Warum haben LeiharbeiterInnen ein deutlich höheres Risiko an Corona zu erkranken und erleiden häufiger einen schweren Verlauf? Eine Analyse der Barmer-Krankenkasse zeigt: Sie müssen dreimal so häufig wie der Durchschnitt aller anderen Beschäftigten im Krankenhaus behandelt werden, wenn sie an Corona erkranken.
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Bei einer Analyse auf Basis von Routinedaten der BARMER Krankenkasse für alle erwerbstätigen Stammversicherten im Alter von 15 bis 65 Jahre wurden für den Zeitraum vom 01. Januar bis 31. Mai 2020 alters- und geschlechtsspezifische Inzidenzraten für Covid-19 berechnet.
Was nachgewiesen wurde: "Das höchste (Infektions-)Risiko wurde unter den Beschäftigten in Leiharbeit im industriellen Bereich sowie in der Post- und Logistikbranche beobachtet."
Die teils schweren Corona-Ausbrüche in den letzten Monaten in Betrieben der industriellen Fleischverarbeitung aber auch in großen Lager- und Verteilzentren der Logistikbranche bestätigen dieses Bild.
Um eine Sicherstellung der Mindeststandards beim Arbeits- und Gesundheitsschutz insbesondere in der Pandemie zu gewährleisten, müssten häufiger Kontrollen sowohl bei den Verleihfirmen als auch bei den Entleihern stattfinden. Die Umsetzung des Infektionsschutzgesetzes erfordert vor allem beim Einsatz von ständig wechselndem Personal aus Leiharbeitsfirmen eine viel häufigere und engmaschigere Kontrolle der Einhaltung der geltenden Arbeitsschutzbestimmungen. Das Gegenteil ist aber der Fall.
Seit Jahren werden die Kontrollen immer weniger, weil die Arbeitsschutzbehörden der Länder personell kaputt gespart wurden. Die Folge: bundesweit muss ein Betrieb nur alle 22,5 Jahre mit einer Betriebskontrolle rechnen. Dabei gibt es Bundesländer, in denen ein Betrieb statistisch nur alle 47 Jahre kontrolliert wird. Das lässt manchen Betrieben sehr viel Raum, den notwendigen Arbeits- und Gesundheitsschutz zu vernachlässigen. Während das Stammpersonal über Betriebsräte aktiv werden kann, sind Beschäftigte in Leiharbeit in den Einsatzbetrieben häufig ungeschützt.
Mit dem Arbeitsschutzkontrollgesetz will die Bundesregierung diesen Trend stoppen. Erstmals ist eine Mindestkontrollquote von 5 Prozent der Betriebe vorgesehen, allerdings erst ab 2026. Auch wenn sich der DGB hier deutlich ambitioniertere Ziele gewünscht hätte, ist die Festlegung ein Schritt in die richtige Richtung und sollte von den Bundesländern schnellstmöglich umgesetzt werden.
Zudem wird aktuell das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) im Auftrag der Bundesregierung evaluiert. Abgesehen von den wichtigen Fragen der finanziellen Gleichbehandlung von LeiharbeitnehmerInnen (Equal Pay) und der eventuellen Übernahmeeffekte infolge der Einführung einer Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten im AÜG, sollte bei der Evaluierung auch der Arbeits- und Gesundheitsschutz – gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Pandemie – eine Rolle spielen. Eine Klärung der Frage, warum sich LeiharbeitnehmerInnen häufiger infizieren und daraus abzuleitende Handlungsempfehlungen wären seitens der Evaluierung zu erwarten.
DGB