Deutscher Gewerkschaftsbund

31.08.2016
Deutscher Betriebsräte-Preis

Mitbestimmung zählt

einblick 14/2016

Betriebsräte engagieren sich vielfältig – ebenso vielfältig sind die 14 Projekte, die von der Jury für den Deutschen Betriebsräte-Preis 2016 nominiert wurden.

Deutscher Betriebsräte-Tag 2014, Bonn

DGB/Steinborn

Die nominierten Gremien aus verschiedenen Branchen haben etwa innovative Vereinbarungen geschlossen, um Standorte und Arbeitsplätze zu sichern, „Gute Arbeit“ zu gestalten und betriebliche Belastungen zu überwinden. Der Deutsche Betriebsräte-Preis zeichnet jedes Jahr Betriebsräte für ihr Engagement und herausragende betriebliche Initiativen aus. Die Gewinner werden am 10. November auf dem Deutschen BetriebsräteTag in Bonn ausgezeichnet.


Projekt-Porträts im Überblick

Der Deutsche Betriebsräte-Preis zeichnet jedes Jahr betriebliche Interessenvertretungen für herausragende Initiativen aus. einblick stellt die 14 Nominierten für 2016 vor.

Arbeitsplätze sichern

  • Vor dem Ende der Standortvereinbarung 2015, initiierte der Betriebsrat der BASF SE in Ludwigshafen Verhandlungen mit der Unternehmensseite. Erklärtes Ziel war es, Standortsicherheit für alle Beschäftigten zu erlangen. Nach mehrmonatigen Verhandlungen einigten sich schließlich beide Seiten auf eine neue fünfjährige Standortvereinbarung. Bis 2020 sind betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen. Darüber hinaus wurden umfangreiche Investitionen, eine solide Nachwuchssicherung und ein Gesundheitsmanagement vereinbart.
  • Die Telekom plante Effizienz- und Rationalisierungsmaßnahmen bei ihrem Kundenservice (Deutsche Telekom Kundenservice GmbH, DTKS). Der Gesamtbetriebsrat der DTKS legte daraufhin das Eckpunktepapier „Zukunftsperspektive des Kundenservice in der DTKS“ vor – es enthält Anstöße zu Beschäftigungsperspektiven, Standortsicherheit, Qualifizierung und Grundsätzen für gesunde Führung. In verschiedenen Betriebsvereinbarungen und Regelungen mit ver.di wurden Beschäftigtenzahlen, Neueinstellungen und die Übernahme von Auszubildenden festgeschrieben.
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DGB/einblick

  • Wegen Verlusten und Überschuldung wollte die Stadt Esslingen einen privaten Käufer für das städtische Klinikum finden. Die Klinik, die seit über 150 Jahren in kommunaler Hand ist und für deren Beschäftigte der TVöD gilt, sollte verkauft oder teilverkauft werden. Der Betriebsrat des Klinikum Esslingen GmbH wurde aktiv, weil im Zuge dessen der Ausstieg aus dem TVöD drohte. Schließlich überzeugte der BR den Gemeinderat von seiner finanziellen und sozialen Verantwortung – das Klinikum bleibt zu 100 Prozent in öffentlicher Hand, der Tarifvertrag gilt weiter und alle Arbeitsplätze blieben erhalten.
  • Das Unternehmen, ein Zulieferer für die Auto- und Elektroindustrie, konfrontierte die Beschäftigten mit Plänen, den Standort zu verlagern und Stellen in Deutschland abzubauen. Für die Beschäftigten entstand große Unsicherheit – verstärkt durch zunehmenden Kostendruck und eine verschärfte Wettbewerbssituation. Schließlich scheiterten 2013 die Verhandlungen für einen Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung. Der Betriebsrat der Marquardt GmbH in Rietheim-Weilheim entwickelte daraufhin ein Konzept zur Beschäftigungs- und Standortsicherung, leistete Überzeugungsarbeit in den Verhandlungsrunden und band die Beschäftigten intensiv in den Entscheidungsprozess ein. Ergebnis ist ein Paket, mit dem die Arbeitsplätze in Deutschland gerettet und die Weichen für die Neuasurichtung der Standorte gestellt wurden.
  • Um Geld zu sparen, wurde von Unternehmensseite entschieden, die operativen Logistikfunktionen auszulagern. Der externe Dienstleister konnte die Leistungen durch Tarifunterschiede deutlich günstiger anbieten – es bestand akute Gefahr für weitere Logistik-Arbeitsplätze. Der Betriebsrat der Roche Diagnostics GmbH in Mannheim wurde aktiv, um die Logistig im Roche-Konzern zu halten. Mit Erfolg: die Betriebsvereinbarung „Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit der Logistik“ garantiert den Erhalt der operativen Logistik bis Ende 2020. Im gleichen Zeitraum sind betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen.
Eine Frau und zwei Männer in einer Besprechung

