Deutscher Gewerkschaftsbund

17.05.2019
Fragen und Antworten

Tarifrunde Leiharbeit 2019/2020: FAQs

Im Herbst 2019 starten die Tarifverhandlungen in der Leiharbeit. Doch was wird dabei eigentlich ausgehandelt? Welche Tarifverträge gibt es und wie hängen sie zusammen? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Hand schaltet Glühbirne ein

DGB/olegdudko/123RF.com

HINTERGRUND

  • Welche Tarifverträge gibt es in der Leiharbeit?

    Es gibt im Wesentlichen fünf verschiedene Tarifverträge in der Leiharbeit.

    • Entgelttarifverträge: regeln die Entgelthöhen für Ost und West, wobei ab dem 01.04.2021 die Entgelttabelle Ost endgültig entfällt.
    • Entgeltrahmentarifverträge: regeln die Eingruppierungsgrundsätze und definieren die unter-schiedlichen Entgeltgruppen für die jeweilige Eingruppierung.
    • Mindestlohntarifvertrag: regelt auf Basis der Höhe der untersten Entgeltgruppen im Entgelttarifvertrag die Mindeststundenentgelte für Ost und West. Die Mindeststundenentgelte können auf Antrag der Tarifvertragsparteien nach Abschluss eines neuen Mindestlohntarifvertrags durch das Bundesarbeitsministerium (als Lohnuntergrenze in der Leiharbeit) in einer Rechtsverordnung verbindlich festgelegt werden. Dies ermöglicht § 3 a AÜG (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz). Erst mit Inkrafttreten der Rechtsverordnung gibt es einen verbindlichen Branchenmindestlohn in der Leiharbeit zugunsten aller Leiharbeitnehmenden. Denn die Rechtsverordnung wirkt wie ein Gesetz und ist Anspruchsgrundlage für alle Beschäftigten.
    • Manteltarifverträge: regeln z. B. die Arbeitszeit, die Arbeitszeitkonten, die Zuschläge für Nacht- und Mehrarbeit, die Urlaubsgewährung und das Urlaubs- und Weihnachtsgeld.
    • Branchenzuschlagstarifverträge einiger DGB-Gewerkschaften: regeln Zuschläge für Beschäftigte der Leiharbeit in bestimmten Branchen. Einen Überblick über derzeit bestehende Branchenmindestlöhne gibt es hier.
  • Wie hängen die Tarifverträge zusammen?

    Die unterste Lohngruppe im Entgelttarifvertrag ist die Grundlage für den Mindestlohntarifvertrag. Der Mindestlohntarifvertrag ist wiederum Grundlage für die Lohnuntergrenze in der Rechtsverordnung, die durch das Bundesarbeitsministerium erlassen wird.

    Das Besondere ist, dass die Lohnuntergrenze in der Rechtsverordnung auch in der verleihfreien Zeit gilt. Dabei sind jeweils die unterste Lohngruppe für Ost und West im Mindestlohntarifvertrag und im Entgelttarifvertrag identisch.

    Ohne einen neuen Entgelttarifvertrag kann also kein Mindestlohntarifvertrag in der Leiharbeit geschlossen werden, denn damit würde die Grundlage für eine verbindliche Lohnuntergrenze jenseits des gesetzlichen Mindestlohns fehlen. Ohne einen Mindestlohntarifvertrag gäbe es dann keinen für alle verbindlichen höheren Branchenmindestlohn in der Leiharbeit mehr.

    Zugleich bilden die Entgelttarifverträge der DGB-Tarifgemeinschaft die Grundlage für die sogenannten Branchenzuschläge in der Leiharbeit, die durch einige der DGB-Mitgliedsgewerkschaften (IG BCE, IG Metall, EVG und ver.di) für bestimmte Branchen tariflich vereinbart wurden. Danach sind ab einer bestimmten Überlassungsdauer zusätzlich zu den tarifvertraglichen Entgelten prozentuale Aufschläge zu zahlen.

  • Was beinhaltet der Gleichbehandlungsgrundsatz im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG)? Gibt es eine eindeutige Equal-Pay-Regelung im Gesetz?

    Seit dem 01.01.2004 gilt der sogenannte "Equal Pay"-Grundsatz im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (§ 9 Nr.2 AÜG). Danach sind Vereinbarungen zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmenden unwirksam, die für die Leiharbeitnehmenden ein schlechteres Arbeitsentgelt vorsehen, als für vergleichbare Arbeitnehmer des Entleihers. Diese Regelung gilt allerdings nur während der Verleihzeit, nicht aber während der verleihfreien Zeit.

