Deutscher Gewerkschaftsbund

16.03.2023
Sozialwahl 2023

Wofür sich Gewerkschafter*innen in der Selbstverwaltung einsetzen

Vier Personen, die für Gewerkschaftslisten bei der Sozialwahl kandidieren, berichten

Matti-Sofia, Luise, Sylvi und Reinhard kandidieren bei der Sozialwahl 2023 für die Selbstverwaltung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Warum engagieren sie sich für die Rechte von Versicherten? Was haben sie bereits umgesetzt, um die Kranken- und Pflegeversicherung gerechter zu machen? Vier Kandidat*innen aus DGB-Gewerkschaften erzählen aus ihrem Alltag, was sie umtreibt und wie sie beispielsweise Krebstherapien verbessern konnten.

"Gesundheit nach einer Krankheit, das interessiert mich. Mir ist das wichtig."

Junge, Schwarze Frau steht vor Tafel und lächelt.

Matti-Sofia Kanyi kandidiert bei der Sozialwahl 2023 für den Verwaltungsrat. DGB/Christian Plambeck

Mal etwas anpacken, das nicht alle machen – das probieren junge Menschen gerne aus. Was sich Matti-Sofia Kanyi, die gerade 28 Jahre alt geworden ist, ausgesucht hat, ist allerdings ungewöhnlich: Sie kandidiert auf der ver.di-Liste für den Verwaltungsrat der Techniker Krankenkasse (TK). "Gesundheit nach einer Krankheit, das interessiert mich. Mir ist das wichtig", sagt sie. Wofür sie sich einsetzen will? "Man kann im Gesundheitssektor viel mehr bei der Digitalisierung machen. Das will ich dort auch vorantreiben", sagt Kanyi. 

  • Mehr dazu lesen, warum Matti-Sofia Kanyi bei der Sozialwahl kandidiert

    Kein Wunder, das Thema Gesundheit begleitet sie schon eine Weile. Sie hat zwar gerade ihren Master in Wirtschaftspsychologie gemacht, aber davor schon Fitnessökonomie studiert und als Fitnesstrainerin gearbeitet. Aber nicht nur das, sie interessiert sich auch seit Langem für Politik: "Ich bin mit Politik aufgewachsen und bin auch schon lange ver.di-Mitglied. Viele meiner Freundinnen und Freunde sind Gewerkschaftsmitglieder, das ist normal." Als die Beschäftigten der Berliner Krankenhäuser 2021 einen Tarifvertrag erstreikten, ging sie aus Solidarität mit auf die Straße.

    Im Verwaltungsrat Digitalisierung des Gesundheitssektors zum Thema machen: "Das will ich dort auch vorantreiben."

    Als sie nach einer Möglichkeit für ein Engagement suchte, stieß sie bei ver.di auf den Verwaltungsrat. Andere berichteten von den Sitzungen des Rates, dass dort zentrale Fragen entschieden werden. Sie ist selbst Mitglied bei der TK. "Ich bin mit meiner Kasse sehr zufrieden. Ich habe die App und nutze sie auch gerne – man kann dort zum Beispiel Bescheinigungen für das Studium hochladen. Da sind wir auch schon bei einem Thema, von dem ich hoffe, dass ich das einbringen kann: Man kann im Gesundheitssektor viel mehr bei der Digitalisierung machen. Das will ich dort auch vorantreiben", sagt Kanyi.

    Sie trifft damit auf einen Trend. Die Digitalisierung ging in den Kassen lange nur sehr langsam voran. Mittlerweile wird aber das Potenzial erkannt, nicht nur bei der elektronischen Patientenakte (ePA), die es seit 2021 gibt. Individuelle Angebote für die Versicherten, Telemedizin, um Ärzt*innen zu entlasten und Patient*innen lange Wege zu ersparen, oder auch automatisierte Prozesse und der Einsatz von Robotern: Hier kommt gerade sehr viel in Bewegung. Verwaltungsräte können über solche strukturellen Fragen mitbestimmen, sich informieren und Diskussionen anregen. "Ich bin gespannt, wieviel Raum es für Mitbestimmung im Verwaltungsrat gibt", sagt die Kandidatin.

    Sozialwahl 2023: "Geht wählen!"

