Deutscher Gewerkschaftsbund

01.09.2021
20 Jahre nach der PISA-Studie

DGB-Expertise: Schulsystem ist mittelmäßig und unsozial

Auch 20 Jahre nach dem PISA-Schock gilt: Die soziale Spaltung bleibt die offene Wunde unseres Bildungssystems. Eine aktuelle Studie, die der Bildungsforscher Klaus Klemm für den DGB erarbeitet hat, zeigt: In fast keinem anderen Land hängt Bildungserfolg so stark von der sozialer Herkunft ab. Und die Corona-Krise verschärft die Entwicklung noch zusätzlich.

Demonstranten auf GEW-Demo

DGB/Simone M. Neumann

Der PISA-Schock 2001

Der PISA-Schock 2001 zeigte der vermeintlichen „Bildungsrepublik“ Deutschland: Unser Schulsystem ist mittelmäßig und unsozial. Zur Erinnerung: In den drei getesteten Bereichen Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften lag Deutschland deutlich unter dem Leistungsdurchschnitt  der 31 teilnehmenden OECD-Staaten. In keinem anderen PISA-Land waren soziale Herkunft und erworbene Kompetenzen derart stark verknüpft. Seit dem PISA-Schock vergeht kein Jahr, in dem Bildungspolitiker*innen nicht verkünden, dass die Überwindung er sozialen Spaltung im Bildungswesen eine zentrale Aufgabe der Regierungen in Bund und Ländern sei.

Deutschland gehört weiterin zu Schlusslichtern

Ist es im Jahr 20 nach PISA gelungen, die soziale Schieflage im Schulsystem ansatzweise zu mildern? Das hat Bildungsforscher Klaus Klemm für den DGB mit einem Blick auf die Schulleistungsstudien IGLU, TIMS, PISA und den Vergleichsstudien des Instituts zur Qualitätssicherung im Bildungswesen (IQB) untersucht. Insgesamt decken diese Studien einen Zeitraum ab, der vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2019 reicht. Dabei hat er die soziale Ungleichheit an drei Punkten in den Blick genommen:

  • in den Grundschulen,
  • beim Übergang von den Grundschulen in die weiterführenden Schulen sowie
  • in den weiterführenden Schulen.

Die zentralen Befunde

  • „Die PISA 2000-Studie zeigte, dass in keinem Land das Ausmaß sozialer Ungleichheit unter den Schülerinnen und Schülern OECD-weit so groß war wie in Deutschland: Unter 31 OECD-Staaten, die 2000 an der PISA-Untersuchung teilnahmen, belegte Deutschland mit Platz 31 den letzten Platz.
  • Fast zwanzig Jahre danach, 2018, hat sich die Situation immer noch nicht verbessert: Deutschland gehört immer noch zu Schlusslichtern und rangiert unter den inzwischen 36 OECD-Staaten, die in diesem Jahr an der PISA-Untersuchung teilnahmen, auf Platz 33.“
  • Grundschule: Insgesamt bietet sich so für den Bereich der Grundschule das Bild einer Stagnation, teils aber auch das einer tendenziellen Verschärfung sozialer Ungleichheit in der Mathematik und beim Lesen. Lediglich bei den zuletzt genannten Naturwissenschaften ist zwischen 2007 und 2019 eine leichtere Abschwächung der sozialen Disparität zu beobachten.
  • Übergang Grundschule/weiterführende Schule: 2001 lag die Chance eines Grundschulkindes der vierten Jahrgangsstufe aus der ‚service class‘ (einer Zusammenfassung der EGP-Klassen I und II) seitens seiner Lehrkraft eine Gymnasialempfehlung zu erhalten um 4,18mal höher als die eines Kindes aus der ‚working class‘ (einer Zusammenfassung der EGP-Klassen V bis VII). Bei Kontrolle der kognitiven Fähigkeiten und der Lesekompetenz war die Chance für eine gymnasiale Empfehlung immer noch 2,63 mal höher für Kinder aus den sozial starken Familien im Vergleich zu denen aus sozial schwächeren Familien. Dieser Indikator sozialer Benachteiligung auch bei gleich guten Schulleistungen hat sich zwischen 2001 und 2016 kontinuierlich verstärkt: von 2,63 auf 3,37.
  • Weiterführende Schule: Wenn man die Daten zu den Fünfzehnjährigen (PISA-Studien) bzw. zu den Schülerinnen und Schülern der neunten Jahrgangsstufe (IQB-Studien) der hier herangezogenen Studien insgesamt betrachtet, so zeigt sich: In den ersten Jahren nach Veröffentlichung der PISA-2000 Studie vollzieht sich eine Abschwächung der beobachteten sozialen Disparitäten. Dieser Reduzierung folgt dann bis 2018 eine überwiegend durch Stagnation bzw. teilweise auch durch einen Wiederanstieg geprägte Phase, in der keine Zeichen eines weiteren Abbaus von sozialer Ungleichheit in und durch Schulen zu beobachten sind.

Massive Investitionen in Bildung

Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack fordert deshalb massive Investitionen ins Bildungssystem: „Massive Investitionen in Bildung sind deshalb ein Muss für die kommende Bundesregierung. Dazu gehören das Recht auf eine gute Ganztagsschule, mehr Investitionen in die Qualität der Kitas, eine echte BAföG-Reform mit einer satten Erhöhung der Freibeträge und Bedarfssätze und eine echte Ausbildungsgarantie.” Es müsse endlich Schluss sein mit den Lippenbekenntnissen in der Bildungspolitik. „Wer hier nicht endlich gegensteuert, gefährdet nicht nur Wirtschaftskraft, sondern auch den sozialen Zusammenhalt“, so Hannack.


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