Deutscher Gewerkschaftsbund

24.07.2018

Über den Tellerrand hinaus – Austausch mit vietnamesischen Gewerkschaften

Gewerkschaftsdelegation zu Gast beim DGB zu den Themen „Green Growth und Just Transition“

Vietnamesische Gewerkschaftsdelegation zu Gast beim Deustchen Gewerkschaftsbund DGB; Gruppenfoto

Winfried Breitinger

Im Rahmen des seit 2016 laufenden Projekts „The Role of the Vietnamese Trade Unions in Green Growth“ organisierte der DGB gemeinsam mit der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) eine einwöchige Delegationsreise im Juni 2018 für eine hochrangige Gewerkschaftsdelegation aus Vietnam. Dabei standen die Themen nachhaltiges Wachstums und Just Transition auf der Tagesordnung.

Neben Gesprächen mit Politikern, Besichtigungen von klimafreundlichen Projekten und Einführung in den deutschen Nachhaltigkeitsdiskurs stand der Austausch mit Gewerkschaften und Betriebsräten im Mittelpunkt des dicht getakteten Programms.

Austausch ist wichtig für gegenseitiges Verständnis

Besonders interessiert war die Delegation an der Arbeitsweise von Betriebsräten und Gewerkschaften in Deutschland. Neben den Mitgliedsgewerkschaften als Tarifpartnern kommt dem DGB als unabhängige Interessenvertretung der Beschäftigten gegenüber der Politik eine wichtige Rolle im politischen Diskurs zu. Ganz anders die Situation in Vietnam: Dort gibt es Betriebsgewerkschaften, die Teil der öffentlichen Verwaltung sind und damit nur bedingt unabhängig agieren können. Die unterschiedlichen Arbeitsweisen und Aufgaben stellten die Teilnehmenden beider Länder anfangs vor Verständnisschwierigkeiten. Einmal mehr wurde deutlich, dass der Austausch außerhalb, aber auch innerhalb der internationalen Gewerkschaftsfamilie das gegenseitige Verständnis schärft. Darüber hinaus wurde schnell klar, dass man in vielen Bereichen voneinander lernen und ein anderes Problembewusstsein entwickeln kann.

Just Transition von und für Beschäftigte

Sichtbar wurde dies an der Debatte um eine gerechte Strukturentwicklung mit Blick auf die Klimaverpflichtungen. Als Industrienation kommt Deutschland eine besondere Rolle zu. Der bestehende Wohlstand und das notwendige Know-how ermöglichen es, das Deutschland als Vorreiter seine Volkswirtschaft nachhaltig umgestaltet. Entscheidend bei dieser Entwicklung ist und wird immer mehr sein, dass Beschäftigte beteiligt werden. Denn sie sind zum einen Betroffene, aber auch Treiber von Wandel. Sie kennen ihre Unternehmen am besten und haben das entscheidende Innovationspotential.

Betriebsräte mit zukunftsorientierten Innovationsplänen

Davon konnte sich die Delegation bei der Betriebsbesichtigung und dem Austausch mit dem Betriebsrat vom Siemens Gasturbinenwerk überzeugen. Das Werk in Berlin-Moabit vereint nachhaltige Spitzentechnologien mit starken Mitbestimmungsstrukturen und hochwertiger Arbeit. So hat der Betriebsrat die Schließung auf Grund der aktuellen Marktlage verhindern können und gute Gegenvorschläge für eine positive Unternehmensentwicklung vorgelegt. In verschiedenen Arbeitsgruppen werden Impulse für Investitions-und Innovationsstrategien konzipiert und aktiv gegenüber der Unternehmensführung eingebracht.

Gewerkschaften entwickeln tragfähige Zukunftsstrategien

Ähnliches stellte Carola Dittmann von der Stiftung Arbeit und Umwelt der IG BCE den Teilnehmenden vor. Mit der Initiative „Chemie Hoch 3“ haben Gewerkschaft, Arbeitgeber- und Industrieverband der Chemiebranche ein einmaliges Leuchtturmprojekt ins Leben gerufen. Sozialpartnerschaftlich haben die Akteure Kriterien formuliert, die den Unternehmen der Branche ein nachhaltigeres Geschäftsmodell vermitteln sollen. Hier stehen sowohl ökonomische, ökologische als auch soziale Aspekte wie Tarifbindung und Übernahme von Auszubildenden gleichrangig im Fokus. Das soll zum einen die chemische Industrie als Schlüsselindustrie für nachhaltige Entwicklungen weiter ausbauen, als auch Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen weiter attraktiv gestalten und Fachkräfte sichern.

Es gibt keine Blaupause für den Strukturwandel

Von diesen Einblicken war die Delegation sichtlich beeindruckt. Es stellte sich aber schnell heraus, dass Strukturwandel und nachhaltige Entwicklungspfade nicht eins zu eins übertragbar sind. Das wurde im Diskurs zum einen an unterschiedlichen Vorstellungen, aber auch an verschiedenen Rahmenbedingungen deutlich. So sind in Deutschland betriebliche und Unternehmensmitbestimmung historisch gewachsen. Gerade etablierte Branchen haben starke Arbeitnehmervertretungen, die in neuen Branchen noch vermisst werden.

Das Wohlstandsgefälle stellt die Länder vor zusätzliche Herausforderungen. Deutschland hat die nötigen finanziellen Mittel, den Strukturwandel aktiv zu gestalten. Dem gegenüber ist Vietnam mit einem wachsenden Energiebedarf und gleichzeitig mit den Anforderungen an eine ökologische und soziale Gestaltung konfrontiert. In diesem Prozess ist es wichtig, die Beschäftigten mitzunehmen und einzubinden. Der weltweite Austausch zwischen Gewerkschaften trägt dazu bei, dass verschiedene Positionen mitgedacht und mögliche Lösungsansätze geteilt werden. Internationale Kooperationen stärken den Diskurs über eine nachhaltige Entwicklung und ermöglichen ein gegenseitiges Voneinander lernen.


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