Deutscher Gewerkschaftsbund

04.03.2021
Rente

Zweifachbesteuerung bei gesetzlichen Renten muss gelöst werden

Die drohende systematische Zweifachbesteuerung von Renten muss ausgeschlossen werden. Das fordert der DGB seit Jahren. Der DGB erwartet vom Bundestag und der Politik, das Problem noch in dieser Wahlperiode durch ein Gesetz zu lösen. Auf das Ergebnis langer Gerichtsverfahren zu warten und auf eine biologische Lösung zu setzen ist keine Option. Der Antrag der FDP ist dafür ein guter Anlass.

Rentner sitzt mit Geldscheinen am Kopf an Rechnungen

DGB/lightfieldstudios/123rf.com

Das Thema zweifache Besteuerung bei gesetzlichen Renten begleitet die politische Debatte schon seit Verabschiedung des Alterseinkünftegesetzes. Schon damals wurde gewarnt, dass es im Zeitverlauf zunehmend häufiger zur Zweifachbesteuerung kommen könnte. Dabei ist es rechtlich unstrittig, dass eine zweifache Besteuerung im Einzelfall unzulässig ist, aber von den Betroffenen bewiesen werden muss. Vor diesem Hintergrund sind die Forderungen im Antrag der FDP gewissen Erleichterungen. Auch die Pflicht für das Finanzamt, auf Antrag die Frage selbst zu prüfen, statt das Aufrechnen den Betroffenen zu überlassen hilft hier natürlich weiter – wobei der Antrag die eigentlichen Kernprobleme unberührt lässt:

a) welche Unterlagen müssen die Betroffenen vorlegen. Vielfach scheitern Versicherte heute an der Hürde die Steuerbescheide der letzten 30, 40 oder mehr Jahre vorlegen zu können.

b) Die politisch nach wie vor umstrittenen und sehr unterschiedlichen Rechenwege, wie eine zweifache Besteuerung festgestellt wird.

Damit kommen wir zum zentralen Defizit des FDP-Antrags: Sie kritisiert zwar die bestehende Übergangsregelung zur nachgelagerten Besteuerung, macht aber keinen Gegenvorschlag, sondern formuliert lediglich einen Prüfauftrag in den letzten beiden Ziffern. Sie will damit die zweifache Besteuerung nicht systematisch ausschließen. Aber genau diese Kernfrage muss die Politik, der Bundestag, endlich entscheiden. Politisch ist es indiskutabel, dass der Bundestag hier weiterhin abwartet, ob und wann die aktuelle Rechtslage für unzulässig erklärt wird. Damit setzen sich Bundestag und Bundesregierung dem Vorwurf aus, sie würden hier auf eine biologische Lösung setzen wollen. Dabei wird das Problem mit jedem Jahr bis 2040 größer und nicht kleiner.

Der DGB erwartet vom Bundestag noch in dieser Wahlperiode das Problem der zweifachen Besteuerung der gesetzlichen Renten zu lösen. Dazu sollte zumindest die zunehmende Besteuerung der Renten verlangsamt und über einen längeren Zeitraum gestreckt werden. Außerdem stellt sich die Frage, wie mit zusätzlichen Beiträgen, die die Höchstabzugsbeträge nach §10 EStG überschreiten künftig umgegangen werden soll, denn diese unterliegen nach wie vor der vollen Besteuerung.

Hintergrund 1: Nachgelagerte Besteuerung

Seit 2005 wird die Besteuerung der gesetzlichen Renten auf die nachgelagerte Besteuerung umgestellt. Vor 2005 waren Beiträge zur Rentenversicherung nur sehr gegrenzt steuerlich absetzbar, so dass große Teile der Beiträge aus versteuertem Einkommen (dem Netto) geleistet wurden. Der Beitrag zur Rentenversicherung wird von 2005 bis 2025 nun zunehmend steuerfrei gestellt – im Rahmen der Vorsorgeaufwendungen. Beiträge im Jahr 2005 waren zu 60% steuerfrei, wobei bei Beschäftigten der ohnehin steuerfreie Arbeitgeberanteil abzuziehen ist. Faktisch waren 2005 daher 20 Prozent des von den Beschäftigten selbst gezahlten Beitrags steuerfrei (10% des Gesamtbeitrag = 20% des halben Beitrags den die Beschäftigten zahlen). Der steuerfreie Anteil steigt mit jedem Kalenderjahr um zwei Prozentpunkte (bezogen auf den Arbeitnehmeranteil um vier Prozentpunkte), so dass ab 2025 die Beiträge zu gesetzlichen Rentenversicherung 100 Prozent steuerfrei sind.

