Deutscher Gewerkschaftsbund

04.06.2018

Ein neuer Freundschaftsvertrag (Élysée-Vertrag) zwischen Deutschland und Frankreich

2018 wird ein neuer Élysée-Vertrag, ein neuer Freundschaftsvertrag zwischen Deutschland und Frankreich ausgehandelt. Die Gewerkschaften der beiden Länder unterhalten sehr intensive Beziehungen und haben ihre Forderungen bei einer Anhörung im Bundestag am 17. Mai 2018 vorgetragen. Im Kern fordert der DGB zwei Kapitel im neuen Élysée-Vertrag: ein deutliches Bekenntnis zur europäischen Integration sowie ein Kapitel zur Beschäftigungs- und Sozialpolitik.

Französische Flagge vor blauem Himmel

DGB/George Tsartsianidis/123rf.com

Ausgehend von einer Initiative des französischen Präsidenten Macron vereinbarten er und Bundeskanzlerin Merkel am 19. Januar 2018 die Ausarbeitung eines neuen Élysée-Vertrages. Der ursprüngliche Freundschaftsvertrag zwischen Deutschland und Frankreich wurde 1963 von Charles de Gaulle und Konrad Adenauer unterzeichnet und beendete die „Erbfeindschaft“ zwischen beiden Ländern. Die Gründung des Deutsch-Französischen Jugendwerkes und die Entstehung von zahlreichen Städtepartnerschaften sowie Partnerschaften zwischen Schulen und Organisationen der Zivilgesellschaft gehen auf den Élysée-Vertrag zurück. Auch war die deutsch-französische Aussöhnung letztlich Bedingung für die Entwicklung der EU. Das deutsch-französische Tandem wurde zum „Motor“ der europäischen Integration.

Der deutsche Bundestag und sein französisches Pendant (Assemblée Nationale) haben infolge der Vereinbarung zwischen Macron und Merkel eine Arbeitsgruppe zum Élysée-Vertrag eingesetzt, die aus jeweils neun Abgeordneten des jeweiligen Parlaments besteht und die die Erarbeitung des neuen Vertrages begleitet. Dafür wurden die deutschen und französischen Gewerkschaften am 17. Mai 2018 im Bundestag für eine Anhörung eingeladen.

Die Gewerkschaften in Deutschland und Frankreich unterhalten sehr intensive und vielfältige Beziehungen auf allen Ebenen: von der interregionalen über die nationale bis hin zur europäischen Ebene; in Form von Jugendaustausch, bilateralen Projekten und  fachlicher Zusammenarbeit in den unterschiedlichsten Gremien. Somit sind die Gewerkschaften wesentlicher Bestandteil und Antreiber der Annäherung der beiden Länder und ihrer Zivilgesellschaften.

Angesichts vielfältiger globaler Herausforderungen wie Globalisierung, Klimawandel und Digitalisierung sollten aus Sicht des DGB die deutsch-französischen Beziehungen weiter intensiviert und gestärkt werden. Ein neuer Élysée-Vertrag muss deswegen zwei neue Kapitel beinhalten. Ein Kapitel mit einem Bekenntnis des deutsch-französischen Tandems zur europäischen Integration und zur Zukunft der EU, ein weiteres Kapitel zur deutsch-französischen Zusammenarbeit im Bereich Beschäftigung und Soziales.

Deutschland und Frankreich haben vor dem Hintergrund der derzeitigen Vertrauenskrise in die EU eine besondere Verantwortung als treibende Kraft für den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Zusammenhalt in Europa. Unsere beiden Länder sind nicht nur maßgebliche Gestalter des europäischen Einigungsprozesses, sondern profitieren ebenso in besonderen Maße von der EU. Der DGB fordert, dass ein neuer Élysée-Vertrag Antworten für die Zukunft der EU und deren Architektur gibt und damit zur Solidarität und Aufwärtskonvergenz in Europa beiträgt. Dazu gehört die Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion (Stichwort: Antworten auf Macrons Reformvorschläge!) sowie eine Stärkung der europäischen Sozialagenda.

Die besonderen bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich müssen auch künftig gelebt und ausgebaut werden. Dazu gehört, dass die bilateralen Institutionen wie der Ministerrat und die Treffen der Fachminister konkreten Mehrwert produzieren und über den symbolischen Charakter hinausgehen. Im Bereich der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik gilt es, die systematische Beteiligung der deutschen und französischen Sozialpartner anlässlich der Treffen der Arbeits- und Sozialminister aus Deutschland und Frankreich zu stärken und zu verstetigen. Der DGB fordert eine gemeinsame Arbeitsplanung der relevanten Ministerien und der Sozialpartner beider Länder und eine Übereinkunft über prioritäre Themenbereiche, sodass aus den bilateralen Beziehungen konkrete Initiativen und Projekte für die EU und für die bilaterale Zusammenarbeit entstehen.

Ein neuer lysée-Vertrag sollte die grenzüberschreitende Mobilität nach Kräften fördern, u.a. durch erhöhte Anstrengungen im Bereich der Berufsausbildung („Erasmus professionnel“), der umfassenden gegenseitigen Anerkennung von Qualifikationen im Sekundär- und Tertiärbereich und der vereinfachten Zusammenarbeit zwischen den Institutionen der Sozialversicherungen (nicht nur der Renten- und Arbeitslosenversicherungen, sondern auch bei der gesetzlichen Krankenversicherung).

Im Bereich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit sind für die Gewerkschaften die Interregionalen Gewerkschaftsräte (IGR) ein wichtiges Instrument für die nachhaltige Integration der Grenzräume unter fairen Bedingungen. Mit ihnen können ArbeitnehmerInnen- und Gewerkschaftsrechte durchgesetzt werden. Sie setzen sich für die Stärkung von Guter Arbeit und Mitbestimmung, die Bekämpfung von Diskriminierung und Ausgrenzung sowie den Schutz mobiler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein. Für den grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt ist eine systematische Gesetzesfolgenabschätzung unter Einbindung der Sozialpartner anzustreben.

Siehe auch: https://www.bundestag.de/blob/556368/f03b9b8e2dd328999ede63b8c00234fb/3-dgb-data.pdf

Von Jan Stern (DGB)


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