    Hinzu kommt, dass dieser Equal Pay-Grundsatz nur eingeschränkt gilt. Das AÜG ermöglicht vielmehr den Tarifpartnern, vom Grundsatz des Equal Pay mit Tarifverträgen abzuweichen (die sogenannte Tariföffnungsklausel). Nach der Reform des AÜG in 2017 ist eine Abweichung von Equal Pay nur für neun Monate einer Beschäftigung möglich. Darüber hinaus ist eine Abweichung nur dann möglich, wenn ein Tarifvertrag zugleich die stufenweise Heranführung an den gleichen Lohn vorsieht.

    Von der Tariföffnungsklausel haben die sogenannten christlichen Gewerkschaften in der Vergangenheit umfassend Gebrauch gemacht, um sehr niedrige Tarifstandards in der Leiharbeit zu etablieren. Die DGB-Mitgliedsgewerkschaften haben sich damals entschieden, mit eigenen Tarifverträgen ein im Vergleich dazu besseres Tarifniveau zu vereinbaren, auch um den christlichen Gewerkschaften nicht das Regelungsfeld zu überlassen.

    Durch Bezugnahme auf einen Tarifvertrag erlaubt das AÜG außerdem, im Arbeitsvertrag vom Equal Pay-Grundsatz abzuweichen. Dies wird von den nicht tarifgebundenen Arbeitgebern häufig dazu genutzt, um weiterhin flächendeckend Tarifverträge anzuwenden, die vom Gleichbehandlungsgrundsatz abweichen. DGB und Mitgliedsgewerkschaften kritisieren seit Jahren die Verwässerung des gesetzlichen Equal Pay-Grundsatzes und fordern, die unionsrechtswidrige Bezugnahmeklausel im AÜG abzuschaffen.

    Einige DGB-Gewerkschaften haben selbst eine Annäherung der Löhne der Leiharbeitnehmenden an Equal Pay tariflich festgelegt: nach einer bestimmten Überlassungsdauer von Leiharbeitnehmenden in einem Entleihbetrieb werden Branchenzuschläge fällig, die auf die Entgelte der Tarifverträge der DGB-Tarifgemeinschaft zu zahlen sind. Dies bedeutet für die Leihbeschäftigen, erhebliche Gehaltsverbesserungen und bewirkt eine beachtliche Annäherung ihrer Löhne an die Löhne der Stammbelegschaft. Zusammen mit den Tarifverträgen der DGB-Mitgliedsgewerkschaften in der Leiharbeit bieten die Tarifverträge über die Branchenzuschläge eine klare und transparente Grundlage für die Lohnberechnung der Betroffenen.

    Eine flächendeckende Regulierung der Leiharbeit über Branchenzuschläge wird jedoch kaum möglich sein. Zum einen sind nicht alle Branchen davon erfasst, zum anderen müssten neben den Leiharbeitsverbänden auch die Arbeitgeberverbände der Entleiher auf Branchenebene die Zuschläge wirtschaftlich akzeptieren, damit sie Wirkung entfalten können. 

  • Wie sind Tariföffnungsklausel und Bezugnahmeklausel ins AÜG gekommen?

    Als die gesetzlichen Regelungen der Leiharbeit im Zuge der Hartz-Reformen 2003 flexibilisiert werden sollten, haben die DGB-Gewerkschaften durchgesetzt, dass im AÜG der Gleichbehandlungsgrundsatz in der Leiharbeit festgelegt wird. Dies war jedoch nur um den Preis einer Tariföffnungsklausel möglich.

    Die Gewerkschaften erklärten sich also bereit, Tarifverträge in der Leiharbeit abzuschließen, um den Gleichbehandlungsgrundsatz in der Umsetzung praktikabel zu machen. Für die Leiharbeitnehmenden hatte dies den Vorteil, dass erstmals Flächentarifverträge abgeschlossen werden konnten und damit vor allem auch Regelungen für die verleihfreie Zeit vereinbart wurden, die die Beschäftigten in der Leiharbeit deutlich besser stellten.

    Im Vermittlungsausschuss des Bundestages wurde allerdings zugleich die sogenannte Bezugnahmeklausel vereinbart. Wenn im Arbeitsvertrag auf einen Tarifvertrag Bezug genommen wird, erlaubt sie die die Abweichung vom Gleichbehandlungsgrundsatz. Dadurch haben es die Arbeitgeber in der Hand, flächendeckend vom Gleichbehandlungsgrundsatz abzuweichen.