Colourbox.de

Zukunft der Arbeit gestalten

  • Eine innovative Beteiligungskampagne hat der Betriebsrat der Daimler AG in Stuttgart durchgeführt. Das Ergebnis soll eine bedarfsorientierte Gesamtbetriebsvereinbarung zu Mobilem Arbeiten sein. Online und in Workshops konnten die Beschäftigten angeben, wo sie Regelungsbedarf sehen. – Das Projekt soll eine Richtschnur für künftiges betriebspolitisches Handeln sein. Projektträger sind Daimler, Gesamtbetriebsrat und IG Metall, das Fraunhofer-Institut begleitet das Projekt wissenschaftlich.
  • Als die Deutsche Bahn AG plante, die Buchhaltungsaktivitäten für ganz Europa an einem Ort in Mittel- oder Osteuropa zu konzentrieren, ging der Europäische Betriebsrat der DB AG in die Offensive. In den folgenden Verhandlungen trafen der EBR und die Leitung der DB eine europaweit geltende Vereinbarung – die auch für das neu errichtete „Global Accounting Shared Service Center“ in Bukarest gelten wird. Diese garantiert Schutzrechte für die Beschäftigten vor Ort und einheitliche, europaweite Standards, falls Arbeitsplätze verlagert werden.
  • Im Rahmen des Demografie-Tarifvertrags der IG BCE wurde die Situation im Gesamtbetriebsrat der Evonik Industries AG in Essen analysiert. Das Ergebnis: die Hälfte der Mitglieder scheidet bis 2018 aus, darunter auch die Vorsitzende und zahlreiche Mitglieder des Gesamtbetriebsratsausschusses (GBA) und des Aufsichtsrates. Um auch nach 2018 ein starkes, demografiefestes Gremium der Interessenvertretung zu haben, entwickelte der GBA ein Konzept. In Kooperation mit dem GBR wurden bereits erste Wechsel vollzogen und der weitere Ablauf bis 2018 fest verabredet, um dann ein „neues“, aber auch schon eingearbeitetes Gremium zu haben.
  • „Zukunft.Zeit.Zusammenarbeit“ heißt das erfolgreiche Projekt des Betriebsrats der N-ERGIE AG, Nürnberg. Um den künftigen Personalbedarf des Stromanbieters zu sichern, bildete sich eine Gruppe aus Betriebsrat und Personalabteilung. Mit neuen Zeitmodellen und einer strukturierten Zukunftsplanung soll dem Fachkräftemangel und demografischen Wandel begegnet werden. Die Beschäftigten konnten an einer Befragung teilnehmen und sich so am Prozess beteiligen. Schließlich vereinbarte das Gremium, die Ausbildungszahlen zu erhöhen, ein neues Übernahmekonzept anzuwenden, einen Talent-Pool zu schaffen und neue Zeitmodelle einzuführen – darunter Teilzeitmodelle, Langzeitkonten und Sabbatvereinbarungen. Auch eine Betriebsvereinbarung „Mobiles Arbeiten“ wurde beschlossen.
Beschäftigte im Dialog in Versandlager

