Millionen Beschäftigte in Deutschland werden von kriminellen Arbeitgebern um den gesetzlichen Mindestlohn betrogen. Seit seiner Einführung 2015 ist dadurch ein Schaden von insgesamt 25 Milliarden Euro entstanden. Das Geld fehlt nicht nur den ArbeitnehmerInnen, sondern auch den Sozialversicherungen und dem Fiskus.
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Mindestlohnverstöße sind keine Kavaliersdelikte. Sie kommen Beschäftigten und der Allgemeinheit teuer zu stehen. Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) erhalten 2,4 Millionen Beschäftigte den gesetzlichen Mindestlohn nicht, obwohl er ihnen zusteht. Oft tricksen Arbeitgeber beispielsweise bei der Arbeitszeit – bezahlen weniger Stunden, als eigentlich gearbeitet wurde und senken so den Stundenlohn.
Eine aktuelle DGB-Analyse zeigt, dass die um den Mindestlohn betrogenen Beschäftigten seit Einführung der Lohnuntergrenze im Jahr 2015 um insgesamt 14,5 Milliarden Euro geprellt wurden. Das sind 2,9 Milliarden Euro jährlich, die den Beschäftigten fehlen und stattdessen in den Taschen krimineller Arbeitgeber landen.
Im Durchschnitt entgingen jedem Betrogenen im Jahr 1.350 Euro netto, das bedeutet seit 2015 ein Minus von insgesamt 6.750 Euro. Vollzeitbeschäftigte hatten im Durchschnitt jährlich 1.860 Euro netto weniger, Teilzeitbeschäftigte 1.460 Euro und geringfügig Beschäftigte 670 Euro.
Die Mindestlohnverstöße belasten ebenso die Allgemeinheit. Denn durch die vorenthaltenden Löhne und Gehälter fehlen den Sozialversicherungen und dem Fiskus erhebliche Einnahmen. Der Schaden lässt sich allein für die Sozialversicherungen auf insgesamt 8,1 Milliarden Euro seit 2015 beziffern.
Auch angesichts der demographischen Herausforderungen und der aktuellen Verwerfungen aufgrund der Corona-Krise sind das inakzeptable Einnahmeverluste für die gemeinschaftliche Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie die Arbeitslosenversicherung. Auch Bund, Ländern und Kommunen gingen aufgrund geringerer Einnahmen aus der Einkommensteuer Milliarden verloren.
Quelle: Berechnungen des DGB
So sind die Steuerkassen um insgesamt 2,5 Milliarden Euro leerer als bei einer flächendeckenden gesetzeskonformen Bezahlung der Mindestlohnanspruchsberechtigten. Der Gesamtverlust aufgrund von Mindestlohn-Verstößen, also die Summe aus geringerer Kaufkraft, Steuerausfällen und geringeren Einzahlungen in die Sozialversicherungen, summiert sich somit seit Einführung des gesetzlichen Mindestlohns im Jahr 2015 auf über 25 Milliarden Euro.
Eins ist auch klar: Beschäftigten im Mindestlohnbereich – gerade den um den Mindestlohn Betrogenen – bleibt am Ende des Monats nichts übrig. Ersparnisse sind kaum möglich, Altersarmut vorprogrammiert. Auch deshalb muss der gesetzliche Mindestlohn zügig auf ein existenzsicherndes Niveau von 12 Euro pro Stunde angehoben werden.
Gleichzeitig können Mindestlöhne aber nur das Mindeste sein – die unterste Haltelinie, unter der kein Arbeitgeber zahlen darf. Wirklich „Gute Arbeit“ gibt es hingegen nur mit Tarifvertrag. Deshalb braucht es Maßnahmen, um die Tarifbindung in Deutschland zu erhöhen. Hier muss die Bundesregierung endlich tätig werden. Wir brauchen umfassende Tariftreueregelungen auch auf Bundesebene. Zudem muss der Gesetzgeber es erleichtern, Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklären zu können.