Deutscher Gewerkschaftsbund

14.03.2018

Umrisse eines neuen Weltwährungssystems

Die Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise sowie die Krise der Eurozone zeigen die Unfähigkeit der entfesselten Märkte, aus sich heraus für eine kohärente Ordnung zu sorgen. Seit über drei Dekaden setzt die Politik auf die Theorie effizienter Märkte, d.h. auf den generellen Abbau der Handelshemmnisse, die Liberalisierung der Finanzmärkte und die Flexibilisierung und Öffnung der Arbeitsmärkte. Im naiven Glauben, dass die Marktkräfte auf den deregulierten globalen Märkten, ohne staatliche Störung für eine optimale Allokation der Ressourcen, für mehr Entwicklung und Wohlstand sorgen.

Nadel bringt eine Seifenblase mit Weltkugel darin (fast) zum Platzen

DGB/Romolo Tavani/123rf.com

Die Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise entzauberte dieses Versprechen vollständig. Ohne staatliche Rettungsmaßnahmen hätte der Markt nahezu die gesamte Menschheit in den realen Abgrund gerissen und sich mit vernichtet, keinesfalls aber von sich aus auf den Gleichgewichtspfad zurückfinden können.

Auf den globalen Märkten fehlen die Institutionen, die auf der nationalstaatlichen Ebene vorhanden sind, um für einen verbindlichen Ordnungsrahmen zu sorgen. Es fehlt eine monetäre Ordnung, ein rechtsstaatliches Umfeld, ein sozialpolitischer Ausgleichmechanismus und eine politische Autorität, die über eine weltweite Legitimation verfügt. Erst durch die Annahme einer „Markt-Ineffizienz“, also die Annahme, dass die Märkte an und für sich volkswirtschaftlich nicht optimal funktionieren, gelingt es uns eine andere Strategie zu entwickeln: Eine Strategie der politischen Bändigung und Steuerung der Marktkräfte. Daraus ergibt sich, dass die internationale Politik mit geeigneten Regulierungen, Institutionen und Politikmaßnahmen den Märkten eine langfristige Orientierung geben muss.

Monetäre Störung der Weltwirtschaft

Die Preisbildung zwischen den Währungen erfolgt in flexiblen Wechselkursregimen durch Angebot und Nachfrage. Der Devisenmarkt ist der Ort, an dem das Angebot und die Nachfrage nach Währungen zusammenkommen. Die Devisenmärkte ersetzen die politisch festgelegten Wechselkurse und bestimmen täglich den Wert, die Kaufkraft und die „terms of trade“ einer Volkswirtschaft gegenüber dem Rest der Welt. Sie sorgen für eine flexible Anpassung der Wechselkurse. Sie reflektieren allerdings immer weniger die realen Wirtschaftsbedingungen, als vielmehr die Kalküle der Anleger und der Spekulanten. Das Ergebnis ist katastrophal: Wechselkurse schwanken immer häufiger, die Schwankungen werden immer größer und der Planungshorizont der Marktteilnehmer wird immer kürzer. So ist der Wechselkurs zwischen dem US-Dollar und dem Euro immer volatiler (siehe Abbildung 1).

Wechselkurs zwischen dem US-Dollar und dem Euro von 1964 bis 2018

Bank for International Settlements

Wechselkurse und Kapitalbewegungen verlaufen demnach nicht spiegelbildlich zu den Handelsströmen und entlang der wirtschaftlichen Entwicklungen der Währungsräume. Sie sind von der Entwicklung der Realwirtschaft entkoppelt. Damit werden Unternehmen und Marktteilnehmer gezwungen, sich mithilfe von Devisentermingeschäften gegen Wechselkursschwankungen abzusichern. Die Devisenspekulation ist in diesem Umfeld vorprogrammiert. Ergänzend dazu hat auch die zunehmende Liberalisierung der Finanzmärkte ihre Auswirkungen. Die Kapitalbewegungen auf den internationalen Finanzmärkten – wie z.B. für den Erwerb neuer Aktien oder Anleihen in einem anderen Währungsraum – setzen immer Devisentransaktionen voraus. Damit ziehen viele Turbulenzen auf den Aktien- und Anleihemärkten die Wechselkurse der betroffenen Währungen mit in den Strudel.

