Mit den unter der Regierung Schröder beschlossenen Reformen, ist die Bezeichnung "Ein-Euro-Job" zu einem Begriff geworden. Betroffen von diesen Maßnahmen sind Menschen, die ALG II beziehen. Ihnen kann eine Tätigkeit zusätzlich zugewiesen werden, sofern sie im "öffentlichen Interesse" liegen - so genannte Arbeitsgelegenheiten (AGH) mit Mehraufwandsentschädigung.
DGB/Simone M. Neumann
Sie sind besondere Beschäftigungsverhältnisse ohne Arbeitsvertrag.
Nach der ausdrücklichen Regelung in § 16 Abs. 3 Satz 2 haben Ein-Euro-Jobber keinen Arbeitsvertrag und darum auch nicht die mit einem Arbeitsvertrag verbundenen Rechte und Pflichten. Ihre Rechte und Pflichten ergeben sich in erster Linie aus dem SGB II. Aus dieser Beschäftigung erwirbt man keine Ansprüche in der Sozialversicherung – also nicht für die Renten-, Kranken und Arbeitslosenversicherung.
Aber: Arbeitsgelegenheiten nach § 16d Abs. 5 SGB II haben immer Nachrang gegenüber der Vermittlung in Arbeit oder Ausbildung, Qualifizierung und andere Eingliederungsinstrumente.
Im öffentlichen Interesse liegen insbesondere auch gemeinnützige Arbeiten. Als gemeinnützige Arbeiten gelten Arbeiten, die unmittelbar den Interessen der Allgemeinheit/des Allgemeinwohls auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet dienen. Hierzu gehören zum Beispiel Zusatzjobs in den Bereichen Wissenschaft und Forschung, Bildung und Erziehung, Kunst und Kultur, Religion, Völkerverständigung, Entwicklungshilfe, Umwelt, Landschafts- und Denkmalschutz, der Jugend- und Altenhilfe, dem öffentlichen Gesundheitswesen, Sport.
Gemeinnützigkeit ist generell zu vermuten bei Arbeiten für einen als gemeinnützig anerkannten Maßnahmeträger (zum Beispiel Kommunen, Wohlfahrtsverbände und angeschlossene Vereinigungen, Kirchen, Selbsthilfegruppen, Sportverbände).
Wichtig: nicht jede Maßnahme, die ein gemeinnütziger Träger beantragt, liegt im öffentlichen Interesse. Auch das Arbeitsergebnis, das dabei produziert wird, muß das Kriterium "öffentliches Interesse" erfüllen.
Das Kriterium der Zusätzlichkeit wird in § 261 Absatz 2 SGB III definiert: "Arbeiten sind zusätzlich, wenn sie ohne die Förderung nicht, nicht in diesem Umfange oder erst zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden. Arbeiten, die auf Grund einer rechtlichen Verpflichtung (z.B. im öffentlichen Dienst) durchzuführen sind, sind nur förderungsfähig, wenn sie ohne die Förderung voraussichtlich erst nach zwei Jahren durchgeführt werden."
Damit soll u.a. ausgeschlossen werden, dass durch Zusatzjobs reguläre Tätigkeiten verdrängt werden. Nicht zusätzlich sind Arbeiten, die z. B. im Pflegebereich bereits durch den Pflegesatz, den die Einrichtung erhält, abgedeckt sind. Arbeiten, deren Ergebnis nur wirtschaftlichen Interessen dient (also kommerziellen oder gewinnorientierten Interessen) oder nur Interessen einzelner Personen dient, liegen eindeutig nicht im öffentlichen Interesse.
Jede Form der Wiederbesetzung von vorübergehend oder dauerhaft frei werdenden Arbeitsplätzen durch Zusatzjob-Kräfte ist unzulässig. Dies gilt auch für Vertretungen aller Art (z.B. Mutterschutz, Urlaubs- oder Krankheitsvertretungen, Streiks).
Wettbewerbsneutralität bedeutet, dass reguläre Jobs nicht verdrängt werden dürfen. Die Schaffung neuer Arbeitsplätze darf nicht behindert werden. Ferner darf der 1-Euro-Job nicht zu Wettbewerbsnachteilen für die Wirtschaft führen.
Die Arbeit soll im "öffentlichen Interesse liegen", "zusätzlich" und und „wettbewerbsneutral“ sein. Diese Vorgaben sind schwer zu überprüfen und haben kaum eine Abgrenzung zu regulärer Beschäftigung.
