Mehr Tarifverträge, eine faire Arbeitsmarktpolitik sowie ein gesetzlicher Mindestlohn von mindestens 12 Euro sind zentrale Pfeiler, um die Arbeitswelt – auch in Zeiten des Wandels – gerecht zu gestalten. Der DGB setzt sich für eine soziale und sichere Arbeitswelt ein, in der beruflicher Erfolg nicht von Herkunft oder Geschlecht abhängen darf.
DGB
Tarifverträge und Mitbestimmung sind die Erfolgsfaktoren für die Arbeitswelt heute und in der Zukunft. Dafür braucht es politische Maßnahmen wie ein Bundestariftreuegesetz, leichtere Möglichkeiten, um Tarifverträge für allgemeinverbindlich zu erklären sowie die Abschaffung von sogenannten "Ohne-Tarif"-Mitgliedschaften in Arbeitgeberverbänden. Und nur mit mehr betrieblicher Mitbestimmung können Herausforderungen wie die Transformation der Arbeitswelt gestaltet werden.
Die Union will die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen stärken. Über eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohn gibt es im Wahlprogramm keine Angaben.
Werk- und Dienstverträge werden als wichtiges Mittel eines funktionierenden Arbeitsmarktes angesehen. Gegen Missbrauch wird angeführt, dass dieser durch wirksame Arbeitsschutzkontrollen verhindert werden soll, um Arbeitnehmerschutzrechte zu stärken. Zeitarbeit und Befristungen soll es weiterhin geben, konkreten Reformen zur Einschränkung von Befristungen sind nicht geplant. Allerdings wollen CDU/CSU gegen den Missbrauch vorgehen. Die Minijob-Verdienstgrenze soll von 450 auf 550 Euro erhöht werden. Unternehmensgründungen werden befürwortet, im Rahmen des „Paktes für die Entfesselung der Wirtschaft“ werden Unternehmensgründer*innen Begünstigungen in Aussicht gestellt, die bessere soziale Sicherung von Selbständigen kommt jedoch nicht vor. Das Arbeitszeitgesetz soll im Sinn des EU-Rechts reformiert werden: anstatt der täglichen soll eine wöchentliche Höchstarbeitszeit eingeführt werden. Langzeitarbeitslose sollen besser qualifiziert werden, anstatt sie in eine Helfertätigkeit zu vermitteln. Die Union plant eine Offensive zur beruflichen Aus- und Weiterbildung in der Grundsicherung. Hartz-IV-Sanktionen sollen beibehalten werden.
Die CDU plant ein „Bundesministerium für digitale Innovation und Transformation“ u.a. für die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung. Unternehmen und Beschäftigte sollen im Strukturwandel mit „passgenauen Informations- und Beratungsangeboten“ zur Weiterbildung unterstützt werden. Mobile Arbeit soll durch Tarifverträge bzw. Betriebsvereinbarungen geregelt werden. Eine Offensive Aus- und Weiterbildung soll aufgelegt werden, um die digitale Transformation der Arbeit zu begleiten. Gig-, Click- und Crowdworking will die CDU „begleiten“. Der Rechtsrahmen für digitale Dienste, besonders für die Plattformökonomie soll weiterentwickelt werden.
Die SPD will die Tarifbindung stärken, durch eine Vereinfachung bei der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen und durch Weitergeltung von Tarifverträgen bei Aufspaltung und Auslagerung von Unternehmen. Mitgliedschaft in Arbeitergeberverbänden ohne Tarifbindung soll eingedämmt werden. In einem Bundestariftreuegesetz will die SPD die öffentliche Beschaffung neu ausrichten unter anderem mit einem Fokus auf Tarifbindung. Der gesetzliche Mindestlohn soll zunächst auf mindestens 12 Euro erhöht werden.
Die SPD kündigt an, die Befristung von Arbeitsverhältnissen ohne einen Sachgrund abschaffen zu wollen und die bestehenden Befristungsgründe kritisch überprüfen. Der Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ soll für Leiharbeiter*innen vom ersten Tag an gelten. Lockerung der täglichen Höchstarbeitszeiten schließt die SPD aus.
Der ALG I-Bezug soll für langjährig Beschäftigte verlängert werden, die Grundsicherung will die SPD grundlegend überarbeiten und zu einem Bürgergeld weiterentwickeln. Der Schutzfaktor des Arbeitszeitgesetzes soll erhalten bleiben, keine längere tägliche Arbeitszeit.
