Deutscher Gewerkschaftsbund

26.06.2015
Die Rechtsfrage 3/2015

Videoüberwachung am Arbeitsplatz: Was ist erlaubt, was nicht?

Darf mein Chef mich per Vi­deo über­wa­chen? Darf der Arbeitgeber heimlich filmen? Wie kann ich mich als Beschäftigter gegen eine Überwachungskamera wehren? Gegen die Bespitzelung klagen? Bestimmt der Betriebsrat bei Videoüberwachung mit? Hier die wichtigsten Antworten:

Neben neuen Möglichkeiten digitaler Überwachung ist die Überwachung von Mitarbeitern per Videokamera immer noch eines der häufigsten Instrumente, mit dem Arbeitgeber die Tätigkeit und das Verhalten ihrer Beschäftigten beobachten.

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Aber müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer es sich gefallen lassen, wenn ihr Arbeitgeber Überwachungskameras am Arbeitsplatz installiert? Nein, nicht in jedem Fall, wie diese Ausgabe der DGB-Rechtsfrage zeigt. Expertinnen und Experten der DGB Rechtsschutz GmbH geben Tipps und Hintergrundinfos.

26.06.2015
Die Rechtsfrage 3/2015 - Top-10-Liste - Überwachungskameras

Videoüberwachung am Arbeitsplatz: Die 10 wichtigsten Fragen und Antworten

Müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer es sich gefallen lassen, wenn ihr Arbeitgeber Überwachungskameras am Arbeitsplatz installiert? Nein, nicht in jedem Fall. Was kann man gegen Videoüberwachung im Job tun? Einiges. Hier die 10 wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema:

Überwachungskamera / CCTV

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LINK: Die 10 Fragen und Antworten plus weitere Infos gibt's auch bei der DGB-Rechtsschutz GmbH

1. Darf „einfach so“ per Video-Kamera am Arbeitsplatz überwacht werden?

Nein. Dafür gelten schon vor mitbestimmungs- und arbeitsrechtlichen Aspekten etliche Bedingungen. Wenn im öffentlichen Raum, also beispielsweise an Arbeitsplätzen, überwacht werden soll, dürfen „schutzwürdige Interessen“ der Betroffenen (also zum Beispiel die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten) nicht gegenüber den Interessen des Arbeitgebers (zum Beispiel deren Eigentumsrecht) überwiegen. Der Schutz der Rechte der von Überwachung betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wiegt also stark.

Deshalb müssen Arbeitgeber vor einer Videoüberwachung prüfen, ob sie ihr eigentliches Anliegen nicht auch ohne Überwachung erreichen können. Ist das der Fall, muss diese Alternative genutzt werden, statt Kameras zu installieren.

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2. Ist Videoüberwachung als Schutz vor Diebstahl am Arbeitsplatz erlaubt?

Wie gesagt: Arbeitgeber müssen vor einer Videoüberwachung prüfen, ob sie ihr eigentliches Anliegen nicht auch ohne Überwachung erreichen können. Ist das der Fall, muss diese Alternative genutzt werden. Besonders häufig wird Videoüberwachung am Arbeitsplatz von den Arbeitgebern damit begründet, dass Diebstähle durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verhindert werden sollen. Hier gilt: Können Diebstähle beispielsweise auch durch den Einbau von neuen Schlössern oder Türen verhindert werden, besteht kein Anlass Videokameras einzubauen, durch die zugleich Beschäftigte bei ihrer Tätigkeit gefilmt werden.

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3. Kameras auf der Toilette – dürfen die Sozialräume der Mitarbeiter, zum Beispiel das WC, Waschräume oder der Umkleideraum, mit Kameras überwacht werden?

Ganz klares NEIN! Videoüberwachungen in Bereichen, die „überwiegend der privaten Lebensgestaltung der Beschäftigten dienen“, sind grundsätzlich unzulässig, erklärt der DGB-Rechtsschutz. Das gilt insbesondere für WC, Sanitär-, Umkleide- und Schlafräume. Beschäftigte sind in diesen Räumen vor jeglicher Überwachung durch den Arbeitgeber zu schützen, da der Schutz der Intimsphäre hier überwiegt.

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4. „Vorsicht, Kamera!“ – Muss der Arbeitgeber die Beschäftigten über Videoüberwachung informieren?

Wenn eine Videoüberwachungsanlage im Einsatz ist, müssen die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer darauf hingewiesen werden. „Dass eine Beobachtung der Betroffenen erfolgt, ist diesen durch geeignete Maßnahmen bekannt zu machen. Dies kann am besten durch ein gut wahrnehmbares und möglichst im Zutrittsbereich der überwachten Fläche angebrachtes Schild erfolgen“, erklärt der DGB-Rechtsschutz.

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5. Heimlich überwacht: Ist verdeckte Videoüberwachung am Arbeitsplatz oder im Betrieb erlaubt oder verboten?

Grundsätzlich sind verdeckte Videoüberwachungen unzulässig. Es gibt aber Ausnahmen: Diese können „nach der Rechtsprechung dann gegeben sein, wenn ein aktueller Diebstahlverdacht besteht“, so der DGB-Rechtsschutz. In einer Entscheidung von 2012 (Az: 2 AZR 153/11), hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) ausgeführt, dass in Ausnahmefällen eine heimliche Videoüberwachung am Arbeitsplatz zulässig sein kann. Die Anforderungen an eine verdeckte Videoüberwachung sind allerdings sehr hoch. Nur wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers vorliegen, kann eine verdeckte Videoüberwachung möglich sein. Voraussetzung hierfür ist aber, dass weniger einschneidende Mittel ausgeschöpft wurden (siehe Frage 1. und Frage 2.) und die Videoüberwachung nicht unverhältnismäßig sein darf.