Einige Beispiele verdeutlichen dies:
Diese Aufstellung ist noch weit umfangreicher und in sogenannten "Positivlisten" oder Katalogen der Städte, Kommunen und Länder festgehalten, die sich örtlich unterscheiden.
Sie gehören zu den Eingliederungsmaßnahmen der Jobcenter. In § 16 SGB II steht: Für erwerbsfähige Hilfebedürftige, die keine Arbeit finden können, sollen Arbeitsgelegenheiten geschaffen werden.
Diese sogenannten 1-Euro-Jobs werden vom Jobcenter zugewiesen und meist von gemeinnützigen Trägern durchgeführt. Die Zuweisung zu diesen Jobs muß wie eine Zuweisung in eine reguläre Arbeit gesehen werden und kann nur aus wichtigen Gründen (z.B. gesundheitliche Einschränkungen, Betreuung von Kindern unter 3 Jahre oder Pflege von Eltern) abgelehnt werden.
Den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ist zuzüglich zum Alg II eine "angemessene" Entschädigung für Mehraufwendungen zu zahlen.
Als arbeitsbedingter Mehrbedarf kommen in erster Linie Fahrkosten in Betracht. Auch ein Mehrbedarf für Arbeitskleidung (soweit nicht vom Maßnahmeträger gestellt) und Wäsche, Körperreinigung, zusätzliche Kosten für Wäschewaschen sowie Ernährung sind denkbar (Urteil des Bundessozialgerichts vom 13.11.2008, Az: B 14 AS 66/07 R).
Diese Mehraufwandsentschädigung beträgt zwischen einem und zwei Euro pro Stunde. Sie gilt nicht als regulärer Lohn und wird nicht auf das Alg II angerechnet. Gezahlt wird sie nur für tatsächlich geleistete Beschäftigungsstunden, also nicht für Krankheitszeiten, Urlaubstage oder für Wochenenden bzw. Feiertage an denen nicht gearbeitet wurde.
Ein Anspruch auf Urlaub besteht durch das Bundesurlaubsgesetz, welches 24 Werktage pro Jahr vorsieht. Da diese Arbeitsgelegenheiten meist nicht 12 Monate laufen, erhält man den Urlaub anteilig (zwei Tage pro Monat).
Die Arbeitsgelegenheiten sind in der Regel auf eine Dauer zwischen sechs bis neun Monaten befristet. Die wöchentliche Beschäftigungszeit soll 30 Stunden nicht überschreiten, um weiter Eigenbemühungen (Bewerbungen) um eine reguläre Arbeit zu ermöglichen. Nach § 16d Abs. 6 SGB II darf die individuelle Zuweisungsdauer innerhalb von fünf Jahren 24 Monate nicht überschreiten.
Ein-Euro-Jobs sollen den Arbeitslosen Hilfe zur Aufnahme einer neuen Beschäftigung bieten, sie sollen die Sicherung und Erweiterung der Qualifikationen unterstützen und eine zeitlich befristete Beschäftigung vorsehen. Dauerhafter Einsatz in Ein-Euro-Jobs ist also ebenso unzulässig wie die Beschäftigung mit Arbeit, die keinerlei Perspektiven für eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt eröffnet.
Da während der Maßnahme weiter Alg II bezogen wird, ist man weiter kranken- und pflegeversichert.
Während der Beschäftigung (z.B. bei einem Arbeitsunfall) gilt die gesetzliche Unfallversicherung.
Gegebenenfalls erforderliche Arbeitskleidung (z.B. "Blaumann", Sicherheitsschuhe, Schutzhelm, Regenkleidung) soll der Träger der Maßnahme zur Verfügung stellen. Die Alg-II-BezieherInnen sind vor Aufnahme der Tätigkeit über die Gefährdungen und die erforderlichen Schutzmaßnahmen zu unterweisen.
Bevor man einer Arbeitsgelegenheit zugewiesen wird, soll eine schriftliche Eingliederungsvereinbarung zwischen dem Betroffenen und dem Jobcenter abgeschlossen werden. Kommt diese nicht einvernehmlich zustande, kann das Jobcenter die Vereinbarung als Bescheid erlassen. Diesem kann innerhalb eines Monats widersprochen werden.
