Deutscher Gewerkschaftsbund

23.10.2018
Reihe "Darf mein*e Chef*in...?"

Darf mein*e Chef*in mein Mail-Postfach überwachen?

DGB-Expert*innen beantworten Fragen aus dem Arbeitsrecht

Mal schnell über den Messenger auf dem Diensthandy klären, wer heute Abend die Kinder abholt, mal schnell eine private Mail an einen Freund verschicken: Darf der Arbeitgeber das verbieten? Oder sogar meinen Account überwachen und heimlich mitlesen?

Finger tippt auf virtuelles Mail-Symbol

DGB/melpomen/123rf.com

Darf mein*e Chef*in mein Mail-Postfach überwachen?

Nein, das darf er oder sie nicht, zumindest nicht einfach so. Private Mail-Accounts sowieso nicht – aber auch beim dienstlichen Postfach sind die Kontrollmöglichkeiten begrenzt. Ob und inwieweit der Arbeitgeber dieses überwachen darf, hängt davon ab, ob er die private Nutzung erlaubt hat oder nicht.

Denn: E-Mail-Accounts sind, wie Computer oder Smartphones, Betriebsmittel, die dem Arbeitgeber gehören und die er den Beschäftigten zur Verfügung stellt. Deshalb darf er auch darüber entscheiden, wie und wofür diese Dinge verwendet werden. Er kann die private Nutzung erlauben – oder eben auch nicht.

  • Fall 1: Private Nutzung erlaubt

    Erlaubt - ja oder nein?

    Erlaubt ist die private Nutzung des dienstlichen Accounts immer dann,

    • wenn es eine ausdrückliche Regelung dazu gibt, zum Beispiel im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung, oder
    • wenn der Arbeitgeber die private Nutzung über einen längeren Zeitraum hinweg stillschweigend geduldet hat.

    Wer neu in einer Firma anfängt und sich unsicher ist, ob er den dienstlichen Account auch für private Zwecke nutzen darf, sollte sich unbedingt vorab über die geltenden Bestimmungen bzw. die Gepflogenheiten im Betrieb informieren.

    Heimlich nur bei konkretem Verdacht

    Wenn der Arbeitgeber die private Nutzung erlaubt, ist er, was die nicht-dienstliche Korrespondenz betrifft, Anbieter einer Dienstleistung im Sinne des Telekommunikationsgesetzes – und hat damit dieselben Rechte und Pflichten wie zum Beispiel die Telekom. Das heißt auch, dass er wie alle anderen das Fernmeldegeheimnis wahren muss. Inhalt und Korrespondenz der privaten Korrespondenz dürfen ihn also schon aus rechtlicher Sicht nicht interessieren.

    Ein Mitlesen der privaten Mails ist deshalb grundsätzlich tabu – und nur in ganz bestimmten Ausnahmefällen gestattet. Wenn der Arbeitgeber auf Protokolldaten zurückgreifen will, aus denen sich zum Beispiel ergibt, wann welche Mail an wen geschickt wurde, muss er vorher die Einwilligung des Beschäftigten einholen. Eine heimliche Überwachung ist nur möglich, wenn ein konkreter Verdacht für eine Straftat vorliegt – und dieser Verdacht hinreichend dokumentiert ist. Doch selbst dann muss die Kontrolle verhältnismäßig bleiben.

    Anders sieht es bei der dienstlichen Korrespondenz aus. Hier kann der Arbeitgeber jederzeit Einsicht verlangen – es sei denn, es handelt sich um Mails an den Betriebsrat, den Betriebsarzt, die betriebliche Beschwerdestelle oder ähnliches.

  • Fall 2: Private Nutzung verboten

    Anders sieht es aus, wenn der Arbeitgeber die private Nutzung des dienstlichen Mail-Accounts grundsätzlich nicht erlaubt. In diesem Fall darf er stichprobenartig überprüfen, ob sich der oder die Beschäftigte daran hält. Dafür kann er Einblick in die Protokolldaten nehmen und so den Mailverkehr auswerten.

    Aber: Auch wenn der Arbeitgeber ausdrücklich nur die dienstliche Nutzung von Postfächern oder Messenger-Diensten erlaubt heißt das nicht automatisch, dass er Nachrichten einfach mitlesen darf. Auch hier muss er den Beschäftigten vorab über die geplanten Kontrollen informieren. Außerdem muss er bei der Ausgestaltung einer entsprechenden Regelung zwingend den Betriebs- oder Personalrat einbeziehen.

Mann mit Smartphone

DGB/Vadim Georgiev123rf.com

Gerichtsurteil schafft Klarheit für Europa

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in seinem Urteil vom 5. September 2017 der Kontrolle durch Arbeitgeber Schranken gesetzt und für ganz Europa Klarheit darüber geschaffen, dass Arbeitnehmer*innen über mögliche Überwachungen vorab unterrichtet werden müssen.

Im konkreten Fall ging es um einen rumänischen Arbeitnehmer, der auf Wunsch seines Arbeitgebers einen Account bei einem Messenger-Dienst angelegt hatte. Über den Account sollten Kundenanfragen beantwortet werden. Der Mitarbeiter nutzte ihn aber auch, um mit seiner Verlobten und seinem Bruder private Nachrichten auszutauschen. Daraufhin erhielt er die Kündigung – mit der Begründung, die private Nutzung des Messenger-Dienstes sei verboten gewesen. Der Arbeitgeber hatte den Account überwacht und legte 45 Seiten vor, die die privaten Chats dokumentierten.

Das war laut EGMR nicht rechtens – weil der Arbeitnehmer weder darüber informiert wurde, dass seine Kommunikation überwacht werden kann, noch in welchem Umfang diese Überwachung stattfindet.

Diese Entscheidung gilt auch für Deutschland – und das ist auch gut so. Denn in Deutschland gibt es bisher nur eine sehr rudimentäre Regelung des Beschäftigtendatenschutzes, die Rechtsprechung spielt daher eine große Rolle.

Fazit:

Die Kontrolle von Mails und Messenger-Nachrichten durch den Arbeitgeber ist bei dienstlichen Accounts zwar möglich, unterliegt aber engen Grenzen. Arbeitnehmer*innen müssen vorab informiert werden, ob und in welchem Umfang diese Kontrolle stattfinden wird. Eine lückenlose Überwachung – selbst mit Kenntnis des oder der Beschäftigten – verstößt gegen das Persönlichkeitsrecht und ist deshalb grundsätzlich unzulässig. Was die private Nutzung von dienstlichen Accounts angeht: Auch wenn sie im Betrieb erlaubt oder geduldet wird, sollte man es nicht übertreiben.

Rechtliche Grundlagen: §26 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), §87 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), Telekommunikationsgesetz (TKG) und weitere

Dieser Artikel ersetzt keine Rechtsberatung. Keine Gewähr für Vollständigkeit und Aktualität, Haftung ausgeschlossen.


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