Kann eine SARS-CoV-2-Infektion bei Beamtinnen und Beamten als Dienstunfall anerkannt werden? Diese Frage stellt sich spätestens dann, wenn eine Beamtin oder ein Beamter an COVID-19 erkrankt ist und davon ausgeht, sich im Dienst infiziert zu haben. Aktuell mehren sich die Berichte, in denen Dienstherren in diesen Fällen auf eine sogenannte Allgemeingefahr verweisen und die Anerkennung als Dienstunfall verneinen. Der DGB appelliert an sie, die BeamtInnen jetzt nicht allein zu lassen.
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Anders als gesetzlich Unfallversicherte, für welche die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung Empfehlungen für die Anerkennung einer Infektion mit SARS-Cov-2 als Versicherungsfall erarbeitet hat, sind BeamtInnen über die Dienstunfallfürsorge ihres Dienstherrn abgesichert. Dabei ist jede Behörde für die Ausgestaltung des Verfahrens der Unfalluntersuchung selbst verantwortlich. Es gibt keine (einheitliche) Handlungsempfehlung und zudem auf Grund des föderalisierten Beamtenrechts Unterschiede zwischen den 17 Dienstherren. Ob eine COVID-19-Infektion als Dienstunfall anerkannt werden kann, ist daher nicht pauschal beantwortbar.
DGB/Simone M. Neumann
"Ob BeamtInnen in Ordnungsämtern, PolizistInnen oder Lehrkräfte – wer sich im Dienst oder auf dem Weg dorthin mit dem Coronavirus infiziert, sollte dies grundsätzlich als Dienstunfall anerkannt bekommen. Das ist insbesondere dann wichtig, wenn Spätfolgen die Dienstfähigkeit einschränken", sagt die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack.
Bekannt wurde, dass Anträge von BeamtInnen auf Anerkennung der Infektion als Dienstunfall mit der Begründung abgelehnt wurden, es liege eine Pandemielage vor. Diese bedinge eine Allgemeingefahr, da in einem bestimmten Gebiet alle Menschen mehr oder minder gleich bedroht seien. Mit einer Infektion realisiere sich also kein in der konkreten Tätigkeit liegendes Risiko.
Der DGB kritisiert diese Haltung scharf und verweist auf die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, die längst von der Annahme einer Allgemeingefahr abgerückt ist. BeamtInnen, die trotz Coronalage aufgrund ihrer Funktion Kontakte zu anderen Mensch nicht reduzieren und keinen ausreichenden Abstand zu diesen halten können, dürfen von ihren Dienstherren mit dem Risiko einer Infektion und den daraus resultierenden Folgen nicht allein gelassen werden. Schließlich kann eine COVID-19-Infektion zu (gravierenden) Spätfolgen bis hin zum Tod führen.
Hat eine Beamtin oder ein Beamter also den Verdacht, dass eine vorliegende Infektion während der Ausübung des Dienstes geschehen ist, sollte auf jeden Fall eine Dienstunfallanzeige beim Dienstvorgesetzten erfolgen. Auch sollten umfassende Aufzeichnungen der beruflichen und privaten Kontakte erstellt werden, um ggf. rekonstruieren zu können, wann und wo sowie durch wen es zur Infektion kam.
BeamtInnen müssen nach einem Dienstunfall einen (Durchgangs-)arzt aufsuchen. Den Dienstunfall melden sie der bzw. dem Dienstvorgesetzten. Die bzw. der Dienstvorgesetzte hat jeden Unfall, der ihr bzw. ihm von Amts wegen oder durch Meldung bekannt wird, zu untersuchen und der zustän-digen Dienstunfallfürsorgestelle das Ergebnis mitzuteilen.
Die Anerkennung als Dienstunfall kann erhebliche Auswirkungen auf die Absicherung der Betroffe-nen sowie ihrer Angehörigen haben. Denn nur bei einem Dienstunfall kommen die Leistungen der Dienstunfallfürsorge zum Tragen. Neben dem Heilverfahren (u. a. notwendige ärztliche Behand-lung, die notwendige Versorgung mit Arznei- und anderen Heilmitteln, Ausstattung mit Körperer-satzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln) zählen dazu u. U. beispielsweise ein Unfal-lausgleich neben den Bezügen, eine einmalige Unfallentschädigung oder ein Unfallruhegehalt. Im Fall des Todes können Angehörige einen Anspruch auf Unfall-Hinterbliebenenversorgung haben.
Die Anerkennung als Dienstunfall ebenso wie deren Ablehnung erfolgt als Bescheid an die be-troffene Person. Gegen einen solchen kann i. d. R. innerhalb eines Monats Widerspruch eingelegt werden. Wird der Widerspruch abgelehnt, können BeamtInnen vor dem Verwaltungsgericht auf Anerkennung als Dienstunfall klagen.
Eine COVID-19-Infektion kann als „Berufskrankheit“ für jene beamtete Beschäftigte in Betracht kommen, die im Gesundheitsdienst, der Wohlfahrtspflege und in Laboratorien tätig sind, da die Beamtenversorgungsgesetze auf die für vergleichbare ArbeitnehmerInnen geltende Anlage I der Berufskrankheitenverordnung verweisen.
Daneben besteht die Möglichkeit, dass eine Covid-19-Erkrankung als Dienstunfall anerkannt wird, wenn die betroffene Person nach der Art ihrer dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Erkrankung besonders ausgesetzt war. Denn nach Nr. 3101 der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung stellen Infektionskrankheiten auch dann eine Berufserkrankung dar, wenn die betroffene Person durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße wie bei einer Tätigkeit im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium besonders ausgesetzt war. Ein „ähnliches Maß“ wird in der aktuellen Rechtsprechung definiert: die Infektion eines Polizisten während einer Fortbildung mit anschließender Erkrankung (VG Augsburg, Urteil vom 21. Oktober 2021 - Au 2 K 20.2494) sowie die Infektion eines Lehrers, der in Klassen mit hohen Infektionszahlen unterrichtete, und anschließender Erkrankung (VG Würzburg, Urteil vom 26. Oktober 2021 - W 1 K 21.536). Bei beiden Fällen konnte eine Infektion im privaten Umfeld ausgeschlossen und eine hohe Infektionsquote im dienstlichen Umfeld nachgewiesen werden.
DGB Rechtsschutz: Coronavirus: Unfall oder Berufskrankheit?
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