Im Koalitionsvertrag haben sich SPD, Grüne und FDP darauf verständigt, das Rentensystem zu reformieren. Bisher wird die Rente über ein sogenanntes Umlageprinzip finanziert. Das bedeutet: Wer aktuell arbeitet, finanziert die aktuellen Renten. Zusätzlich soll die Rente künftig nach Plänen der Koalition teilweise aus Aktiengewinnen finanziert werden: durch das sogenannte Generationenkapital, einen staatlichen Fonds – oft auch als Aktienrente bezeichnet. Wir informieren darüber, was bisher bekannt ist, wie dies zu bewerten ist – und was es tatsächlich für eine starke gesetzliche Rente braucht.
DGB/Pop Nukoonrat/123RF.com
Mit dem Generationenkapital meint die Regierung einen staatlichen Fonds, über den sie Aktien und Anleihen an der Börse kauft. Die Hoffnung der Regierung: Ab Mitte der 2030er-Jahre könnten Gewinne aus diesem Fonds die gesetzliche Rente stärken. Ziel ist es insbesondere, dass der Beitragssatz, den Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen in die Rentenversicherung einzahlen, geringer ausfällt. Sie ist also eine Form der kapitalgedeckten Altersvorsorge. Der Kapitalstock soll also das umlagefinanzierte Rentensystem auf der Einnahmeseite ergänzen.
Die Aktienrente, wie sie die FDP es im Wahlkampf noch vorgeschlagen hat, wäre hingegen eine massive Rentenkürzung. Damit sollten Rentenalter und Abschläge steigen. Alle müssten länger arbeiten, länger Beiträge zahlen und bekämen kürzer und damit weniger Rente. Ein schöngerechnetes Rentenniveau sollte verdecken, dass die ausgezahlten Renten tatsächlich weiter an Wert verlieren. Wenn alles gut laufen würde, könnte die Lücke ab 2060 durch die vorgesehene individuelle Aktienrente nach Vorstellung der FDP ausgeglichen werden – aber nur bei Rentenbeginn mit etwa 70 Jahren. Während des Rentenbezugs würde die Rentenlücke aber wieder wachsen. Erwerbsgeminderte hätten einfach weniger Rente, da hier kein Ausgleich vorgesehen wäre. Solche Rentenkürzungen sind mit den Gewerkschaften nicht zu machen!
Beim aktuellen Vorschlag der Koalition zum Generationenkapital ist von solchen Ideen zum Glück nichts übriggeblieben. Die Rente wird nicht gekürzt, das Rentenalter nicht angehoben und Rentenbeiträge nicht für individuelle Aktienrenten zweckentfremdet. Es sollen nun Bundesmittel in Aktien angelegt werden - mit dem Ziel ab etwa 2038 aus den Überschüssen des kollektiven Kapitalpuffers zusätzliche Zuschüsse an die Rentenversicherung zu zahlen. Damit soll der Beitragssatz gemindert werden können. Verbunden mit der Stabilisierung des Rentenniveaus bei mindestens 48 Prozent ist der Vorschlag zum Generationenkapital als Kompromiss tragbar.
Nach aktuellen Plänen will der Bund in diesem Jahr ein Darlehen in Höhe von zehn Milliarden Euro aufnehmen, sich also mit Krediten verschulden, um damit das Generationenkapital zu finanzieren. Diese Summe hat der Haushaltsausschuss des Bundestags bereits für das Jahr 2023 eingestellt.
Das Gesetz soll im Herbst kommen und vorsehen, dass der zu bildende Fonds bei einer unabhängigen Stiftung angesiedelt wird. Ziel ist es, so sicherzustellen, dass mögliche Erträge des Kapitalstocks zweckgebunden sind und nur für die Rentenversicherung verwendet werden dürfen. Auch sollen einige Beteiligungen des Bundes an Unternehmen (Aktienanteile etc.) dem Fonds übertragen werden – welche und mit welchem Wert ist noch offen.
In den kommenden 15 Jahren sollen jährlich weitere Milliardenbeträge in den Fonds fließen – hier hat die Koalition aber noch nicht gesagt, wie viel und woher das Geld kommen soll. Klar ist für den DGB: es dürfen keine Beitragsmittel für den Kapitalstock zweckentfremdet werden. Für den Aufbau des Kapitalstocks trägt der Bundeshaushalt die finanzielle Verantwortung und die Risiken.
Nein. Anders als bei den ursprünglichen Vorstellungen der FDP hat sich die Regierungskoalition darauf geeinigt, dass keine Rentenbeiträge in den Fonds fließen.
Die FDP will dies aber für künftige Schritte nicht ausschließen. Ende Januar hat Bundesfinanzminister Lindner in den Medien seinen Plan wiederholt, dass künftig auch Rentenbeiträge in den Fonds fließen sollen. DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel kritisiert das scharf: "Sollte der Finanzminister weiter davon träumen, für sein Projekt der Aktienrente mit dem Geld der Beitragszahler zu zocken, kann er sich warm anziehen. Lindner muss mit dem erbitterten Widerstand aller Gewerkschaften rechnen; Beiträge sind für die solide Finanzierung der Renten da und nicht für Spekulationen an Aktienmärkten."
