Deutscher Gewerkschaftsbund

31.01.2020
klartext 03/2020

Die Märchen der Mindestlohngegner

Vor der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns 2015 haben Wirtschaft und Ökonomen massive Arbeitsplatzverluste vorhergesagt. Diese Stimmen werden vor den anstehenden Verhandlungen der Mindestlohnkommission wieder lauter. Eine neue Studie zeigt: Das Gegenteil ist der Fall, Millionen Menschen haben vom Mindestlohn profitiert. Dies darf die Kommission in den Verhandlungen nicht übersehen, schreibt der DGB-klartext.

Geschäftsmann geht vor vermeintlich übermächtigem Schattenmonster in Deckung

DGB/ra2studio/123RF.com

Diese Woche kam die Mindestlohnkommission in neuer Zusammensetzung zur konstituierenden Sitzung zusammen. In den anstehenden Verhandlungen wird es um eine angemessene Erhöhung des Mindestlohnes gehen. Die Gewerkschaften machen sich dafür stark, ihn deutlich anzuheben und existenzsichernd auszugestalten.

Fehlprognosen der Ökonomen

Bereits jetzt ist abzusehen, dass interessierte Kreise ihre alten Argumente ausgraben werden, um dagegen Stimmung zu machen. Wir erinnern uns: Vor Einführung des Mindestlohns inszenierten Deutschlands bekannteste Ökonomen einen Wettlauf düsterer Weltuntergangsprognosen. Ein Professoren-Team aus Magdeburg, Berlin und Dresden rechnete aus, dass über 900.000 Arbeitsplätze verloren gehen würden und warnte die Politik massiv vor Einführung des Mindestlohnes. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute sagten in ihrer Gemeinschaftsdiagnose von April 2014 immerhin einen Wegfall von rund 200.000 Stellen voraus. Und auch der Vorsitzende der Wirtschaftsweisen warnte in der Presse, der Mindestlohn werde mehrere 100.000 Arbeitsplätze kosten.

Mindestlohn voller Erfolg

Doch tatsächlich trat das Gegenteil ein. Die Einführung des flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns zum 1. Januar 2015 war ein voller Erfolg. Rund 3,6 Millionen Menschen profitierten direkt von der Lohnuntergrenze. Die steigenden Einkommen im Niedriglohnbereich förderten die Binnennachfrage. Die private Konsumnachfrage wuchs 2015 so stark wie seit der Jahrtausendwende nicht mehr. In den Folgejahren stieg das Beschäftigungsniveau auf Rekordwerte, während die Arbeitslosigkeit Tiefststände erreichte.

Eine Studie hat jetzt noch einmal die krassen Fehlprognosen der Ökonomen mit der Wirklichkeit abgeglichen (siehe Grafik). Die neue Studie kommt zu dem Schluss, dass vor allem fehlerhafte Annahmen und Vereinfachungen in den zugrunde gelegten Modellen zu den übertriebenen Warnungen vor Job-Verlusten führten.

Grafik: Prognostizierte und tatsächliche Beschäftigungsentwicklung nach Einführung des Mindestlohns (sozialversicherungspflichtige und geringfügige Beschäftigung)

Quelle: Eigene Darstellung; für die Prognosen vor Einführung des Mindestlohns vgl. Übersicht bei Bruttel et al. (2019); Beschäftigungseffekkte des gesetzlichen Mindestlohns: Prognosen und empirische Befunde, in: Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2019;

Höhere Löhne für Kaufkraft und Wachstum

Viele Ökonomen behandeln den Arbeitsmarkt leider wie einen Markt für Äpfel und Birnen: Steigt der „Preis für Arbeit“, etwa durch Einführung des Mindestlohnes, sinkt im Modell die Nachfrage der Unternehmen nach Arbeitskräften, die Arbeitslosigkeit steigt. Das vernachlässigt nicht nur, dass höhere Löhne mehr Kaufkraft und damit Wachstum bedeuten können. Auch dass z. B. ein Friseursalon auf höhere Löhne nicht nur mit Entlassungen, sondern auch mit der Erhöhung der Preise reagieren kann oder schlicht geringere Gewinne akzeptiert, wird oft nicht beachtet. Aber Haare müssen tatsächlich auch bei steigenden Löhnen geschnitten werden.

Es ist deshalb wichtig, vereinfachte Modellannahmen nicht mit der Wirklichkeit zu verwechseln, wie auch die neue Studie deutlich macht. Die Mindestlohnkommission muss das beachten, wenn in den kommenden Monaten Lobbyisten oder interessengeleitete Sachverständige neue Horrorgeschichten an die Wand malen, um eine angemessene Mindestlohnerhöhung zu sabotieren.


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