In ihrem neuen Sozialstaats-Konzept will die SPD auch die Tarifbindung in Deutschland stärken. Der DGB begrüßt die Vorschläge der Sozialdemokraten, fordert aber konkrete und weitergehende Maßnahmen. Denn die Tarifbindung ist eine zentrale Gerechtigkeitsfrage unserer Zeit.
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Die SPD hat ein neues Sozialstaats-Konzept vorgelegt. „Arbeit – Solidarität – Menschlichkeit“ ist das Papier überschrieben, mit dem die Partei unter anderem das Hartz-IV-System hinter sich lassen will. Tatsächlich drehen sich auch die öffentlichen Debatten vor allem um die Ideen, die bisherige Grundsicherung durch ein „Bürgergeld“ zu ersetzen.
Weniger Aufmerksamkeit gibt es für die im selben Papier enthaltenen Vorschläge zur Stärkung der Tarifbindung, also der Verbreitung von Tarifverträgen. Dabei ist dieses Thema zentral, wenn Gute Arbeit und gerechte Löhne in Deutschland einen höheren Stellenwert bekommen sollen. Denn egal, ob es ums Gehalt, die Urlaubstage, um Arbeitszeiten, Kündigungsfristen, betriebliche Altersversorgung oder ums Urlaubs- und Weihnachtsgeld geht – Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis durch einen Tarifvertrag geregelt ist, stehen besser da als Beschäftigte in Betrieben ohne Tarifbindung.
Auch für Arbeitgeber sind Tarifverträge sinnvoll. Nicht nur, weil sie ein gutes Betriebsklima und zufriedene, motivierte Beschäftigte schaffen. Tarifverträge verhindern Schmutzkonkurrenz indem sie allen Unternehmen gleiche Wettbewerbsvoraussetzungen garantieren. Insbesondere Flächentarifverträge, die für eine ganze Branche gelten, sorgen für fairen Wettbewerb.
Allerdings profitieren seit Jahrzehnten immer weniger Beschäftigte von Tarifverträgen. 2017 arbeiteten nur noch 44 Prozent der Beschäftigten im Osten und 57 Prozent der Beschäftigten im Westen in tarifgebundenen Betrieben (siehe Grafik). Das muss sich ändern. Deshalb ist es gut, dass die SPD in ihr neues Konzept auch Elemente zur Stärkung der Tarifbindung integriert hat. Der DGB fordert allerdings weitere Maßnahmen.
Quelle: IAB-Betriebspanel
Es ist richtig, dass es einfacher werden muss, Tarifverträge für allgemeinverbindlich – also für alle Unternehmen einer Branche bindend – zu erklären. Die Vetomöglichkeit für die Arbeitgeberseite ist hier ein wichtiges Hemmnis, dass es abzuschaffen gilt! Allerdings muss im Gesetz zusätzlich klargestellt werden, dass eine Allgemeinverbindlicherklärung – unabhängig von der Erfüllung bestimmter Quoten – möglich ist, wenn wirtschaftliche Verhältnisse einer Branche oder arbeitsmarkt- oder sozialpolitischen Erwägungen eine solche nötig machen.
Zu Recht fordert die SPD eine „Tariftreueregelung“ auf Bundesebene, ohne den Plan allerdings genauer zu definieren. Für den DGB muss das heißen, dass der Staat künftig keine Aufträge mehr an Unternehmen vergeben darf, die sich nicht an Tarifverträge halten!
Zu den weiteren Maßnahmen, die die Tarifbindung stärken würden, gehören für den DGB unter anderem: Tarifflucht von Arbeitgebern (etwa durch die Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband „ohne Tarifbindung“) muss entgegengewirkt werden. Und es braucht auch ein Verbandsklagerecht, damit Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände Tarifverstöße ahnden können. In jedem Fall gilt: Die Tarifbindung ist eine zentrale Gerechtigkeitsfrage unserer Zeit. Ihre Stärkung gehört ins Zentrum der öffentlichen Debatte.