Deutscher Gewerkschaftsbund

14.03.2022
Unsere Betriebsrätinnen und Betriebsräte

Betriebsrat Jens Scheumer: "In Verhandlungen kann es schon mal hoch hergehen"

Einen guten Start und gute Arbeitsbedingungen fĂĽr Auszubildende - darum kĂĽmmert sich Jens im Betrieb

Jens Scheumer ist Industriemeister Chemie und Betriebsrat beim Spezialchemiekonzern Lanxess in Leverkusen. Er betreut dort die Auszubildenden - insgesamt 350. Für die Menschen da sein, das ist ihm wichtig. Ein großes Netzwerk hilft ihm dabei und auch wenn es Probleme gibt, findet er eine Lösung.

Betriebsrat Jens Scheumer auf Industriegelände

DGB/Hans-Christian Plambeck

Was wünscht man sich als Auszubildender von einem Betrieb? Dass da eine Person im Haus ist, die man eigentlich zu jedem Thema ansprechen kann. Die nicht aus der Ruhe zu bringen ist, wenn man mal Mist baut. Die dabei sitzt, wenn es wichtige Besprechungen gibt mit dem Chef. Und die weiterhilft, wenn es hakt in der Ausbildung und immer jemanden kennt, der jemanden kennt, der bei einem Problem weiterhelfen kann.

So eine Person ist Jens Scheumer. Der 50-jährige Industriemeister Chemie ist Betriebsrat bei dem Spezialchemiekonzern Lanxess in Leverkusen. Er betreut dort die Auszubildenden. Es ist sein Schwerpunkt in der Betriebsratsarbeit. „Insgesamt gibt es hier 350 Azubis, zwischen 80 und 100 kommen jedes Jahr dazu. Ich bin bei den Bewerbungsgesprächen dabei, aber auch, wenn eine Abmahnung kommt oder wenn über Leistungen gesprochen wird.“

"Zu mir kommen auch mal Eltern, die nicht so richtig weiter wissen mit ihrem Nachwuchs. Da findet sich immer eine Lösung."

Es ist dabei nicht so, dass Scheumer – ein leidenschaftlicher Anhänger des Eishockeys und der Kölner Haie –  „seine Azubis“ mit Samthandschuhen anfasst. „Ich sage denen immer: Am besten ist es, wenn ich in dreieinhalb Jahren euren Namen nicht mehr weiß – denn dann hat es gut geklappt“ schmunzelt er. Aber er weiß eben auch, dass es nicht immer so glatt geht. „Natürlich gibt es Sorgenkinder, aber die entwickeln sich auch manchmal ganz erstaunlich, wenn es zum Beispiel Nachhilfe gibt.“

"FĂĽr die Menschen da sein"

Mit Jugendlichen arbeitet Scheumer, solange er denken kann. Er ist schon seit 1988 in der Chemiebranche, begann seine Ausbildung mit 16 Jahren bei Bayer. Dann, als Lanxess ausgegründet wurde, wechselte er mit. Schon damals organisierte er Sommerreisen als Jugendbildungsbetreuer für den Deutschen Gewerkschaftsbund. 2005 ließ er sich in den Betriebsrat bei Lanxess wählen, „um für die Menschen da zu sein“.

Jens Scheumer im Gespräch mit einem Kollegen

Im Einsatz auch fĂĽr "Sorgenkinder" - Jens Scheumer ist als Betriebsrat fĂĽr Auszubildende da. DGB/Hans-Christian Plambeck

Hilfe beim Start in die Ausbildung

Weil er schon hunderte Auszubildende gesehen hat, weiß er, wie schwierig so ein Start in einem hocheffizienten Betrieb für junge Menschen sein kann, die bisher nur die Schule kannten. „Ich habe ein sehr großes Netzwerk. Zu mir kommen auch mal Eltern, die nicht so richtig weiter wissen mit ihrem Nachwuchs. Da findet sich immer eine Lösung – von Nachhilfe bis sozialpädagogischer Betreuung.“

Auszubildende sind mittlerweile im Betrieb angestellt

Scheumers größter Erfolg: Bis 2012 waren die jungen Leute als Auszubildende nicht direkt bei Lanxess angestellt, sondern bei einer externen Firma, bei Currenta. Dank der Arbeit des Betriebsrats sind sie seit 2012 mit eigenen Verträgen und allen Vorteilen bei Lanxess selbst angestellt.

