Insgesamt gibt es in Deutschland laut Bundesagentur für Arbeit rund 7,4 Millionen Minijobber*innen im Gewerbe und in Privathaushalten. Über die Hälfte von ihnen sind Frauen.
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Für viele ist es kein Nebenjob; es ist ihr einziger Job. Manche haben gleich mehrere Minijobs. Viele leben in schlechteren Bedingungen als sozialversicherungspflichtig Beschäftigte: Laut IAB leben rund ein Viertel in Haushalten mit wenig Einkommen; jede*r sechste (17 Prozent) bezieht nebenher Grundsicherung. Oft sind Minijobs schlecht bezahlt. Minijob-Stellen sind häufiger befristet, es gibt selten schriftliche Arbeitsverträge oder vertraglich vereinbarte Arbeitszeiten. Gesetzliche Arbeitszeitregeln werden teils missachtet. Oft genug wird kein Urlaubsgeld gezahlt oder – obwohl es einen Anspruch darauf gibt – der Lohn im Krankheitsfall nicht weitergezahlt.
Fällt der Job weg, besteht kein Anspruch auf Arbeitslosengeld. Es gibt kein Kurzarbeitergeld; in der Pandemie waren es diese Beschäftigten, die als erste gehen mussten – über 500 000 verloren ihre Jobs in der Zeit. Und da die meisten Minijobber*innen die freiwilligen Beiträge zur Rentenversicherung abwählen, drohen vielen Nachteile bei Rentenleistungen.
Wäre der Minijob eine Brücke in bessere Beschäftigung – wie sie viele Minijobber*innen gerne hätten – gäbe es ein Argument dafür. Aber sie führen nachweislich nicht in bessere Arbeitsstellen. Im Gegenteil: In manchen Branchen wie dem Einzelhandel und der Gastronomie haben die Minijobs reguläre Stellen vernichtet, vor allem in kleinen Betrieben.
Wer länger in einem Minijob arbeitet, verliert zudem an Qualifikation – es wird schwerer, in Arbeit zu wechseln, für die man qualifiziert ist. Das ist keine Kleinigkeit: Rund zwei Millionen Minijobber*innen sind für ihre Tätigkeit überqualifiziert. Für viele Frauen wird der Minijob zur Teilzeitfalle – einmal Minijob, immer Minijob. Die Folgen langjähriger Minijob-Arbeit können dramatisch sein: Menschen, die schon im Erwerbsleben häufig arm waren, rutschen mit dem Rentenalter in die Altersarmut.
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Ab 1. Oktober 2022 soll die Minijobgrenze von bisher 450 Euro auf 520 Euro im Monat steigen und künftig mit jeder Mindestlohnerhöhung angepasst werden. Sie orientiert sich an 10 Stunden Wochenarbeitszeit zum Mindestlohn. Zusätzlich sollen im Übergang zu den Midijobs die Sozialversicherungsbeiträge – die Midijobber*innen zahlen müssen – für die Beschäftigten gesenkt werden; die Arbeitgeber sollen dagegen mehr zahlen. Damit soll der bisherige harte Sprung – erst keine Sozialversicherung, dann die volle Summe – zwischen Mini- und Midijob verhindert werden. Die Midijob-Grenze wird von 1300 auf 1600 Euro angehoben.
Im Koalitionsvertrag bezeichnen die Ampel-Parteien die Pläne als „Verbesserung“, weil es einfacher werde, in sozialversicherungspflichtige Jobs zu wechseln. Doch das Gegenteil ist der Fall: Auch wenn Beschäftigte es wollten – für viele Arbeitgeber ist es attraktiver, bei den Minijobs zu bleiben. Dadurch könnten gerade in Kleinbetrieben weiterhin sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse verdrängt werden, zumal die Arbeitgeber bei den Midijobs künftig einen größeren Anteil der Sozialversicherungsbeiträge übernehmen müssten.
Auch für die Sozialversicherungen ist der Plan keine Verbesserung: Ihnen gehen Einnahmen verloren – das IAB rechnet mit 1 Mrd. Euro pro Jahr Verlust, die Bundesregierung mit 800 Millionen Euro. Das Ziel der Ampel werde so verfehlt, heißt es beim IAB. Auch ein weiteres Ziel aus dem Koalitionsvertrag wird nicht erreicht: Die Gleichstellung von Frauen. Ausgerechnet da, wo besonders viele Frauen arbeiten, werden Strukturen verfestigt, die Frauen ökonomisch benachteiligen.
Das Grundproblem des Minijobs kann nicht mit kleinen Reformen gelöst werden. Notwendig ist eine umfassende Reform, die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung attraktiv macht – damit Beschäftigte im Alltag und im Alter abgesichert sind. Deswegen fordern die Gewerkschaften, dass ab der ersten Arbeitsstunde die Sozialversicherungspflicht eingeführt wird – und die Arbeitszeit digital erfasst wird. Zunächst zahlt der Arbeitgeber die Beiträge; für die Beschäftigten steigen sie schrittweise bis zur Parität an. Damit
die Beschäftigten bei geringen Einkommen nicht voll belastet werden, soll es zudem steuerliche Zuschüsse geben.