    Dass in den Verwaltungsräten der Kassen oft ältere Menschen mitarbeiten, nicht nur bei der TK, schreckt sie nicht ab. "Im Gegenteil – das ist für mich eher ein Anstoß, mitzumachen. Vielfalt ist mir grundsätzlich wichtig, ich finde es gut, wenn es möglichst eine Mischung unterschiedlicher Menschen gibt", sagt sie. Wenn sie gewählt wird, wird sie auch gefragt werden, in welchem Ausschuss sie mitmachen möchte – Hauptausschuss, Finanzausschuss, sozialpolitischer Ausschuss oder einer der Widerspruchsausschüsse, die es in der TK gibt. "Erst einmal muss ich reinkommen", sagt sie. Kanyi ist nicht Spitzenkandidatin, sondern etwas weiter unten in der Liste. "Ich hoffe aber, dass es trotzdem klappt." Bis dahin will sie Werbung machen, vor allem bei ihren Freund*innen. "Viele haben die Briefe zur Sozialwahl bisher total übersehen und nicht für wichtig gehalten. Jetzt reden wir drüber – und ich sage ihnen, geht wählen!", sagt Kanyi.

"Ich möchte, dass Menschen alles bekommen, was sie brauchen, um gesund zu werden oder zu bleiben."

Junge Frau auf einer Brücke, im Hintergrund ein Fluss und Hochhäuser.

Sylvi Krisch sitzt im Verwaltungsrat und kandidiert bei den Sozialwahlen 2023 auf Platz Eins. DGB/Christian Plambeck

Die Barmer Krankenkasse ist eine der größten Kassen in Deutschland. Neun Millionen Menschen sind bei ihr versichert und verlassen sich darauf, dass die Kasse alles versucht, um ihnen zu helfen. Die Kasse, das sind Tausende Mitarbeiter*innen – und Sylvi Krisch. "Ich möchte, dass Menschen alles bekommen, was sie brauchen, um gesund zu werden oder zu bleiben. Und dass jede und jeder gleich gut versorgt wird, egal, woher ein Mensch kommt, wieviel er hat und wieviel er verdient", sagt sie. Und darauf hat sie Einfluss.

  • Im Zentrum der Entscheidungen: Mehr lesen zu Sylvi Krischs Tätigkeit in der Selbstverwaltung

    Denn Krisch sitzt im Verwaltungsrat der Barmer und kandidiert bei den Sozialwahlen 2023 auf Platz Eins: Sie ist Spitzenkandidatin von ver.di für die Barmer. "Verwaltungsrat" klingt nach trockener Arbeit. Krisch weiß, dass die Arbeit aber wichtig ist – und auch spannend. "Es geht bei uns unter anderem darum, ob der noch leichtere Rollstuhl genehmigt werden kann. Oder welche Krebstherapien neu sind, ob und wie sie erprobt werden. Aber auch um ganz andere Fragen, wie neue digitale Angebote für die Mitglieder", sagt sie. Als Verwaltungsrätin hört sie viele Stimmen zu den Themen und lernt die Grundlagen für teure Entscheidungen kennen. "Dazu werden Expertinnen und Experten eingeladen, die berichten, was möglich ist und was erforscht wird. Danach muss entschieden werden, ob die Kasse überhaupt Spielraum hat, oder ob die Politik auch zuständig ist. Wir entscheiden auch, ob ein Vorschlag erst einmal probehalber läuft. Gleichzeitig gilt immer die Frage – was kostet das? Es geht ja um die Versichertenbeiträge", erklärt sie. "Tatsache ist: Wenn jemand im Krankenhaus ist, werden einige Leistungen von der Krankenkasse bezahlt und andere nicht – ich finde aber, dass alle Leistungen übernommen werden müssen und Versicherte nicht in die Situation kommen dürfen, sich etwas nicht leisten zu können." Dafür setzt sie sich im Verwaltungsrat ein.

    Arbeit im Verwaltungsrat: "Es geht um die Verteilung von Geld."

    Bei der Barmer sitzt Krisch im Finanzausschuss – und da es immer irgendwann ums Geld geht, ist sie damit im Zentrum der Entscheidungen. Dort wird unter anderem diskutiert, ob und wie hoch Zusatzbeiträge werden müssen. Dafür wälzen die Ausschussmitglieder Berichte und erhalten Prognosen. "Es geht um die gerechte Verteilung von Geld, nicht mehr und nicht weniger", sagt sie. Details darf sie nicht erzählen, sie unterliegt der Schweigepflicht. Der Finanzausschuss trifft sich vier Mal pro Jahr, aber die Mitglieder, die alle ehrenamtlich arbeiten, müssen sich auf jede Sitzung ausführlich vorbereiten.

