Deutscher Gewerkschaftsbund

26.01.2021

Betriebliches Eingliederungsmanagement: Gesundheit geht vor

einblick Februar 2021

Je länger ArbeitnehmerInnen erkranken, desto größer ist ihr Risiko später krankheitsbedingt gekündigt zu werden. Doch gerade der Verlauf von Covid-19-Erkrankungen ist oft unvorhersehbar. Viele Genesene kämpfen monatelang mit Atem-, Konzentrations- und Erschöpfungsbeschwerden. Der DGB fordert angesichts der Pandemie dringende Reformen für den Wiedereinstieg im Job nach Krankheit.

Junge Frau mit Krücken vor Schatten von laufener Frau

DGB/lassedesignen/123rf.com

Betriebliches Eingliederungsmanagement: die aktuelle Situation

Sind ArbeitnehmerInnen länger erkrankt, kommen zur Sorge um die eigene Gesundheit oft auch Ängste hinzu, den Job zu verlieren. Denn viele Arbeitgeber sehen nur den Ausfall der Arbeitskraft und die damit verbundenen Kosten. Früher oder später flattert dann die Kündigung ins Haus.

Die Pandemie hat diese Befürchtungen nun noch einmal verschärft: „Beschäftigte, die seit Monaten in vorderster Linie bei der Bekämpfung der Pandemie stehen und in den systemrelevanten Berufen unverzichtbare Arbeit leisten, haben ein hohes Risiko, sich mit Covid-19 zu infizieren“, erklärt DGB-Bundesvorstandsmitglied Anja Piel. Gerade Corona-Infektionen gehen oftmals mit längeren gesundheitlichen Einschränkungen einher.

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Um den Kreislauf von Krankheit und Kündigung zu durchbrechen, wurde 2004 auf Drängen des DGB und seiner Gewerkschaften das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) gesetzlich festgeschrieben. Als präventive Maßnahme soll es dazu beitragen, Fehlzeiten zu reduzieren und krankheitsbedingten Kündigungen vorzubeugen.

 

BEM: Probleme bei Angebot, Prozess und Durchführung

In der Praxis rumpelt es gewaltig, was den Wiedereinstieg nach Krankheit angeht: Denn wie genau die Unternehmen die Wiedereingliederung betrieblich gestalten, lässt das Gesetz offen.

Zudem gibt es keine Sanktionen, wenn Arbeitgeber ihren Beschäftigten kein BEM anbieten. Das führt zu großen Ungleichheiten: Während hauptsächlich große Firmen mit Interessenvertretung ihre erkrankten ArbeitnehmerInnen bei ihrer Rückkehr unterstützen, sieht es in vielen mittleren und kleinen Unternehmen mau aus.

Das kritisiert auch der DGB: In weniger als der Hälfte der Betriebe wird überhaupt Eingliederungsmanagement angeboten. Wo es aber stattfindet, nehmen es 70 Prozent der Beschäftigten in Anspruch. „Das zeigt: Schon vor der Pandemie war der Bedarf da“, erklärt Anja Piel. Und er dürfte sich durch Corona noch verstärken. Deshalb muss der Gesetzgeber spätestens jetzt das Eingliederungsmanagement für alle verpflichtend machen.

Grafik Betriebliches Eingliederungsmanagement

Ob Beschäftigte ein Angebot zum Wiedereinstieg in den Job erhalten, hängt unter anderem von der Größe des Unternehmens ab. Daneben entscheiden auch Faktoren wie ein gutes Betriebsklima und Anerkennung vonseiten der Vorgesetzten über die Häufigkeit von BEM-Angeboten zusammen. DGB/einblick

Jetzt klare Regeln!

Im Zuge der Pandemie fordert der DGB, das BEM so zu verbessern, dass es in allen Betrieben fest verankert wird. Dazu gehört ein Rechtsanspruch auf BEM, wenn die Beschäftigten nach längerer Krankheit in den Job zurückkehren. „Der Verzicht auf das Instrument muss als Ordnungswidrigkeit bestraft werden“, so Piel.

Für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) fordert der DGB mehr Unterstützung: Sie brauchen Angebote von professionellen BEM-BeraterInnen, die den Prozess begleiten und zu einem erfolgreichen Ende führen können.

Für das BEM-Verfahren an sich schlägt der DGB verbindliche Qualitätsstandards vor, wie medizinischen Sachverstand im BEM-Team, eine stufenweise Wiedereingliederung (Hamburger Modell) und eine stärkere Berücksichtigung psychischer Erkrankungen.

BEM nicht nur als Alibi

Ohne konkrete Standards, was den Ablauf und die Beendigung des BEM angeht, kann es von einigen Arbeitgebern nur als Vorstufe zu einer krankheitsbedingten Kündigung genutzt werden. So nach dem Motto: Wir haben uns bemüht. Das muss sich aus Sicht des DGB dringend ändern: Deshalb muss das Eingliederungsmanagement festgelegten Standards folgen und müssen Arbeitnehmervertretungen von Anfang bis Ende eingebunden sein. Das BEM darf erst dann zu Ende sein, wenn alle zielführenden Maßnahmen ausgeschöpft sind.


 

Fahnen mit DGB-Logo im Wind

DGB

BEM: Der DGB fordert

  • individueller Rechtsanspruch auf BEM

  • verbindliche Leitlinien für Ablauf und Gestaltung des BEM

  • mehr Mitbestimmungsrechte für Betriebsräte

  • Vertraulichkeit der Daten garantieren

  • bessere Unterstützung für kleine und mittlere Unternehmen

  • Anspruch auf stufenweise Wiedereingliederung (Hamburger Modell)

  • Anti-Stress-Verordnung

  • BEM-Maßnahmen voll ausschöpfen


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