    Dies nutzten die sogenannten christlichen Gewerkschaften seit 2003 aus und schlossen mit den Arbeitgeberverbänden Dumping-Tarifverträge mit sehr niedrigen Entgelten ab. Die von den Mitgliedsgewerkschaften in der DGB-Tarifgemeinschaft mit den Arbeitgeberverbänden in der Leiharbeit parallel ausgehandelten Tarifverträge mit höheren Entgeltstandards mussten auf Druck der Arbeitgeber angepasst werden, um überhaupt zu einem Abschluss zu kommen. Die Lohndumpingstrategie der sogenannten christlichen Gewerkschaften ging damit also voll auf.

Bauarbeiter mit Helm zeigt Faust

DGB/catalin205/123RF.com

AKTUELLE TARIFRUNDE

  • Worum geht es bei den Tarifverhandlungen in der Leiharbeit ab Herbst 2019/2020?

    Die Mitgliedsgewerkschaften des DGB verhandeln ab Herbst 2019 als DGB-Tarifgemeinschaft über die Tarifverträge in der Leiharbeit mit den Arbeitgeberverbänden, Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP) und Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ).

    Dabei geht es sowohl um die Entgelttarifverträge, die die Löhne in den verschiedenen Entgeltgruppen für die Leiharbeitnehmenden festlegen, als auch um die Manteltarifverträge sowie die Entgeltrahmentarifverträge.

    Im Entgelttarifvertrag geht es in erster Linie um eine deutliche Erhöhung der Löhne, vor allem auch in den unteren Entgeltgruppen. Die beiden untersten Lohngruppen der Entgelttarifverträge bilden die Grundlage für die Mindeststundenentgelte im Mindestlohntarifvertrag, der ebenfalls neu verhandelt wird.

    Der Branchenmindestlohn in der Leiharbeit liegt seit dem 01.04.2019 bei 9,79 € (West) und 9,49 € (Ost). Er erhöht sich zum 01.10.2019 noch einmal auf 9,96 € (West) und 9,66 € (Ost).

    Die Manteltarifverträge regeln alle wichtigen Arbeitsbedingungen der Leiharbeitnehmenden, die über den Lohn hinausgehen. Dies betrifft insbesondere Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld, die Anzahl der Jahresurlaubstage sowie Regelungen zu Zuschlägen bei Nacht-, Sonntags-, Feiertags- und Mehrarbeit. Mit Blick auf andere Branchen sind hier in der Leiharbeit dringend Verbesserungen nötig.

    Der Entgeltrahmentarifvertrag regelt die Struktur der Entgelte. Er beschreibt, die einzelnen Entgeltgruppen mit einem Tätigkeitsprofil und legt Verbindungen und Zusammenhänge zwischen den Entgeltgruppen fest. Auch in diesem Tarifvertrag gibt es veränderungsbedarf.

  • Wer führt die Verhandlungen auf Arbeitnehmerseite? Wer führt sie auf der Arbeitgeberseite?

    Die Tarifverhandlungen führen auf Seiten der Gewerkschaften die Mitgliedsgewerkschaften des DGB unter dem Dach der DGB-Tarifgemeinschaft Leiharbeit. Zusätzlich wurden bei den DGB-Mitgliedsgewerkschaften Tarifkommissionen gebildet, in die Leiharbeitnehmende eingebunden sind. Diese beraten und bewerten die Verhandlungspositionen und entscheiden am Ende auch für die jeweilige DGB-Gewerkschaft über ein mögliches Ergebnis.

    Auf Seiten der Arbeitgeber führen Vertreter/-innen der zwei Arbeitgeberverbände in der Leiharbeit, Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP) und Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) die Verhandlungen.

  • Wie lang ist die Laufzeit der bestehenden Tarifverträge? Müssen sie gekündigt werden oder laufen sie automatisch aus?

    Das hängt davon ab, um welche Tarifverträge es geht.

    Alle Tarifverträge in der Leiharbeit, mit Ausnahme des Mindestlohntarifvertrags, sind so lange gültig, bis sie gekündigt werden. Die Entgelt- und Entgeltrahmentarifverträge sind mit einer Frist von 6 Monaten erstmals zum 31.12.2019 kündbar. Die Manteltarifverträge sind mit einer Frist von 6 Monaten kündbar. Werden die Tarifverträge gekündigt und nicht neu verhandelt, stellen sich Fragen zur sogenannten Nachwirkung, die unter Jurist/-innen nicht einheitlich beantwortet werden.

    Beim Mindestlohntarifvertrag ist dies anders: dieser Tarifvertrag trat zum 01.01.2017 in Kraft und endet am 31.12.2019 ohne jegliche Nachwirkung. Gleiches gilt auch für die Rechtsverordnung über die verbindliche Lohnuntergrenze, die ebenfalls nicht nachwirkt. Erst die Rechtsverordnung erfasst alle Leiharbeitnehmenden und Leiharbeitsunternehmen, insbesondere auch ausländische Verleihunternehmen und bezieht sich auch auf die Zahlung des Branchenmindestlohns in der verleihfreien Zeit.

  • Welche Auswirkungen hätte es auf entsandte Leiharbeitnehmende, wenn der Mindestlohntarifvertrag im Dezember 2019 ohne Folgevereinbarung enden würde?

    Läuft der bestehende Mindestlohn-Tarifvertrag Ende Dezember 2019 aus und wird kein neuer abgeschlossen, gibt es keinen verbindlichen Branchenmindestlohn für die verleihfreie Zeit zugunsten aller Leiharbeitnehmenden mehr. Der Equal Pay-Grundsatz im AÜG regelt nicht das Entgelt in der verleihfreien Zeit.

    In der verleihfreien und auch in der Verleihzeit würde (wegen der zwingenden Vorgabe, dass der Verleiher das Entgeltzahlungsrisiko zu tragen hat, § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG) ab dem 01.01.2020 nur der allgemeine gesetzliche Mindestlohn in Höhe von dann 9,35 €/Stunde greifen, der damit dann niedriger ist als z. B. der aktuelle Branchenmindestlohn in der Leiharbeit, für den Osten in Höhe von 9,66 €/Stunde (ab dem 01.10.2019).

    Letztlich werden erst die Verhandlungen in der Leiharbeit zeigen, wie hoch die neuen Entgeltsätze für die Leiharbeit sein werden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass der Mindestlohn in der Leiharbeit über dem gesetzlichen Mindestlohn liegen wird, so dass gerade Leiharbeitnehmende in den unteren Lohngruppen von den abgeschlossenen Tarifverträgen in der Leiharbeit profitieren werden.

    Der Branchenmindestlohn in der Leiharbeit kann zudem für entsandte Beschäftigte in der Leiharbeit wichtig sein. In Verleihzeiten erhalten Entsandte in einigen Branchen in Deutschland zwar den entsprechenden Branchenmindestlohn, z. B. im Baugewerbe, der höher ist als die Lohnuntergrenze in der Leiharbeit. Abgesehen davon, kann ein Beschäftigter aber auch in Bereiche entsandt werden, in denen es keinen allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag gibt. In diesem Fall, wird lediglich der deutsche gesetzliche Mindestlohn ausgezahlt. Existiert nur, wie in Deutschland, der Branchenmindestlohn in der Leiharbeit, erhält der bzw. die Entsandte zumindest diesen, wenn es sich um grenzüberschreitende Leiharbeit handelt.

  • Würde ohne einen Tarifvertrag in der Leiharbeit beim Lohn automatisch die gesetzliche Regelung gelten? Wären Leiharbeitnehmende mit der Stammbelegschaft gleichgestellt (Equal Pay)?

    Der Verzicht auf Entgelttarifverträge in der Leiharbeit führt nicht automatisch zu Equal Pay, denn grundsätzlich wirken Tarifverträge – mit Ausnahme des Mindestlohntarifvertrags – auch nach Ende der Laufzeit nach und sind bis zu einem neuen Tarifabschluss, der sie ersetzt, anwendbar. Die Nachwirkung eines Tarifvertrages im Bereich der Leiharbeit ist unter Jurist/-innen umstritten und müsste von den Betroffenen jeweils individuell vor den Arbeitsgerichten geklärt werden. Gerichtsverfahren dauern oft sehr lange. Für die Beschäftigten wäre bis zu einer gerichtlichen Klärung unklar, welche Ansprüche sie genau haben. Es bestünde enorme Rechtsunsicherheit.

    Deswegen ist es notwendig, den Mindestlohntarifvertrag in der Leiharbeit neu zu verhandeln und auf seiner Grundlage, den erneuten Erlass einer Rechtsverordnung für die Lohnuntergrenze in der Leiharbeit zu beantragen. Das setzt den Abschluss eines neuen Entgelttarifvertrags in der Leiharbeit voraus. Damit gäbe es einen für alle verbindlichen neuen Branchenmindestlohn in der Leiharbeit. Dabei ist klar, dass der neue Branchenmindestlohn in der Leiharbeit deutlich über dem gesetzlichen Mindestlohn liegen muss.