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6. Mitbestimmung: Kann der Betriebsrat bei Videoüberwachung mitbestimmen?

Ja. Wenn Videokameras eingesetzt werden sollen, ist der Betriebsrat zu beteiligen. Dieser Mitbestimmungsanspruch ergibt sich aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ist es, Eingriffe in den Persönlichkeitsbereich der Arbeitnehmer durch Verwendung anonymer technischer Kontrolleinrichtungen nur bei gleichberechtigter Mitbestimmung des Betriebsrats zuzulassen.

Den Gefahren einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts und des Rechts der Arbeitnehmer auf freie Entfaltung dieser Persönlichkeit (§ 75 BetrVG), die von technischen Überwachungseinrichtungen ausgehen können, soll durch eine mitbestimmte Regelung über die Einführung und nähere Nutzung solcher Einrichtungen begegnet werden.

Dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats kommt daher eine Abwehrfunktion gegenüber der Einführung solcher technischer Kontrolleinrichtungen zu, deren Einführung als solche nicht verboten ist und deren Anwendung unter Berücksichtigung der Interessen der Arbeitnehmer auch sinnvoll und geboten sein kann (BAG Beschluss vom 28.11.1989 – 1 ABR 97/88). Kommt keine Einigung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber im Hinblick auf die Installation von Videokameras zustande, so entscheidet gem. § 87 (2) BetrVG die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

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7. Dürfen Kamera-Attrappen, nicht eingeschaltete oder defekte Überwachungskameras am Arbeitsplatz angebracht werden?

Nicht in jedem Fall: Es kommt nämlich nicht darauf an, ob Kameras tatsächlich ein Bild wiedergeben oder aufzeichnen. Die reine Präsenz einer Kamera und die damit einhergehende Annahme der Betroffenen, dass sie beobachtet werden, können einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht darstellen. Das hat beispielsweise das Landgericht (LG) Bonn geurteilt (LG Bonn, Urteil vom 16.11.2004, Az.: 8 S 139/04): Schon der Einsatz von bloßen Kamera-Attrappen könne einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellen, da hierdurch bei den Betroffenen der Eindruck erweckt wird ständig überwacht zu werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) können Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche auch dann begründet sein, wenn durch eine vom Arbeitgeber installierte Kamera keine Videoaufzeichnungen erfolgen oder die Kamera gar nicht eingeschaltet ist: Nämlich dann, wenn sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch die potenzielle Beobachtung überwacht fühlen (BGH, Urteil vom 16.03.2010; Az.: VI ZR176/09).

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8. Kann der Betriebsrat bei Kamera-Attrappen mitbestimmen?

Nach aktueller Rechtsprechung: Nein. Bei der Einführung einer Kamera-Attrappe auf dem Betriebsgelände hat der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht. Die Attrappe einer Kamera ist objektiv nicht dazu geeignet, Arbeitnehmer zu überwachen und zu kontrollieren. Diese Auffassung vertritt das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern in einem Beschluss vom 12.10.2014, Az.: 3 TaBV 5/14 (Artikel der DGB Rechtsschutz GmbH zum Thema).

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9. Speicherfrist: Dürfen Videoaufnahmen vom Arbeitsplatz oder aus dem Betrieb gespeichert werden?

Nach § 6 Abs. 5 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) sind die Daten unverzüglich zu löschen, „wenn sie zur Erreichung des Zwecks nicht mehr erforderlich sind oder schutzwürdige Interessen der Betroffenen einer weiteren Speicherung entgegenstehen“, erklärt der DGB-Rechtsschutz die Rechtslage. Eine konkrete Frist existiert allerdings nicht. Einige Aufsichtsbehörden vertreten die Auffassung, dass Daten aus Videoüberwachungen maximal 72 Stunden gespeichert werden dürfen. Das ist jedoch keine bindende Vorgabe. Für die Speicherdauer ist der Zweck maßgebend. Wenn der konkrete Zweck der Erhebung wegfällt, sind die Daten unverzüglich zu löschen. Ein mögliches Beispiel: Wenn per Videoüberwachung sichergestellt werden soll, dass Besucher eines Straßenfestes in der Nähe des Betriebs nicht unbefugt auf das Betriebsgelände eindringen, entfällt mit Ende des Straßenfestes auch der „Zweck der Erhebung“ – die Daten (also die Aufnahmen) wären dann zu löschen.

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10. Mein Chef „spioniert“ – wie kann ich mich als Arbeitnehmer gegen Videoüberwachung durch den Arbeitgeber wehren?

Wer als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer die Vermutung hat, einer unzulässigen Videoüberwachung ausgesetzt zu sein, sollte grundsätzlich wie folgt vorgehen: Wenden Sie sich an den Betriebsrat und/oder an die Gewerkschaft. Denkbar ist auch den/die Datenschutzbeauftragte/n hinzuzuziehen. Es besteht auch die Möglichkeit, sich an die jeweilige Aufsichtsbehörde zu wenden, die für Ihr Bundesland zuständig ist. Vor allem aber: Greifen Sie nicht ohne rechtliche Beratung und Absicherung zur „Eigenjustiz“ und bauen Kameras beispielsweise einfach ab. Welche rechtlichen Mittel Sie haben? Lesen Sie dazu auch unseren Beitrag: "Verbotene oder heimliche Videoüberwachung durch den Chef - wie kann ich mich wehren?".

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