Colourbox.de

Gesundes Arbeitsklima schaffen

  • Die Leben mit Behinderung Sozialeinrichtungen gGmbH (LmBH) erbringt Assistenz- und Beratungsleistungen für Menschen mit Behinderung. Als der Arbeitgeber umfassende Umstrukturierungen plante, setzte der Betriebsrat der LmBH das Thema Arbeits- und Gesundheitsschutz ganz oben auf die Agenda. Es folgten umfangreiche Verhandlungen bis hin zur Einigungsstelle. Am Ende steht ein Erfolg: Das Projekt „Der rote Faden des Gesundheitsschutzes“ wurde umgesetzt – es beinhaltet verschiedene Betriebsvereinbarungen zu Beteiligung, Arbeitsschutz und Betrieblichem Eingliederungsmanagement. Zusätzlich wurden neue Stellen geschaffen und der Gesundheitsschutz verbessert.
  • Geregelte und bezahlte Pausenkorridore für die MitarbeiterInnen, das war das Ziel des Projekts des Betriebsrats der Prosegur GmbH. Das Gremium bildete mit VertreterInnen aus Gewerkschaft und Amt für Arbeitsschutz sowie Rechtsanwälten und Vorgesetzten eine gemeinsame Arbeitsgruppe. Am Ende stand eine für die Geldtransportbranche beispiellose Vereinbarung: Nicht nur die Geldtransporteure, sondern auch die KollegInnen im Innendienst, bekommen ihre Pausen nun bezahlt.
  • Beschäftigte aus Produktion, Verwaltung, Entwicklung und Forschung klagten zunehmend über psychisch krankmachende Belastungen. Gesamt- und Konzernbetriebsrat der Robert Bosch GmbH hatten das Thema „Psychische Gesundheit“ bereits 2001 aufgegriffen. Mit dem neuen Arbeitsschutzgesetz, das zum 1. Januar 2014 in Kraft trat, konnte der GBR eine Gesamtbetriebsvereinbarung „Psychische Gesundheit“ mit Nachdruck einfordern. Die aufeinander aufbauenden Vereinbarungen „Ganzheitliche Gefährdungsbeurteilung“ und „Psychische Belastung“ führten zu einer deutlichen Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Unternehmen.
Schild Betriebsrat vor Hausnummer 9

DGB/Simone M. Neumann

Mitbestimmt erfolgreich

  • Ein weltweites System zur Leistungsbeteiligung etablieren – das wollten der Gesamtbetriebsrat und der Europäische Betriebsrat des Chemieunternehmens Solvay. Für außertariflich Angestellte gab es bereits einen leistungsabhängigen Bonus, für TarifmitarbeiterInnen gab es hingegen nur in Frankreich auf gesetzlicher Basis ein Beteiligungssystem. Ziel des Projekts war es, für alle MitarbeiterInnen weltweit eine Leistungsbeteiligung in Form von Geld zu erreichen. Der GBR platzierte das Thema über den EBR bei der Geschäftsführung in Brüssel. Der EBR verhandelte erfolgreich ein solches System der Leistungsbeteiligung – das „Solvay Global Performance Sharing Programm“.
  • Der Konzernbetriebsrat der thyssenkrupp AG wurde aktiv, um Menschen- und Arbeitsrechte für alle Beschäftigten im Konzern zu sichern. Der bestehende Code of Conduct war aus Sicht des KBR unzureichend und bot keinen Handlungsspielraum für die Mitbestimmung. Im März 2015 wurden daraufhin das Internationale Rahmenabkommen zur Mitbestimmung und ein dazugehöriges Meldesystem geschlossen. Das Gremium sieht das Abkommen – und insbesondere die Möglichkeit der Beschäftigten, Verstöße dagegen zu melden – als wichtigen Schritt, um auch über die Grenzen der Mitbestimmung hinaus die Rechte aller Beschäftigten zu sichern.

Deutscher Betriebsräte-Preis 2016


 

Logo Deutscher Betriebsräte-Tag

DGB/Steinborn

Deutscher Betriebsräte-Tag 2016

„Arbeit 4.0 – Betriebsräte gestalten die Zukunft der Arbeit“ ist das Motto des Betriebsräte-Tages 2016. Vom 8. bis 10. November tagt Deutschlands „Parlament der Betriebsräte“ in Bonn. Zum 13. Mal laden der DGB und die Mitgliedsgewerkschaften Betriebsräte und andere ArbeitnehmervertreterInnen ein, um sich zu informieren, auszutauschen und zu networken.

Am 10. November werden vorbildliche betriebliche Initiativen und Vereinbarungen mit dem Deutschen Betriebsräte-Preis ausgezeichnet. Aus 88 vorgeschlagenen Betriebsratsinitiativen hat die Jury, der ExpertInnen aus Gewerkschaften, Praxis und Wissenschaft angehören, 14 Projekte ausgewählt und nominiert.

Deutscher Betriebsräte-Tag 2016

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