Anfang Mai kommt die GEW zu ihrem 28. Ordentlichen Gewerkschaftstag in Freiburg zusammen. Die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe kandidiert erneut und spricht im Interview über digitale Klassenzimmer, Integration durch Bildung und Strategien gegen Rechts.
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Die Topthemen lauten Bildung in der digitalen Welt und Wege einer neuen Zeitpolitik. Dauerbrenner bleiben die Arbeitsbedingungen aller im Bildungsbereich Beschäftigten und die finanziellen Ressourcen, die der Staat dafür zur Verfügung stellt. Gegen prekäre Beschäftigung in Hochschule, Erwachsenen- und Weiterbildung, aber zunehmend auch an Kitas und in Schulen, werden wir weiter aufstehen.
Kay Herschelmann/GEW
62, hat bis zu ihrer Wahl zur GEW-Vorsitzenden im Juni 2013 als Hauptschullehrerin in Schleswig-Holstein unterrichtet. Von 1995 bis 2013 war sie Mitglied im Geschäftsführenden Vorstand des GEW-Landesverbandes. Über 30 Jahre vertrat sie die GEW Schleswig-Holstein im Bundesfrauenausschuss der GEW.
Die Bilanz ist positiv: Wir verzeichnen einen Mitgliederzuwachs von vier Prozent. In der Bildungspolitik haben wir Impulse gesetzt und werden von Politik, Gesellschaft und Medien als Ansprechpartnerin in Sachen Bildung ernst genommen. Das gilt insbesondere für die Integration von Geflüchteten, die wir 2013 so noch gar nicht auf dem Schirm hatten. Die Aufwertung der pädagogischen Berufe ist mir ein großes Anliegen, auch da sind wir vorangekommen: durch Tarifpolitik, aber auch durch Einflussnahme auf die Gesetzgebung. In der Bildungsinternationale (BI) wird die GEW anerkannt, ich wurde zur Vizepräsidentin gewählt. Es ist jedoch noch viel zu tun. Denn alles, was die GEW für die Beschäftigten im Bildungsbereich und für die Bildung erreichen will, kostet Geld. Da hat es Fortschritte gegeben beim BAföG etwa oder für die Integrationslehrkräfte in der Weiterbildung, aber das reicht bei weitem nicht aus.
Die Bildungsfinanzierung ist ein wichtiger Schwerpunkt der Arbeit. Wir wollen Verbesserungen in allen Bildungsbereichen erzielen. Dafür kommt es darauf an, dass nicht nur die GEW-Mitglieder ihre Stimme erheben, sondern alle Bildungsbeteiligten. Kinder, Eltern, KommunalpolitikerInnen und Arbeitgeber wollen wir als Bündnispartner gewinnen. Es darf nicht bei Lippenbekenntnissen der Politiker bleiben. Wir müssen umsteuern und der Bildung mehr Gewicht und Ressourcen zukommen lassen.
Geflüchtete und Zuwandernde brauchen Bildung von Anfang an, das muss gesetzlich und personell abgesichert werden. Die Menschen brauchen eine Perspektive und Anerkennung, das ist Aufgabe der gesamten Gesellschaft. Wenn dieser Auftrag ernst genommen wird, können auch die Bildungseinrichtungen, die bisher sehr gut gearbeitet haben, ihren Beitrag noch besser leisten.
Wir machen „Demokratie lernen“ und politische Bildung wieder stark. Dazu bieten wir – u.a. zusammen mit dem DGB-Bildungswerk – Qualifizierungen an. Zudem mischen wir uns kräftig in die öffentliche, politische Diskussion ein und informieren über unsere Medien zum Thema Rechtspopulismus.
In jedem Fall werden digitale Medien eine noch größere Rolle als heute spielen. Die Frage ist, wer die Ausstattung bezahlt und die Lehrenden qualifiziert. Wir wollen, dass Bildungseinrichtungen unabhängig vom sozialen Einzugsbereich gut ausgestattet werden.
Digitale Medien können das eigenständige Lernen unterstützen, bieten Hilfen bei der Differenzierung und können Behinderte stärken. Aber eigenständiges Lernen muss weiterhin durch die Gestaltung des Unterrichts ermöglicht werden. Inhalte werden auch in der Auseinandersetzung mit anderen Kindern und Jugendlichen erlernt und verstanden. Soziales Lernen, Kommunikation, kulturelles Lernen und Kunst dürfen nicht verdrängt werden.
Wir werden dem Thema Ausgestaltung der Inklusion in der Organisation viel Raum geben. Die Zahl inklusiver Bildungseinrichtungen -wächst. Der Quantität muss die Qualität folgen, dafür werden wir uns mit aller Kraft einsetzen.
Bildung darf nicht abhängig sein vom Geldbeutel der Eltern oder vom Standort von Kita und Schule. Immer noch zeigen uns die Ergebnisse internationaler Vergleichsuntersuchungen, dass die Erfolge in Deutschland viel stärker von der sozialen Herkunft abhängen als in vergleichbaren anderen Staaten. Das darf nicht so bleiben – weder beim Schulerfolg noch beim Zugang zu Studium und Beruf.
Wir sind mit diesem Tarifabschluss ein gutes Stück vorangekommen. Das Forderungspaket war sehr komplex. Es enthielt nicht nur wie üblich Entgelterhöhungen und eine soziale Komponente, sondern eine Reihe -struktureller Forderungen, um für Erzieher*innen und Kitaleitungen sowie Lehrkräfte Nachteile gegenüber den Beschäftigten bei Bund und Kommunen auszugleichen. Für die Arbeitgeber war unsere Forderung, das Befristungsunwesen einzudämmen, ein „No Go“. Das ist eine Kröte, die wir schlucken mussten.
Die Einführung der Stufe 6 für die Entgeltgruppen E 9 bis E 15 ist ein Baustein, um die Verdienstlücke- mit Blick auf das Lebenseinkommen ein Stück zu schließen. Deswegen war es für uns ein sehr wichtiges Element in der Tarifrunde – und wir haben dieses Ziel durchgesetzt! Perspektivisch profitieren über 80 Prozent der angestellten Lehrkräfte in der GEW von der neuen, zusätzlichen Stufe.
Die 432 GEW-Delegierten stellen vom 6. bis zum 10. Mai auf dem 28. Ordentlichen Gewerkschaftstag der GEW die Weichen für die Arbeit der nächsten vier Jahre. Schwerpunkte werden die Ausbildung von PädagogInnen, die Gestaltung der Bildung in der Migrationsgesellschaft und die Inklusion im Bildungswesen sein. Darüber hinaus will die GEW sich intensiv mit der Nachwuchsförderung beschäftigen.
Die Delegierten vertreten rund 280000 GEW-Mitglieder, davon sind rund 72 Prozent Frauen. Der Anteil junger Menschen unter 27 Jahren liegt unter den Mitgliedern bei 4,5 Prozent.
GEW