    Seit etwas mehr als einem Jahr sitzt sie im Verwaltungsrat der Barmer. "Ich habe zwei Ziele: Erstens die gute Versorgung von gesunden und kranken Menschen. Nichts ist wichtiger als die Gesundheit. Die Selbstverwaltung muss für praxisbezogene und basisorientierte Lösungen im Interesse der Versicherten stehen", sagt sie. "Mein zweites Ziel: Dass mehr Menschen an der Sozialwahl teilnehmen. Vor allem jüngere Menschen wissen nicht, wie wichtig es ist, hier mitzubestimmen und damit demokratische Rechte wahrzunehmen." Und sie sollten nicht nur teilnehmen, sondern sich auch aktiv in den Gewerkschaften für die Selbstverwaltung engagieren: "Es ist wichtig, dass mehr junge Menschen in den Verwaltungsrat kommen; sie haben einen anderen Blick, der wird gebraucht."

    Ehrenamt in der Selbstverwaltung: "Wenn ich was voranbringen möchte, dann muss ich mich einsetzen."

    Die 43-Jährige ist gelernte Kauffrau für Bürokommunikation. Seit 2002 arbeitet sie als Gewerkschaftssekretärin bei ver.di: von 2012 an hat sie die Tarifverhandlungen für die Barmer geführt, dann war sie Fachgruppenleiterin für die gesetzliche Krankenversicherung, seit Kurzem leitet sie den Tarifbereich bei ver.di, der für private Dienstleistungen, Sozialversicherung und Verkehr zuständig ist. Sie kennt Krankenkassen in- und auswendig, hat mit Streikenden auf der Straße gestanden und ist inzwischen eine harte Verhandlerin.

    An Leidenschaft für die Aufgabe fehlt es der geborenen Lausitzerin nicht. Sie ist schon mit 16 Jahren in die Gewerkschaft eingetreten. Sie habe früh gelernt: "Wenn ich was voranbringen möchte, dann muss ich mich einsetzen", sagt sie. Trotzdem bleibt immer noch Zeit für die Familie, mit der sie seit Langem in Berlin lebt. Und für Reisen, ihre zweite Leidenschaft. Nicht nur in den Urlaub – ihre interessanteste Reise führte sie mit der Gewerkschaft ver.di nach Südkorea, um sich das dortige Gesundheitssystem anzuschauen.

"Uns geht es nicht nur um die Gegenwart, sondern auch um die Zukunft."

Frau mit kurzen Haaren und Brille steht vor dunklem Hintergrund.

Luise Klemens ist Mitglied im Verwaltungsrat und arbeitet im Hauptausschuss mit. DGB/Christian Plambeck

Lange Zeit war es nicht möglich, jedenfalls nicht auf Kosten der Kasse: bei einer Krankheit den Arzt oder die Ärztin wechseln und sich eine zweite Meinung einholen, die die Krankenkasse auch bezahlt. Vor allem bei Verdacht auf Krebs forderten Versicherte immer wieder bei den Kassen ein, dass dies möglich sein muss. Und sie waren erfolgreich, mittlerweile werden die Kosten übernommen. Luise Klemens ist Mitglied im Verwaltungsrat der DAK-Gesundheit und setzt sich dort dafür ein, dass Leistungen verbessert werden für die Versicherten.

  • Was hat Luise Klemens Engagement mit gendergerechter Medizin zu tun? Mehr lesen

    Luise Klemens ist nicht im Widerspruchsausschuss, aber mit diesem Beispiel erklärt sie gerne, wie die Ausschüsse in einer Krankenkasse zusammenarbeiten, und warum jeder Ausschuss wichtig ist. "Wenn sich zum Beispiel zehn Prozent der Beschwerden um ein Thema drehen, dann muss gehandelt werden. So war das auch bei der Zweitmeinung", sagt Klemens. Sie sitzt für die ver.di-Liste im Hauptausschuss der DAK. "Der Widerspruchsausschuss ist also nicht nur für den einzelnen Versicherten wichtig, sondern darüber hinaus. Im Hauptausschuss wird dann diskutiert, auch ob es juristisch möglich ist – und dann kann man eine Leistungsänderung herbeiführen."

    Verwaltungsrätin Klemens: "Wir beobachten Trends und Innovation." 