Ein neues Weltwährungssystem

In Abwesenheit einer politischen Steuerung des Weltwährungssystems bestimmen somit die Devisenmärkte und vor allem die Devisenspekulationen die Wechselkurse. Diese werden durch die Dominanz von nur wenigen Währungen wie US-Dollar, Euro, japanischem Yen, britischem Pfund und Schweizer Franken geprägt. Die Devisenmärkte bilden die multipolare Ordnung der Weltwirtschaft nicht ab. Diese ist durch die drei Wachstumszentren China, Nordamerika, Europa mit regionalen Ambitionen gekennzeichnet. Das Festhalten am Status quo, d.h. an der Dominanz der Devisenmärkte über die Wechselkurse, käme der Kapitulation vor den ineffizienten Devisenmärkten gleich, was wiederum zu mehr Krisen und Währungskriegen führen wird. Angesichts dieser Herausforderungen ist es sinnvoll, ein neues, festes, aber anpassungsfähiges Wechselkurssystem unter der Federführung der wichtigsten Zentralbanken der Industrie- und Schwellenländer mit dem Ziel aufzubauen, eine stabile monetäre Basis für die Weltwirtschaft zu erschaffen. Als Vorbild kann das Europäische Währungssystem (EWS) herangezogen werden. Das Bedürfnis nach Wechselkurssicherheit mittels fester Wechselkurse muss durch ihre politisch steuerbaren Anpassungen entlang der Leistungsbilanzsalden ergänzt werden.

Neben den wichtigsten 5 Leit- und Anlagewährungen (Yuan, Yen, US-Dollar, Euro, Britisches Pfund) können die Währungen der wichtigsten Schwellenländer wie Indien und Brasilien in das System aufgenommen werden, um die wesentlichen Wachstumspole zu erfassen. Als Leitwährung fungiert eine synthetische Recheneinheit, die innerhalb einer Bandbreite von ± 2,5% die Wechselkurse der Währungen zueinander regelt. Der Wert dieser synthetischen „World Currency Unit“ (WCU) kann durch einen Währungskorb festgelegt werden, der sich aus dem gewichteten Anteil der einzelnen nationalen Währungen zusammensetzt. Das Gewicht jeder Währung soll nach verschiedenen gesamtwirtschaftlichen Kriterien, wie z.B. ihre Bedeutung für den internationalen Handel oder der jeweilige Anteil des Landes am Welt-Bruttoinlandsprodukt errechnet werden. Die WCU ist Dreh- und Angelpunkt der Wechselkurse der am neuen Weltwährungssystem beteiligten Währungen untereinander. Alle Wechselkurse werden zuerst gegenüber der WCU gebildet. Für jede am Wechselkursverbund beteiligte Währung wird ein auf die WCU bezogener Leitkurs festgelegt. Damit soll die Bildung von direkten und isolierten bilateralen Wechselkursschwankung und damit neuen bilateralen Wechselkursen verhindert werden. Die Schwankungsbreite zwischen einer beteiligten Währung und der WCU wird mit ± 2,5% festgelegt.

Bei der Gefahr von größeren Schwankungen verpflichten sich die beteiligten Zentralbanken, die Wechselkurse durch gemeinsame Interventionen in diese Bandbreite zu bringen. Zu diesem Zweck räumen sie sich gegenseitig Kredite in unbegrenzter Höhe für Interventionszwecke mit einer Laufzeit bis zu einem Jahr ein. Zudem soll der IWF (Internationale Währungsfonds) eine zentrale Rolle spielen. Er kann bei Zahlungsbilanzproblemen kurz- und mittelfristige sowie anlagegebundene Kreditfazilität gewähren, um die Wechselkurse innerhalb der vereinbarten Bandbreite zu halten. Damit übernimmt der IWF die „Lender of last Resort-Funktion“ im neuen globalen Währungssystem.

Zusammenfassung

Flexible Wechselkurssysteme haben weder zu mehr Ressourceneffizienz geführt, noch für monetäre Stabilität gesorgt. Es ist deshalb an der Zeit, wieder zur Ordnungspolitik zurückzukehren und eine institutionelle Kehrtwende vorzunehmen. Die entfesselten Märkte sind in ihrer Konstitution ineffizient und können nur dann funktionieren, wenn sie politisch gesteuert werden. Ihre spontane Ordnung endet immer in einem Desaster. Auf der Ebene der monetären Ordnung heißt dies, von der Annahme der Überlegenheit der flexiblen Wechselkurse und der Devisenmärkte Abschied zu nehmen. Daraus ergeben sich Überlegungen über ein neues festes Wechselkurssystem für die Weltwirtschaft. Das hier vorgestellte Modell liefert einen Vorschlag für einen systemischen Bruch mit der herrschenden Logik.

Von Mehrdad Payandeh, DGB Bezirk Niedersachsen - Bremen - Sachsen-Anhalt


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