Die SPD will einen Rechtsanspruch auf mobiles Arbeiten, wobei die Arbeitszeitgrenzen durch die vollständige Erfassung der Arbeitszeit sichergestellt werden sollen. Beschäftigte sollen ein Recht auf technische Ausstattung erhalten - Betriebsräte für die Einführung mobiler Arbeit ein Mitbestimmungsrecht.
Um den digitalen Wandel zu gestalten, soll ein Rechtsanspruch auf Qualifizierung (ALG Q) und ein Transformations-Kurzarbeitergeld eingeführt werden. Gegen Lohn-, Sozial- und Umweltdumping auf digitalen Plattformen soll vorgegangen werden. Gewerkschaften sollen digitalen Zugang zu den Betrieben bekommen und der Beschäftigtendatenschutz soll gestärkt werden. Die SPD plant eine Regulierung von Algorithmen und mehr Mitbestimmung u.a. bei Künstlicher Intelligenz.
Im Wahlprogramm der FDP gibt es keine Angaben zu den Themen Tarifbindung und Mindestlohn. Das Arbeitszeitgesetz soll durch eine wöchentliche statt einer täglichen Höchstarbeitszeit flexibilisiert werden. Die FDP will Diversity-Management in der Arbeitswelt einführen. Die Mini- und Midijob-Grenzen sollen erhöht und an Mindestlohn-Anpassungen gekoppelt werden. Ein „liberales Bürgergeld“ soll steuerfinanzierte Sozialleistungen wie das Arbeitslosengeld II (umgangssprachlich „Hartz IV“), die Grundsicherung im Alter, die Hilfe zum Lebensunterhalt und das Wohngeld in einer Leistung und an einer staatlichen Stelle zusammenfassen. Arbeitslosengeld II soll entbürokratisiert und ein einheitlicher Satz für alle erwachsenen Leistungsbezieher*innen unabhängig vom Beziehungsstatus geschaffen werden.
Mobiles Arbeiten soll erst nach Erörterung mit dem Arbeitgeber möglich werden. „Auch können betriebliche Belange gegen eine Vereinbarung zur mobilen Arbeit sprechen.“ Zudem sollen laut FDP-Wahlprogramm bestehende Vereinbarungen anlassbezogen widerrufen werden können. Ein Erörterungsanspruch fördere aber den Kulturwandel und die Akzeptanz für mobiles Arbeiten.
Die FDP will ein Bundesministerium für digitale Transformation schaffen. „Gatekeeper-Unternehmen“ sollen stärker reguliert werden. Im Homeoffice soll die Arbeitsstättenverordnung nicht mehr gelten. Die FDP verspricht ein „Midlife-BAföG“ von bis zu 1.000 Euro/Jahr, unabhängig vom Arbeitgeber, das für Bildungsauszeiten genutzt werden kann.
Ein Ziel der Linken: Tarifbindung muss für alle Unternehmen und Branchen gelten. Dafür sollen Tarifverträge leichter für allgemeinverbindlich erklärt werden können. Tarifverträge sollen auch für entsandte Beschäftigte gelten und bei Betriebsübergängen unbefristete weitergelten. Ein Bundestariftreuegesetz soll eingeführt werden. Den gesetzlichen Mindestlohn will die Linke auf 13 Euro erhöhen.
Mini- und Midijobs will die Linke in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung überführen. Ab dem ersten Euro soll die volle Pflicht zur Sozialversicherung gelten. Werkverträge und Leiharbeit sollen beendet werden. Sachgrundlose Befristungen sollen gestrichen werden, ebenso die Arbeit auf Abruf. Die zulässigen Sachgründe der Befristungen sollen eng begrenzen werden.
Die Linke tritt für eine generelle Arbeitszeitverkürzung ein. Sie möchte die gesetzliche Höchstarbeitszeit auf maximal 40 Stunden pro Woche begrenzen und die Ausnahmen von der täglich zulässigen Höchstarbeitszeit von acht Stunden eindämmen. Eine Verkürzung von Ruhezeiten wird ablehnt. Gefordert wird eine vollständige Erfassung aller Arbeitszeiten. Geschaffen werden sollen: Ein Recht auf eine Vollzeitstellen, auf vorübergehende Arbeitszeitverkürzung, auf Auszeit (Sabbatjahr), auf Homeoffice sowie ein Rechtsanspruch auf familiengerechte Arbeitszeiten. Die Mindestdauer des gesetzlichen Erholungsurlaubs soll von vier auf sechs Wochen verlängert werden. Feiertage, die auf Wochenenden fallen, sollen durch Ersatzfeiertage nachgeholt werden.