Auf Basis dieser Eingliederungsvereinbarung soll dem Betroffenen möglichst in einem persönlichen Gespräch die Teilnahme an einer konkreten Arbeitsgelegenheit angeboten werden. Die Arbeiten sollten ausreichend erläutert werden und es sollte begründet werden, warum diese Tätigkeit die Integrationschancen verbessert. Eigene Vorschläge des Betroffenen sollten berücksichtigt werden. Die Vereinbarung muß enthalten:
Wichtig: Eingliederung in Ausbildung, Arbeit und Qualifizierung hat immer Vorrang.
Die Eingliederungsvereinbarung wird für sechs Monate abgeschlossen, danach soll eine neue abgeschlossen werden, in der die bisher gewonnenen Erfahrungen einfließen und berücksichtigt werden.
Wurde die Zuweisung in eine Arbeitsgelegenheit vereinbart, dann soll der Träger der Maßnahme mit dem Teilnehmer eine der Arbeitsagentur vorzulegende schriftliche Vereinbarung abschließen, in der folgende Punkte geregelt sind:
Beginn und Dauer der Maßnahme, Einsatzort, Umfang und Verteilung der Arbeitszeit, Arbeitsinhalte, Höhe der Mehraufwandsentschädigung, Arbeitsschutz, Anmeldung zur Unfallversicherung, Urlaub, Ansprechpartner beim Träger, Zeugnis und Beurteilung, Informations- und Mitteilungsverpflichtungen beider Parteien.
Die Arbeitsgelegenheit ist nachrangig, andere Förderleistungen haben Vorrang vor der Arbeitsgelegenheit. Dies wurde neu in § 16d Abs. 5 SGB II festgelegt. Dies gilt auch für Jugendliche. Durch die Streichung des Wortes Arbeitsgelegenheit in § 3 SGB II entfällt die gesetzliche Verpflichtung eines AGH-Angebotes für Jugendliche und Ältere ab 58 Jahren.
Beim Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung darauf drängen, dass andere vorrangige Hilfen angeboten werden (berufliche Weiterbildung, Qualifizierung).
Wird dies abgelehnt und ein Bescheid erlassen (dies ist ein Verwaltungsakt), sollte man die rechtlichen Möglichkeiten nutzen, sich zu wehren und
Existiert in der Einsatzstelle ein Betriebs- bzw. Personalrat oder eine Mitarbeitervertretung, sollte diese(r) kontaktiert werden, um zu prüfen, ob die Arbeitsgelegenheit wirklich zusätzlich ist. Die zuständige Gewerkschaft einschalten.
Wichtig! Weiter zur Arbeit gehen, die Maßnahme nicht abbrechen, da sonst Strafen drohen (Kürzung der Leistungen)
Weigert man sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen, eine zumutbare Arbeitsgelegenheit auszuführen, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben (§ 31 SGB II), wird das Alg II nach den Regelungen des § 31a SGB II (Verwaltungsakt) abgesenkt oder es fällt komplett weg. Die Gründe für die Ablehnung oder Beendigung sind durch den Betroffenen mündlich oder schriftlich darzulegen und vom persönlichen Ansprechpartner zu dokumentieren. Diese Stellungnahme des Betroffenen dient als Grundlage für die Entscheidung über die Absenkung bzw. den Wegfall des Alg II.
Der Maßnahmeträger soll der/dem Teilnehmer/in ein individuelles Zeugnis mit Kompetenzprofil ausstellen.
Der Maßnahmeträger hat dem JobCenter im Hinblick auf eine gesetzeskonforme, ordnungsgemäße und Erfolg versprechende Durchführung der Maßnahme mit dem Förderantrag vor Beginn der Arbeiten eine konkrete und aussagekräftige Maßnahmebeschreibung vorzulegen. Dabei ist insbesondere auf folgende Kriterien ausführlich einzugehen:
Das Bundessozialgericht (BSG) hat drei richtungsweisende Urteile verkündet (B 4 AS 1/10 R, B 14 AS 98/10 R; B 14 AS 101/10 R). Wenn das Jobcenter nicht nachweisen kann, dass die ausgeübte Arbeitsgelegenheit wirklich „zusätzlich“ und „im öffentlichen Interesse“ ist, steht dem ALG II-Bezieher gegen das Jobcenter ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu. Die Behörde muss dem ALG II–Empfänger dann in der Regel den üblichen Tariflohn nachzahlen.
Soweit also ein ALG II–Bezieher zu einem Ein-Euro-Job herangezogen werden soll, muss genau geprüft werden, ob diese Tätigkeit wirklich den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Also ob der Betroffene also die Arbeitsgelegenheit ohne Sanktion verweigern oder auch einen Anspruch auf tarifliche Vergütung haben kann.