Jens Scheumer hinter Behältern mit Chemikalien

Lanxess hat 350 Auszubildende. Dank des Betriebsrats sind alle im Betrieb angestellt. DGB/Hans-Christian Plambeck

"Man muss den Menschen erklären, wie es weitergeht"

Scheumer kennt sich nicht nur mit Jugendlichen aus. Er hat als Betriebsrat auch in der Verhandlungskommission von Betriebsrat und Unternehmensleitung gesessen, als nach der Finanzkrise massiv Stellen abgebaut wurden – sozialverträglich, aber sie wurden abgebaut. Das, sagt er, waren schwere Stunden. „Man weiß, wen es trifft, und muss den Menschen erklären, wie es weitergeht.“ Wochenlang begann sein Tag morgens um 6 und endete erst um 20 Uhr. Heute macht er sein Diensthandy und seinen Dienstcomputer am späten Nachmittag aus. „Aber wenn beim Eishockey mal jemand eine dienstliche Frage hat, beantworte ich die natürlich.“

Als Betriebsrat gut eingebunden in Abläufe und Zusammenhänge im Betrieb

Die vielen Einsätze haben ihn bestärkt, Betriebsrat zu bleiben. „Betriebsrat sein gibt die Möglichkeit, über den Horizont hinaus zu schauen“, beschreibt er es. „Ich verstehe viel mehr von den Abläufen und Zusammenhängen im Betrieb. Dadurch weiß ich auch, was es bedeutet, wenn eine Abteilung anders gestaltet wird oder was dazu gekauft wird. Das macht mich zufriedener, weil ich nicht nur das kleine Stück sehe.“ Er habe sich durch die abwechslungsreiche Arbeit „persönlich weiterentwickelt“. Routine gebe es als Betriebsrat kaum.

„Betriebsrat sein gibt die Möglichkeit, über den Horizont hinaus zu schauen“

Jens Scheumer auf dem Gelände des Chemiekonzerns

Jens Scheumer möchte Betriebsrat bleiben: "Routine gibt es kaum." DGB/Hans-Christian Plambeck

In Verhandlungen sind Betriebsräte besonders gefordert

Bestimmte Eigenschaften seien hilfreich, wenn man Betriebsrat werden wolle. „Wer nicht psychisch stabil ist und nicht mit Kritik umgehen kann, für den ist das eher keine Aufgabe. In Verhandlungen kann es schon mal hoch hergehen und es fallen harte Worte. Da muss man seine Gefühle gut im Griff haben“, sagt er. Wichtig sei es, offen zu sein, empathisch für die Angelegenheiten anderer, geduldig – und verschwiegen. „Ich bin sehr ausgeglichen und sehr strukturiert. Projekte, was Neues entwickeln, das macht mir Spaß. Routine eher nicht so.“

Gleiche Leistungen für die Beschäftigten

Deswegen betreut er nicht nur die Jugendlichen, sondern arbeitet auch an anderen Projekten als Betriebsrat. So hat Lanxess 2021 sein Geschäft mit organischen Lederchemikalien an die TFL Ledertechnik GmbH verkauft. Auch 160 Mitarbeiter*innen wechselten mit. Scheumer hat die Überleitungen begleitet: „Wir achten als Betriebsräte darauf, dass die Beschäftigten dort die gleichen Leistungen bekommen, dass zum Beispiel die Altersvorsorge im neuen Unternehmen nicht kleiner ausfällt.“

Jens Scheumer im Gespräch mit einem Kollegen

Jens Scheumer kandidiert auch 2022 erneut bei den Betriebsratswahlen. Er will neue Projekte wie ein Berufsvorbereitungsjahr anstoĂźen. DGB/Hans-Christian Plambeck

Neue Projekte als Betriebsrat: ein Berufsvorbereitungsjahr im Blick

Natürlich kandidiert Scheumer auch wieder bei der Betriebsratswahl ab März 2022. Für die nächste Legislatur hat er auch ein Projekt, das er verfolgen will: Lange Zeit gab es im Betrieb das „Berufsvorbereitungsjahr Chemie“. Hier wurden Jugendliche, die noch nicht wirklich ausbildungsreif, zum Beispiel noch zu unselbständig sind, ein Jahr lang betreut. „Sie gehen durch mehrere Stationen, lernen pünktlich zu sein und bekommen eine Struktur. Gleichzeitig schaut man eben auch, was passt zu ihnen – und sie werden danach vermittelt. Wenn sich herausstellt, der eignet sich besser als Gärtner denn als Chemikant, dann wird er unterstützt.“ Pro Jahr waren es zwischen vier und zwölf junge Menschen, die das Jahr absolviert haben.

2021 wurde das Programm eingestellt – zu teuer, fand das Unternehmen. Scheumer sieht darin aber eine soziale Verantwortung. „Was passiert denn mit denen, die nichts finden? Da müssen wir aktiv bleiben.“

„Was passiert denn mit denen, die nichts finden? Da müssen wir aktiv bleiben.“

 

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