Deutscher Gewerkschaftsbund

16.12.2015
Die Rechtsfrage 6/2015

Betriebsratsarbeit: Wie weiche ich Stolpersteinen aus?

Worauf ist bei einer Einladung zur Betriebsratssitzung zu achten? Welche Rolle spielt die Tagesordnung? Wann ist ein Beschluss wirksam – und unter welchen Voraussetzungen ist ein Verfahrensfehler heilbar? Die wichtigsten Tipps rund um die Betriebsratsarbeit

Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Und Fehler passieren. Bei der Betriebsratsarbeit kann das ärgerlich sein, vor allem dann, wenn ein Beschluss dadurch fehlerhaft und der Verfahrensfehler nicht heilbar ist. In dieser Ausgabe der DGB-Rechtsfrage beantworten die Expertinnen und Experten der DGB Rechtschutz GmbH die wichtigsten Fragen rund um die korrekte Betriebsratsarbeit und verraten, wo Stolpersteine liegen.

Mann versucht riesigen Stein zu bewegen

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16.12.2015
Die Rechtsfrage 6/2015

Urteile: Rechtsprechung rund um Betriebsrats-Sitzungen und Betriebsrats-Beschlüsse

Damit er einen Beschluss wirksam fassen kann, muss der Betriebsrat bei seiner täglichen Arbeit viele rechtliche Vorgaben beachten. Silke Clasvorbeck vom DGB-Rechtschutz hat Urteile aus den vergangenen Jahren zu diesem Thema zusammengestellt – rund um Ersatzmitglieder, Änderungen der Tagesordnung, Prüfung von Schulungsmaßnahmen oder Kosten einer rechtlichen Vertretung.

Richterhammer, Gericht, Gesetzbuch

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LINK: Die komplette Urteilsliste gibt es auf der Webseite der DGB Rechtsschutz GmbH

Silke Clasvorbeck, Rechtsschutzsekretärin und Online-Redakteurin, Bielefeld

Silke Clasvorbeck, Rechtsschutzsekretärin und Online-Redakteurin beim DGB-Rechtsschutz DGB Rechtsschutz GmbH

Ladung von Ersatzmitgliedern nach strikter Reihenfolge

§ 25 BetrVG regelt, dass ein Ersatzmitglied nachrückt, wenn ein Mitglied des Betriebsrats ausscheidet. Das gilt auch, wenn ein Mitglied des Betriebsrats verhindert ist und eine Vertretung benötigt wird. Hier darf aber nicht einfach irgendein Ersatzmitglied genommen werden. Die Ersatzmitglieder sind der Reihe nach aus den nichtgewählten Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen zu entnehmen, und zwar aus den Vorschlagslisten, denen die zu ersetzenden Mitglieder angehören, so die weitere Regelung in § 25 BetrVG. Die Reihenfolge, die sich daraus ergibt, muss zwingend eingehalten werden. Der Betriebsrat kann keine abweichende Regelung dazu treffen.

Das gilt auch, wenn der Betriebsrat die Auswahl mit Rücksicht auf die betrieblichen Abläufe trifft. Der Arbeitgeber kann sich auch in solchen Fällen darauf zu berufen, dass der Betriebsrat bei der Beschlussfassung nicht ordnungsgemäß besetzt war.

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 01.11.2012, 5 TaBV 13/12

Beschluss zur Teilnahme an Schulung setzt Erforderlichkeitsprüfung voraus

Mitglieder des Betriebsrats müssen nach § 37 BetrVG von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts befreit werden, wenn und soweit das nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Dies gilt auch für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, wenn diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. Die Kosten für die Teilnahme an einer solchen Veranstaltung hat der Arbeitgeber zu tragen (§ 40 BetrVG).

Aber: Voraussetzung dafür ist ein wirksamer Beschluss des Betriebsrates über die Teilnahme des Betriebsratsmitglieds an der Veranstaltung. Und: Ein wirksamer Beschluss über die Teilnahme setzt voraus, dass dem Betriebsrat ausreichende Informationen über Thema und Inhalt der Veranstaltung vorliegen. Denn nur dann kann über die Erforderlichkeit entschieden werden. Ist das nicht der Fall, muss der Arbeitgeber die Kosten nicht tragen.

Landesarbeitsgericht Hamm, Beschluss vom 18.01.2013, 13 TaBV 60/12

Bei Änderung und Ergänzung der Tagesordnung: Heilung des Ladungsmangels möglich

§ 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG regelt die Ladung der Betriebsratsmitglieder unter Mitteilung der Tagesordnung. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts führen Verstöße gegen Verfahrensvorschriften, die für das ordnungsgemäße Zustandekommen eines Betriebsratsbeschlusses als wesentlich anzusehen sind, zur Unwirksamkeit des Beschlusses. Die Beachtung des § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG wird als eine solche Verfahrensvorschrift angesehen, da die Übermittlung der Tagesordnung der Willensbildung und der Vorbereitung auf die Sitzung dient.

Nach früherer Rechtsprechung konnte ein Ladungsmangel nur geheilt werden, wenn ein vollständig versammelter Betriebsrat in der Betriebsratssitzung die Aufstellung oder Ergänzung der Tagesordnung einstimmig beschließt. An dieser Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht nicht festgehalten. Begründung: Mit der erforderlichen Einstimmigkeit wird dem Schutz der Willensbildung des Betriebsrats angemessen und hinreichend Rechnung getragen. Ist ein Betriebsratsbeschluss also wegen eines Ladungsfehlers verfahrensfehlerhaft, setzt eine Heilung nicht die Anwesenheit aller Mitglieder des Betriebsrats voraus; ein einstimmiger Beschluss der anwesenden Mitglieder reicht aus.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 15.04.2014, 1 ABR 2/13 (B)

Hessisches Landesarbeitsgericht, 25.07.2014, Urteil vom 14 Sa 167/13

Übernahme von Anwaltskosten nur bei ordnungsgemäßem Beschluss

Wenn der Betriebsrat eine rechtliche Vertretung benötigt, muss der Arbeitgeber die Kosten dafür übernehmen. Voraussetzung ist ein wirksamer Beschluss des Betriebsrats. Es reicht allerdings nicht aus, nur die Beauftragung an sich zu beschließen. Der Betriebsrat muss vielmehr jeden Auftrag des Anwalts vorab einzeln beschließen, also zum Beispiel auch, ob Rechtsmittel eingelegt werden. Denn: Der Betriebsrat ist gehalten, auf die Kosten zu achten. Ein Vorratsbeschluss für die Anwaltsbeauftragung für alle Instanzen darf deshalb nur in Ausnahmefällen gefasst werden, so das Bundesarbeitsgericht.

Wenn der Beschluss vor Einlegung des Rechtsmittels fehlt, bleibt der Betriebsrat auf den Kosten sitzen.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 18.03.2015, 7 ABR 4/13


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