    Ihr Amt hat die ver.di-Landesbezirksleiterin in Bayern seit 2011. Die DAK Gesundheit ist eine der größten Krankenkassen in Deutschland. Klemens schätzt die Arbeit im Hauptausschuss. Dort werden alle Entscheidungen vorbereitet, die nicht am Sitzungstag des Verwaltungsrates entschieden werden können. Zwar werden hier nicht die Details verhandelt, aber der Ausschuss bestimmt die Strukturen. "Wir beobachten Trends und Innovationen. Und wir können den Fachabteilungen auch mal sagen, beschäftigt euch damit, das ist oder wird wichtig", sagte Klemens.

    Wie zum Beispiel gendergerechte Medizin: Frauen sterben viel häufiger an Herzinfarkten als Männer, obwohl sie seltener einen haben. Der Grund: Ein Herzinfarkt äußert sich bei Frauen oft mit anderen Symptomen als bei Männern. Da ist es nicht der stechende Schmerz im Arm, sondern auch mal kalter Schweiß und Müdigkeit – und der Herzinfarkt wird nicht entdeckt. Was kann getan werden, damit Frauen besser geschützt werden? Oder es geht um Medikamente, die vorrangig bei Männern erprobt werden, aber bei Frauen anders wirken. "Über diese Themen wird im Hauptausschuss diskutiert. Uns geht es nicht nur um die Gegenwart, sondern auch um die Zukunft", sagt Klemens.

    "Die Kasse gehört niemandem, sie gehört den Versicherten, deswegen ist Engagement so zentral, und deshalb ist die Sozialwahl so wichtig."

    Die 1963 geborene Oberpfälzerin, die gerne Motorrad fährt, hat zunächst Schauwerbegestalterin gelernt. In diesem Beruf kümmert man sich um die Dekoration in Geschäften oder auf Veranstaltungen. Klemens trat mit 17 Jahren in die Gewerkschaft ein und wurde Betriebsrätin im Kaufhaus "Hertie". Seit 1990 arbeitet sie hauptamtlich als Gewerkschafterin, seit 2010 ist sie Landesbezirksleiterin von ver.di in Bayern. Dass Menschen sich in ihrer Krankenkasse engagieren, ist ihr wichtig: "Die Kasse gehört niemandem, sie gehört den Versicherten, deswegen ist Engagement so zentral, und deshalb ist die Sozialwahl so wichtig", sagt sie. Wenn Freunde bei einer Krankenkasse unzufrieden seien und wechseln wollen, gebe sie immer erst eine Empfehlung: "Das ist Deine Kasse. Beschwer dich!"

    Verwaltungsrat: "Wenn man etwas gestalten will, wovon viele Menschen etwas haben, dann ist das der richtige Ort."

    Ein weiteres Zukunftsthema, das ihr am Herzen liegt, ist der Datenschatz – und das Potenzial, das in den Daten liegt. "Kassen verfügen über eine enorme Zahl wichtiger Daten. Sie zeigen, welche Therapien helfen, oder welche Krankheiten sich häufen. Das auszuwerten, wäre gut. Aber es muss gesichert sein, dass die Daten nicht an die Öffentlichkeit kommen. Denn es ist etwas anderes, ob Bankdaten publik werden – das ist ärgerlich, aber änderbar – oder ob plötzlich jeder sehen kann, welche Krankheiten behandelt wurden", sagt Klemens. Datenschutz und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung seien in Gewerkschaften seit Langem ein wichtiges Thema.

    Für die Kasse nimmt sich Klemens trotz ihres vollen Kalenders als Landesbezirksleiterin so viel Zeit wie möglich. "Es ist viel Arbeit, auch wenn einiges Routine wird. Aber ich habe wahnsinnig viel gelernt!", sagt sie. Notfalls kann sie sich auch von kompetenten Kolleg*innen vertreten lassen. Derzeit ist sie Spitzenkandidatin auf der ver.di-Liste. "Ich kann jedem nur empfehlen, bei der Sozialwahl zu kandidieren. Wenn man etwas gestalten will, wovon viele Menschen etwas haben, dann ist das der richtige Ort."

"Versicherte haben Rechte!"

Mann mit Schnurrbart steht in einem Garten.

Reinhard Mehnert setzt sich im Verwaltungsrat für die Rechte von Versicherten ein. DGB/Christian Plambeck

Wenn Reinhard Mehnert von seiner Krankenkasse spricht, kann er richtig emotional werden. "Versicherte haben Rechte!", das sagt er nicht nur so dahin. Für diese Rechte setzt sich der ehemalige Schlosser seit 16 Jahren im Verwaltungsrat der Kaufmännischen Krankenkasse, kurz KKH, ein.

