workshops werden wir zudem die Fragen vertiefen, was Beschäftigte, Interessenvertretungen und Arbeitgeber sowie Dienstherren präventiv gegen Gewalt tun können, wie sich Beschäftigte bei Übergriffen schützen können und was beim Thema Nachsorge zu beachten ist.
Weitere Informationen und die Anmeldung finden Sie unter diesem Link.