Steffi Büttgen ist seit drei Jahren ehrenamtlich Betriebsrätin und möchte, dass es gerecht zugeht im Betrieb: "Wir sind jetzt ein kleines gallisches Dorf, das nicht alles mitmacht, was so kommt". Das erste größere Projekt der Bilanzbuchhalterin bei OHP in Lohmar war eine Überstundenregelung. "Man muss Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schützen. Wenn ständig Überstunden gemacht werden, werden doch keine neuen Mitarbeiter eingestellt!"
DGB/Christian Plambeck
Manchmal liegen kleine gallische Dörfer nicht in Frankreich, sondern in Deutschland. Und tragen im Gegensatz zu Asterix' Dorf einen Namen, in diesem Fall: Lohmar. Der nächste Ort ist Bonn. Oder auch Köln. Dazwischen liegt Lohmar, ein alter Industriestandort, in dem das Unternehmen "Off-Highway Powertrain Services Germany GmbH" residiert, kurz: OHP. Es produziert alles, was zwischen einem Traktor und dessen Anhänger die Kraft überträgt – Antriebsstränge, und ist, zusammen mit weiteren Standorten, darin marktführend.
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"Wir sind jetzt ein kleines gallisches Dorf, das nicht alles mitmacht, was so kommt"
Und in Lohmar lebt (schon immer) Stefanie Büttgen. Die studierte Diplomkauffrau (FH) ist Bilanzbuchhalterin bei OHP. Und Betriebsrätin, seit drei Jahren. Die Entscheidung fällte sie, weil ihr der alte Betriebsrat nicht gefiel. "Der Betriebsrat, den wir damals hatten, war sehr arbeitgeberfreundlich. Der hat einfach alles gemacht, was die Personalabteilung vorgeschlagen hat. Das hat mich geärgert. Ich habe nun mal einen fürchterlichen Gerechtigkeitssinn." Aber sie wollte das Amt damals nicht sofort übernehmen, denn ihre Tochter hatte sich angekündigt. Also erst einmal Elternzeit – und dann kam mittendrin der Anruf: Wir brauchen Dich. Denn OHP, damals in britischer Hand, wurde zerschlagen. "Es musste ganz schnell ein Betriebsrat gegründet werden", erinnert sich Büttgen. Und ließ sich überzeugen, sie begann noch in der Elternzeit ehrenamtlich Aufgaben zu übernehmen. "Wir sind jetzt ein kleines gallisches Dorf, das nicht alles mitmacht, was so kommt", lacht die IG Metallerin.
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Die erste Zeit ging es erst einmal darum, das Vertrauen der 90 Mitarbeitenden an dem Standort wiederzugewinnen, und den Ruf zu stabilisieren: Ihr könnt zu uns kommen, wir tun was für Euch, nicht für die Personalabteilung. Dazu gehörte auch, allen Beschäftigten vergangene Weihnachten einen Weihnachtsbrief zu schicken mit einem kleinen Nikolaus dabei. "Wir haben sehr, sehr viele Danke-Mails bekommen. Das sind Kleinigkeiten, aber die sind wichtig, auf beiden Seiten, für die Beschäftigten und für den Betriebsrat."
Das erste größere Projekt, das der Betriebsrat umsetzte, hat dann auch eine ganze Weile gedauert, über zwei Jahre – eine Überstundenregelung. Denn die vereinbarte Gleitzeit ist zwar sehr beliebt bei den Beschäftigten. Aber es kam immer wieder zu großen Überstundensammlungen. "Da hatten dann manche mal eben 150 Stunden, die nicht abgebaut werden konnten. Das galt schon fast als normal." Mehr einstellen wollten OHP aber nicht, und eine Regelung der Überstunden am liebsten auch nicht. "Das ging bis zu dem Punkt, dass wir mit der Einigungsstelle gedroht haben – dann klappte es plötzlich. Was wir jetzt erreicht haben, waren weitgehend unsere Vorstellungen." Jetzt gibt es eine Überstundenampel – unter 50 Überstunden ist eine grüne Phase, zwischen 50 und 80 orange, und wer mehr als 80 Überstunden hat, muss abbauen. "Das ist sehr gut angekommen. Man muss Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schützen. Wenn ständig Überstunden gemacht werden, werden doch keine neuen Mitarbeiter eingestellt!"
"Man muss Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schützen."
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Und mittlerweile ist das nächste Projekt angerollt. Wie in anderen Betrieben in der Region und in der Branche soll es beim Firmenjubiläum – 10 Jahre, 25 Jahre im Betrieb – ein kleines Geschenk geben. "Die Leute wollen das gerne, also setzen wir uns dafür ein." Parallel arbeitet der Betriebsrat an den Details für Homeoffice und flexible Arbeitsorte. Ein weiteres zentrales Thema ist der Datenschutz. Bei OHP werde viel mit Programmen von Microsoft gearbeitet, berichtet Stefanie Büttgen – Software, die grundsätzlich dafür genutzt werden kann, Menschen und ihre Aktivitäten auszuspähen. "Das wird angeblich nicht gemacht. Aber wir wollen sicher sein und es auch aktiv ausschließen." Für dieses schwierige Thema wolle man aber in eine Klausur gehen und sich ausführlich beraten lassen.
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Ganz schön viel Arbeit für eine nicht freigestellte Betriebsrätin. Aber die Mitglieder haben sich gut aufgeteilt: Büttgen wird vor allem von den Finanz-Beschäftigten angesprochen, die sie von der Arbeit kennt. "Da geht es um viele Themen, psychische Belastungen, Überstunden, Betriebsvereinbarungen." Donnerstags ist Betriebsratssitzsitzung, dann muss sie ein paar Stunden raus aus dem Arbeitsalltag.
In ihrer Freizeit ist Stefanie Büttgen noch als stellvertretende Vorsitzende im DGB-Kreisvorstand Bonn-Rhein-Sieg. Und wenn sie wirklich freihat, wirft sie zwar keine Hinkelsteine, aber sie ist viel draußen beim Geocaching, mit ihrer Familie. Oder strickt und häkelt. Wie das so ist, in friedlichen Zeiten in gallischen Dörfern.
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