Im Gegenzug werden die Rentenzahlungen zunehmend steuerpflichtig. Dazu wird, abhängig vom Jahr des Rentenbeginns, ein bestimmter Prozentsatz der Rente als ein steuerfreier Betrag festgelegt. Der Prozentsatz der steuerfrei ist, sinkt dabei zunächst von 50 Prozent im Jahr 2005 auf 20 Prozent im Jahr 2020 um jährlich zwei Prozentpunkte. Ab 2021 sinkt er jährlich um einen Prozentpunkt bis er 2040 dann 0 Prozent beträgt, die Renten also zu 100 Prozent steuerpflichtiges Einkommen ist.

Dabei ist nicht dauerhaft ein bestimmter Prozentsatz der Rente steuerfrei, sondern es wird ein Betrag in Euro festgelegt, der sich normalerweise nicht mehr ändert. Dieser dauerhafte steuerfreie Betrag wird dabei als Prozentsatz (gemäß Jahr des Rentenbeginns) von der Rente des ersten Kalenderjahres, in dem ganzjährig die Rente bezogen wurde berechnet – also meistens dem Kalenderjahr nach dem Jahr des Rentenbeginns. Aufgrund des fixen Freibetrags (in Euro) ist die jährliche Rentenerhöhung voll steuerpflichtig, der steuerfreie Anteil der Rente sinkt also während des Rentenbezugs weiter ab.

Beispiel: Im Jahr 2005 betrug für alle laufenden und neu zugehenden Renten der Freibetrag 50 Prozent der Rente. Bei 1.000 Euro Rente ergibt das einen steuerfreien Betrag von 500 Euro. Steigt die Rente nun in den folgenden Jahren (vereinfacht mal angenommen auf 1.100 Euro), bleibt der Freibetrag von 500 Euro unverändert. Wäre die Rente also auf 1.100 Euro gestiegen, wären nicht mehr 50 Prozent, sondern nur noch 45,5 Prozent (500 von 1.100 Euro) steuerfrei.

Hintergrund 2: zweifache Besteuerung (sogenannte Doppelbesteuerung)

Von zweifacher Besteuerung bei Renten wird gesprochen, wenn Teile der Rente die zu versteuern sind bereits aus versteuertem Einkommen stammen. Dazu wird vereinfachend gesprochen berechnet, wie viele Beiträge, in Euro/DM gerechnet, die Person im Erwerbsleben aus versteuertem Einkommen gezahlt hat. Dem wird gegenüber gestellt, wie viel Rente in Euro steuerfrei gestellt ist. Ist der steuerfreie Betrag der Rente geringer als der Betrag der versteuerten Beiträge, dann liegt Doppelbesteuerung vor. Was zu nächst einfach klingt, ist in der Praxis jedoch keineswegs trivial. Unter den ExpertInnen und Verantwortlichen ist dabei strittig, wie genau die jeweiligen Beträge berechnet werden. Und diese müssen in jedem Einzelfall nachgewiesen werden. Dazu werden alle Unterlagen aus dem gesamten Erwerbsleben benötigt.

Im Rahmen des Übergangs zur nachgelagerten Besteuerung wird es aber früher oder später zu einer systematischen Doppelbesteuerung kommen. Zwei Grenzfälle machen dies deutlich:

a) Ein Person die 2005 bereits in Rente war, hat Zeit ihres Lebens deutlich weniger als 50 % des Beitrags versteuert, da der Arbeitgeberanteil von 50% ja stets steuerfrei war, ebenso wie Teile die die Beschäftigte selbst gezahlt hat. Hier liegt also systematisch keine doppelte Besteuerung vor.

b) Eine Person, die 2040 in Rente geht, muss ihre Rente zu 100 Prozent versteuern. Angenommen sie hätte 1995 erstmals Beiträge gezahlt und würde bis 2039 durchgehend Beiträge zahlen. Dann waren vor 2005 erhebliche Teile und auch von 2005 bis 2025 relevante Teile ihres Beitrags aus versteuertem Einkommen. Da die Rente 2040 aber voll besteuert wird, werden logischerweise auch die schon versteuerten Anteile nochmals versteuert.

Einfach ausgedrückt: 2005 lag keine zweifache Besteuerung vor. 2040 liegt regelmäßig eine zweifache Besteuerung vor. Zwischen 2005 und 2040 wird die Zahl der Betroffenen also immer weiter steigen, bis irgendwann von einer verbreiteten Zweifachbesteuerung ausgegangen werden muss. Wann genau das erreicht ist, hängt unter anderem vom Rechenweg ab.


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