  • Wo geht es auch mal kämpferisch zu? Mehr lesen, was Reinhard Mehnert im Widerspruchsausschuss erlebt hat

    Begonnen hat es eher mit einem Zufall. Mehnert war damals Personalratsvorsitzender beim kommunalen Wasserverband Lausitz, und seine Gewerkschaft IGBCE suchte jemanden, der Lust hat, im Verwaltungsrat der KKH mitzuarbeiten. Mehnert wollte – und saß dann gleich da, wo es kämpferisch werden kann: im Widerspruchsausschuss. An diesen Ausschuss können sich Versicherte wenden, wenn sie mit einer Entscheidung der Krankenkasse nicht einverstanden sind. Eine nicht genehmigte Therapie, die verweigerte Kostenübernahme für ein besonderes und teures Medikament, oder auch ein solcher Fall: Ein Mann baut sich einen billigen und guten Drehstuhl in sein Auto, um mit seiner Behinderung besser aussteigen zu können – und die Kasse will die Ausgaben nicht ersetzen, weil der Stuhl nicht aus einem Vertragssanitätshaus kam. "Dabei war das, was der Mann sich ausgesucht hatte, billiger", sagt Mehnert. Der Versicherte gewann – mit Hilfe der Gewerkschaftsmitglieder im Ausschuss. "Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren." Es seien viel zu wenige, die sich für etwas engagieren, das sie selbst erschaffen haben: die Krankenversicherung, sagt Mehnert.

    Gewerkschafter im Verwaltungsrat: "Aber ist das gerecht?"

    Später wechselte er in den Satzungs-, Haushalts- und Rechnungsprüfungsausschuss. Dieser Ausschuss bereitet alle Anträge vor, damit die insgesamt 30 Verwaltungsräte gut vorbereitet sind, wenn sie sich treffen, und gibt Empfehlungen, wie die Entscheidung aussehen könnte. Auch in diesem Ausschuss wird gründlich diskutiert: "Da geht es zum Beispiel um die Reiseschutzimpfung. Die wird von vielen Kassen übernommen. Aber ist das gerecht? Wenn sich jemand eine weite Reise leisten kann, müsste doch dafür Geld da sein. Ich finde, dass das Geld woanders besser investiert wäre", sagt Mehnert. Seine Meinung sagen, auch wenn sie nicht allen passt – das sei wichtig: "Wenn es niemand macht, verstummen wir. Man muss Mehrheiten akzeptieren, aber man kann immer seine Meinung sagen."

    Für Sozialwahl kandidieren: "Engagiert euch!"

    Eine wichtige Debatte sei auch, wie gut die ambulante und die stationäre Versorgung verzahnt sind, also wie jemand gut weiterversorgt wird, wenn er das Krankenhaus verlässt. Das fängt bei einem besseren Austausch von Dokumenten an, oder bei mehr Zusammenarbeit zwischen dem Krankenhausarzt und der danach behandelnden Ärztin. "Das muss besser miteinander verbunden werden. Wir sprechen das immer wieder an. Man kann zum Beispiel Zwischenschritte einbauen zwischen der Krankenhausversorgung und der ambulanten Versorgung", sagt Mehnert. Thema sei auch, warum Kassen und Krankenhäuser so oft über Rehabilitationsmaßnahmen streiten – die Krankenhäuser empfehlen sie, die Kassen übernehmen aber oft die Kosten nicht. "Ich vertrete die Versicherten gerne, schließlich sind es ihre Rechte, um die es geht", sagt er.

    Der energiegeladene Gewerkschafter greift auch gerne zu ungewöhnlichen Maßnahmen. Bei einem Ausflug nach Berlin schlug er abends beim Bier dem Verwaltungsratsvorsitzenden vor, gemeinsam den Fraktionsvorsitzenden seiner Partei zu treffen und mit ihm über die Anliegen der Krankenkasse zu sprechen. Der Fraktionsvorsitzende hatte Zeit – das Treffen fand statt.

    Mehnert ist jetzt in Rente, 2023 bis 2030 wird seine letzte Amtsperiode sein. Langweilig wird ihm sowieso nicht, er ist verheiratet, hat zwei erwachsene Kinder und ist begeistertes Mitglied im örtlichen Schützenverein. Mit den Erfahrungen, die er im Verwaltungsrat gemacht hat, kann er Gewerkschafter*innen nur empfehlen: "Engagiert euch! Es ist nicht irgendeine Verwaltung, es ist eure Verwaltung. Und nehmt an den Online-Wahlen zur Sozialwahl teil!"


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