Die Linke will die Rechte von Betriebs- und Personalräten ausbauen und sie u.a. bei den Fragen der Personalbemessung, bei der Planung und Gestaltung von Tätigkeiten und von Arbeitsbedingungen und bei der Weiterbildung zwingend beteiligen.
Die Linke setzt auf eine sozial gerechte Transformation. Sie will den klimaneutralen Umbau der Wirtschaft mit einem Zukunftsinvestitionsprogramm begleiten, das bis 2025 eine Million gut bezahlte Arbeitsplätze schaffen und den ökologischen Umbau in der Industrie unterstützen soll.
Die Linke will dafür sorgen, dass Plattformen Sozialversicherungsbeiträge abführen. Ein Weiterbildungsanspruch für alle soll kommen. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz soll gesetzlich reguliert werden.
Die Grünen wollen die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen erleichtern, ein Bundestariftreuegesetz schaffen und Fortgeltung tariflicher Regelungen bei Umstrukturierungen einführen. Der gesetzliche Mindestlohn soll sofort auf 12 Euro steigen, die Mindestlohn-Kommission reformiert werden. Ausbeuterische Arbeitsverhältnisse sollen beendet werden. Die Grünen wollen eine Garantiesicherung statt Hartz IV. In der Leiharbeit soll vom 1. Tag an „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ gelten plus eine Flexibilitätsprämie.
Ohne Sachgrund soll es keine Befristung von Arbeitsverträgen mehr geben. Die Grünen wollen gegen den Missbrauch von Werkverträgen und die Abwälzung unternehmerischer Verantwortung mittels Subunternehmerketten vorgehen. Minijobs sollen in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung überführt werden, der Arbeitsschutz gestärkt werden, um vor Burn-out und Entgrenzung zu schützen. Kein Aufweichen des Arbeitszeitgesetzes zum Nachteil der Arbeitnehmer*innen.
Die Grünen schlagen einen „Transformationsfonds für die Regionen“ vor. „Internetgiganten“ sollen reguliert werden, Algorithmen transparent gemacht werden. Es soll einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung sowie ein Recht auf mobiles Arbeiten geben. Plattformarbeit soll reguliert werden. Gewerkschaften sollen digitales Zugangsrecht zu den Betrieben erhalten. Zudem wollen die Grünen Modellprojekte für ein bedingungsloses Grundeinkommen starten.
Die ökologische Transformation soll mit einem besseren Weiterbildungs- und Qualifizierungsangebot begleitet werden. Es sollen ein Recht auf Weiterbildung und ein Weiterbildungsgeld auch für Erwerbstätige in Qualifizierungsphasen geben. Mit einem neuen Qualifizierungs-Kurzarbeitergeld soll Unternehmen ermöglicht werden, in Phasen der Transformation ihre Beschäftigten im Betrieb zu halten und nachhaltig zu qualifizieren.
Die DGB-Gewerkschaften stehen für Demokratie, Gleichberechtigung, Weltoffenheit und Toleranz in Deutschland, Europa und der Welt und damit im klaren Widerspruch zur AfD, die eine „mit der extremen Rechten eng verwobene Rechtsaußenpartei mit rechtspopulistischer Agitationsweise“ ist.
Der DGB nennt daher die AfD nicht in einem Atemzug mit demokratischen Parteien, um nicht zur Verharmlosung ihrer völkisch-autoritären Positionen und ihrer im Kern demokratiefeindlichen Strategien und Handlungen beizutragen. Mit demokratischer Normalität hat das Wahlprogramm der AfD nichts zu tun – auch wenn sie mit ihrem Programmtitel „Deutschland. Aber normal“ den gegenteiligen Anschein zu wecken versucht.
Rechtsextremismus und Rechtspopulismus gefährden den sozialen Zusammenhalt und sind eine ernsthafte Bedrohung unseres demokratischen und sozialen Gemeinwesens in Deutschland und Europa. Dagegen gilt es, klar Position zu beziehen! Für Demokrat*innen gilt: Nicht wegschauen, sondern handeln und sich einmischen!
Das heißt aber auch, dass wir uns inhaltlich mit der AfD und ihrer Aufstellung für die Bundestagswahl auseinandersetzen müssen. Der DGB hat deshalb den Wissenschaftler Alexander Häusler und den Journalisten Rainer Roeser beauftragt, eine Studie zum Wahlprogramm der AfD zu erarbeiten. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse gibt es hier.
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Links zu den Wahlprogrammen der Parteien zur Bundestagswahl 2021