Nein. Anders als von der FDP zunächst gewünscht, wird die gesetzliche Rentenversicherung nicht gekürzt, sondern sogar gestärkt: Denn mit dem jetzt vorgesehenen Rentenpaket will die Ampelkoalition neben dem Generationenkapital auch das Rentenniveau auf mindestens 48 Prozent festschreiben.
Sollte die FDP allerdings ihre ursprüngliche Idee umsetzen können, dann würden künftig Rentenbeiträge für die Aktienrente abgezweigt werden. Weil das Geld dann für die Rente fehlen würde, müsste sie gekürzt werden – beispielsweise durch geringere Renten und ein höheres Renteneintrittsalter.
Das Geld soll in eine Stiftung fließen und die Verwaltung wohl der KENFO (Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung) übernehmen, dessen bisherige Aufgabe es ist, den Rückbau der Atomkraftwerke zu finanzieren. Genauere Pläne sind bisher noch nicht bekannt.
Nach aktuellem Stand ist vorgesehen, dass soziale und ökologische Anlagekriterien beachtet werden sollen. Das heißt, Geld aus dem Fonds soll in Aktien von Unternehmen angelegt werden, die möglichst wenig negative Auswirkungen auf Menschen und Umwelt haben. Wie strikt die Kriterien sein sollen, ist noch nicht bekannt.
Mehrere Studien haben berechnet, dass ein Kapitalstock von zehn Milliarden Euro bei weitem zu gering ist, um das gesetzliche Rentensystem wirkungsvoll zu stärken. So heißt es etwa in einem Gutachten des Sozialbeirats, der Fonds müsste "ein Volumen in hoher dreistelliger Milliardenhöhe haben, um mit seinen Erträgen den Beitragssatz zur Rentenversicherung dauerhaft auch nur um einen Beitragssatzpunkt senken zu können. Das zeigt, dass der diskutierte Ansatz eines kreditfinanzierten Fonds zur Rentenversicherung selbst bei hohem Fondsvolumen nur begrenzt den Beitragssatz dämpfen kann."
Auch laut Bundesfinanzminister Lindner ist bis Ende der 2030er Jahre ein dreistelliger Milliardenbetrag nötig, um einen Ertrag erreichen zu können, der ausreicht, um den Beitragssatz zu mindern, den Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen in die Rentenversicherung einzahlen. Der Finanzminister hat angekündigt, dass nun für die nächsten 15 Jahre jedes Jahr 10 Milliarden Euro eingezahlt werden sollen. Woher das Geld dafür kommen soll, ist bisher unbekannt.
Die Regierung will aus dem Generationenkapital einen Teil der Renten finanzieren – ab den Jahren 2037 oder 2038 bereits einen halben Beitragssatzpunkt zur Rentenversicherung. Das wären rund 13,8 Milliarden Euro im Jahr 2038 (berechnet auf Basis des Rentenversicherungsberichts 2022 der Bundesregierung). Wenn wir von 8 Prozent Rendite ausgehen, wären dann ungefähr 170 Milliarden Euro nötig im Generationenkapital.
Das ist eine Menge und muss in den kommenden Jahren auch noch steigen! Denn die Einnahmen pro Beitragssatzpunkt steigen auch nach 2038 mit der Lohnentwicklung weiter an. Der Kapitalstock müsste daher auch jedes Jahr wachsen, damit bei gleicher Rendite der Überschuss dauerhaft einem halben Beitragspunkt entspricht. Dazu müsste ein Teil des Gewinns einbehalten und wieder angelegt werden.
Würde das Generationenkapitel teilweise oder vollständig aus Krediten aufgebaut, muss auch der Zins auf die Kredite bezahlt werden. Und natürlich fallen zusätzlich Anlage- und Verwaltungskosten an.
Nehmen wir eine Rendite von 8 Prozent, eine Lohnentwicklung von 3 Prozent und einen Kostensatz von 0,5 Prozent an, müsste das Generationenkapital im Jahr 2038 bereits bei rund 306 Milliarden Euro liegen. Oder noch mehr: Würde es aus Bundesanleihen mit 2 Prozent Zins finanziert, dann müsste es 550 Milliarden Euro betragen. Liegt die Rendite unter 8 Prozent, dann wären noch größere Summen nötig.
Das Generationenkapital dürfte also trotz des Milliardenvolumens sehr wahrscheinlich einen deutlich geringeren Effekt haben.
Welche Herausforderungen und Probleme gibt es? Wir haben einige aufgelistet:
Das muss die Politik aus DGB-Sicht tun, damit Arbeitnehmer*innen auch künftig gut von ihrer Rente leben können: