Deutscher Gewerkschaftsbund

30.11.2022
DGB auf der 27. Weltklimakonferenz

Wir brauchen eine gerechte Transformation – gerade in Zeiten multipler Krisen

Mit seiner Veranstaltung „Energiekrise als Wendepunkt für Klimaschutz und gerechte Transformation“ hat der DGB eine wichtige Debatte über die Erfahrungswerte der aktuellen Energiekrise und mögliche Handlungsoptionen für mehr Klimaschutz auf der 27. Weltklimakonferenz in Scharm el Scheich angestoßen.

Keimling der aus der Erde blüht und drum herum als Piktogramm die Nachhaltigkeitskette

DGB/nitsuki/123rf.com

Etliche Zuschauer*innen verfolgten die Veranstaltung von DGB und Just Transition Centre des Internationalen Gewerkschaftsbundes vor Ort im deutschen Pavillon auf der 27. Weltklimakonferenz und auch im Livestream. Gemeinsam mit Gewerkschafter*innen aus Südafrika, Brasilien, den USA und Deutschland ging die Moderatorin Samantha Smith, Direktorin vom Just Transition Centre der Frage nach, wie vor dem Hintergrund der multiplen Krisen, die Transformationsperspektive nicht aus dem Fokus gerät. Vielmehr machten die Panelisten deutlich, dass eine gerechte Gestaltung der Transformation, eine -Just Transition-, Antwort auf die drängendsten Fragen unserer Zeit sein muss. 

In seiner Keynote unterstrich Stefan Körzell, Mitglied des geschäftsführenden DGB-Bundesvorstandes, dass die Auswirkungen der Krisen die Verwundbarsten in der Gesellschaft am stärksten treffen. Insbesondere die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine bedrohen gleichermaßen die Energie- wie auch Lebensmittelsicherheit weltweit. Umso wichtiger sei es, solidarisch zusammenzustehen und gemeinsam an Antworten zu arbeiten.

Auch Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstrich die Notwendigkeit der Transformation, die zwingend auch eine gerechte Transformation sein muss.

Im Laufe der Veranstaltung wurde deutlich, dass die Umsetzung einer Just Transition kein Selbstläufer darstellt: Thiago Maeda, Berater des Sekretariats für Internationale Beziehungen beim brasilianischen Gewerkschaftsbund CUT, zeigte die Schwierigkeiten einer Umsetzung der Just Transition unter der Präsidentschaft Bolsonaro auf. Bolsonaro, unter dem die Abholzung des Amazonas massiv ausgeweitet wurde, hatten auch Gewerkschaften einen sehr schweren Stand. Dennoch hat CUT Brazil Initiativen gestartet, die die Energiewende lokal vorangetrieben haben. Große Hoffnung besteht nun mit der neugewählten brasilianischen Regierung unter Lula diese Initiativen in die Breite zu tragen.

Gleichzeitig wurden Probleme bei der konkreten Umsetzung deutlich. Exemplarisch zeigte sich dies am Beispiel der Just Energy Transition Partnership (kurz JETP), wie Boitumelo Molete, Koordinatorin des Bereichs Soziale Entwicklung beim südafrikanischen Gewerkschaftsbund COSATU, berichtete. Im Rahmen der Energiepartnerschaften soll Südafrika sowohl finanziell als auch technisch bei der Umstellung auf Erneuerbare Energien von großen Industrienationen wie den USA, Kanada und der EU unterstützt werden. Bisher gestalten sich die Verhandlungen darüber, wie der Ausstieg gelingen soll, jedoch weder transparent noch inklusiv. Das bedeutet, dass die südafrikanischen Gewerkschaften bisher so gut wie gar nicht beteiligt sind und auch keine Einblicke in die Ausgestaltung der JETPs haben. Zudem findet keine aktive Einbindung von Gewerkschaften und anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren bei den relevanten Investitionsentscheidungen statt. Ebenso gibt es große Befürchtungen, dass an die JETP neoliberale Strukturreformen geknüpft werden, die eine massive Privatisierungswelle zur Folge haben könnten.

Frederik Moch, Thiago Maeda, Boitumelo Molete, Brad Markell, Samantha Smith

Die Podiumsgäste (v.l.n.r.): Frederik Moch, Abteilungsleiter Struktur-, Industrie- und Dienstleistungspolitik beim DGB-Bundesvorstand, Thiago Maeda, Berater des Sekretariats für internationale Beziehungen beim Brasilianischer Gewerkschafts-bund CUT, Boitumelo Molete, Koordinatorin des Bereichs Soziale Entwicklung beim Südafrikanischen Gewerkschaftsbund COSATU, Brad Markell, Geschäftsführender Direktor des Industrial Union Council beim US-amerikanischen Gewerkschaftsbund AFL-CIO,Moderatorin: Samantha Smith, Direktorin des Just Transition Center.
DGB

Darüber hinaus wies Brad Markel, Geschäftsführender Direktor des Industrial Union Council beim US-amerikanischen Gewerkschaftsbund AFL-CIO, darauf hin, dass es zwar von Seiten der Gewerkschaften und progressiver Regierungen, wie der Biden-Regierung in den USA, eine Bereitschaft zur Umsetzung einer echten Just Transition gibt, während bei Unternehmen diese noch nicht in der notwendigen Weise vorhanden ist.

Dabei reicht die Bedeutung einer Just Transition über die Adressierung der sozialen und ökologischen Frage hinaus, in letzter Konsequenz ist es (auch) eine demokratiepolitische Frage. Eine proaktive und vorausschauende Strukturpolitik im Sinne der Just Transition kann Strukturbrüche (Beispiel: Rust Belt in den USA) verhindern und kann damit den Nährboden für autoritäre und demokratiefeindliche Politikangebote (mit-) entziehen. Frederik Moch, Leiter der Abteilung Struktur-, Industrie- und Dienstleistungspolitik im DGB-Bundesvorstand, unterstrich diesen Punkt und machte deutlich, dass eine Transformation, die nicht auf Menschen- und Arbeitsrechte beruht, zwangsläufig ins Leere läuft.

Entsprechend lässt sich zusammenfassen: Vielfach wird die Notwendigkeit für einen nachhaltigen Strukturwandel der Wirtschaft betont, in Anbetracht der multiplen Krisen dieser Zeit (Soziale Krise, Klimakrise) kann nur ein Ansatz der Just Transition erfolgreich sein. Dieser führt soziale und ökologische Fragen zusammen, adressiert hierbei globale Ungleichheiten, übt konkrete internationale Solidarität, weist dem Staat eine proaktive Rolle zu und sieht vor allem organisierte Arbeitnehmer*innen als aktive Gestalter*innen sozialerer und nachhaltigerer Gesellschaften.

Thiago Maeda, Frederik Moch, Brad Markell, Boitumelo Molete, Samantha Smith

Auf dem „Grünen Sofa“: (v.l.n.r.) Thiago Maeda, Frederik Moch, Brad Markell, Boitumelo Molete, Samantha Smith.
DGB

Hinweise:

Veranstaltung zum Nachschauen: https://www.german-climate-pavilion.de/live-programm/energy-crisis-as-a-turning-point-for-climateaction

Programm zur Veranstaltung abrufbar unter: https://www.dgb.de/-/lWW

COSATU (2022): Just Transition – Blueprint for Workers. Summary Document. Publikation abrufbar unter: http://mediadon.co.za/wp-content/uploads/2022/04/COSATU-Just-Transition-Blueprint-Full-version.pdf

CUT Brazil (2021): Just Transition. A Trade Union Proposal to adress the Climate and Social Crisis. Publikation abrufbar unter: https://www.cut.org.br/acao/download/3719ee96b667057b112a1fd5d12d2542

DGB: Shaping A Just Transition – A Just Transition as Succesful Approach. Publikation abrufbar unter: https://www.dgb.de/++co++e90ceccc-d970-11eb-b05b-001a4a160123/DGB_Just%20Transition%20Engl..pdf


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