    Die Alternative wäre, sich von der Mindestlohnregelung in der Arbeitnehmerüberlassung zu verabschieden, ohne dass sichergestellt ist, dass die Betroffenen tatsächlich Equal Pay erhalten. Denn der Equal Pay-Anspruch ist im Gesetz nicht konkret ausgestaltet. Dort ist nur geregelt, dass den Leiharbeitnehmenden die „für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts“ zu gewähren sind. Aufgrund der vielen unbestimmten Begriffe (z. B. „vergleichbar“) müsste in jedem Einzelfall geklärt werden, welche rechtlichen Ansprüche konkret bestehen. Zusatzleistungen aus Arbeitsverträgen oder Betriebsvereinbarungen (etwa betriebliche Regelungen des Entleihers zu Jobtickets oder ähnliche Leistungen) dürften in jedem Fall ausgenommen sein.

    Zudem ist die Durchsetzungssituation eine andere als bei der Inanspruchnahme von Rechten aus anderen Tarifverträgen. Die rechtliche Durchsetzung des Equal Pay-Prinzips verlangt den Betroffenen ab, sich auf ein langwieriges rechtliches Verfahren einzulassen und gegebenenfalls gegen den Arbeitgeber auszusagen. Die Bereitschaft der Leiharbeitnehmenden zu klagen, ist deswegen nicht sehr hoch, zumal die Betroffenen in der Regel hoffen, möglichst schnell einen „normalen“ Arbeitsplatz zu erhalten.

    Gute, rechtliche Argumente zu haben und diese in der Realität auch rechtlich durchzusetzen, ist in der Wirklichkeit der Arbeitsbeziehungen nicht dasselbe.

    Zudem findet der Equal Pay-Grundsatz im AÜG in verleihfreien Zeiten keine Anwendung. Hier gilt nur die Untergrenze des gesetzlichen Mindestlohns (vgl. § 11 Abs. 4, Satz 2 AÜG). Den Arbeitgebern würden sich in dieser Situation größere Missbrauchsmöglichkeiten bieten, als das mit klar geregelten Tarifverträgen der Fall ist.

    Die bestehenden Manteltarifverträge zu kündigen und nicht mehr abzuschließen, halten die DGB-Gewerkschaften ebenso für nicht zielführend. Den Equal Pay-Grundsatz als Beschäftigter durchzusetzen, ist schwer; die Gleichbehandlung gegenüber der Stammbelegschaft (Equal Treatment) durchzusetzen ist noch viel schwerer. Gewerkschaften regeln Arbeitsbedingungen immer besser als es das Gesetz vorsieht. In den letzten Jahren konnten sie in der Leiharbeit gerade in den manteltariflichen Regelungen deutliche Verbesserungen für die Beschäftigten durchsetzen, die durch eine Kündigung oder keine Neuverhandlung wegfallen würden. Gemeinsam mit den Beschäftigten wollen die DGB-Gewerkschaften auch in den nächsten Jahren noch mehr erreichen.

  • Warum fordert der DGB den uneingeschränkten Equal Pay-Grundsatz im Gesetz, obwohl er selbst Tarifverträge abschließt?

    Unser Ziel ist und bleibt die Gleichbehandlung der Leiharbeitnehmenden mit den Stammbeschäftigten (Equal Treatment), wenn gleiche oder vergleichbare Arbeit im Betrieb geleistet wird. Damit wollen die DGB-Gewerkschaften verhindern, dass durch Lohndumping Kostenvorteile für die Arbeitgeber entstehen, alle Beschäftigten (Leiharbeitnehmende und Stammbeschäftigte) unter Druck gesetzt werden und so eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt wird. Leiharbeit soll nur der kurzfristigen Abdeckung von Auftragsspitzen dienen. Durch den kurzfristigen und flexiblen Personaleinsatz haben die Arbeitgeber ohnehin schon sehr viele Vorteile.

    Allerdings gilt der Equal Pay-Grundsatz durch die Tariföffnungsklausel und die Bezugnahmeklausel im AÜG nur eingeschränkt. Der Equal Pay-Grundsatz im AÜG findet auf verleihfreie Zeiten keine Anwendung. Die Branchenzuschläge bedeuten zwar für die Betroffenen erhebliche Gehaltsverbesserungen und bewirken eine beachtliche Annäherung ihrer Löhne an die Löhne der Stammbelegschaft. Eine flächendeckende Regulierung der Leiharbeit nur über dieses Instrument ist aber kaum möglich. Die Gefahr von Dumpingdruck durch die sogenannten christlichen Gewerkschaften ist nicht komplett gebannt. Daher hält der DGB weiterhin an seiner Forderung nach einem uneingeschränkten Equal Pay-Grundsatz ohne Abweichungsmöglichkeiten fest.


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