Schon kurze Zeit nach dem Krieg gründet sich in der sowjetischen Besatzungszone der FDGB. In den Westzonen entstehen erste Arbeitnehmervertretungen. Die westlichen Besatzungsmächte bestehen auf einem Aufbau von unten nach oben. Das Prinzip der Einheitsgewerkschaft setzt sich durch. Am 13. Oktober 1949 wird im Westen der demokratische neue Dachverband gegründet – der Deutsche Gewerkschaftsbund DGB.
Archiv der sozialen Demokratie in der Friedrich-Ebert-Stiftung
Hans Böckler, erster Vorsitzender des DGB (1949-1951). DGB
Erst nachdem sich die Westzonen im April 1949 zur sogenannten „Trizone“ zusammengeschlossen hatten und die Gründung der Bundesrepublik vorbereitet war, lagen alle Voraussetzungen für die Gründung des Dachverbandes der deutschen Gewerkschaften vor. Der DGB wurde am 13. Oktober 1949 in München von 16 Branchengewerkschaften gegründet. Der Gründungskongress, auch Parlament der Arbeit genannt, wählte den 74-Jährigen Hans Böckler zum ersten DGB–Vorsitzenden. Das Prinzip der Einheitsgewerkschaft war nun programmatischer Grundsatz der DGB–Gewerkschaften.
Politische Richtungsgewerkschaften, wie sie in der Weimarer Republik bestanden, sollten so von vornherein ausgeklammert werden. Die Aufgabenteilung zwischen DGB und den Einzelgewerkschaften sah die völlige Wahrung der Autonomie der Einzelgewerkschaften vor. Der demokratisch aufgebaute Dachverband sollte das politische Sprachrohr der freien Gewerkschaften in Westdeutschland werden. Der DGB und seine Gewerkschaften werden als Einheitsgewerkschaften parteipolitisch unabhängig, aber nicht neutral. Sie wollen als Interessenvertretung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als Stimme für Arbeit und soziale Gerechtigkeit kämpfen.
Die Frage der Sozialisierung
Gründungsurkunde des Deutschen Gewerkschaftsbundes von 1949
Der DGB und die Gewerkschaften beschlossen in dieser Gründungsphase ihre Forderung, die Schlüsselindustrien in Gemeineigentum zu überführen. Viele Deutsche, auch in den großen Parteien SPD und CDU, waren 1945 der Meinung, dass es zu einer wirtschaftlichen Neuordnung kommen müsse.
Volksabstimmungen in Sachsen und Hessen hatten jeweils große Mehrheiten für die Sozialisierung der Industrie gebracht. Während das Votum der Sachsen (77,6 Prozent) mit Rückendeckung der sowjetischen Besatzungsmacht auch in den anderen Ländern der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) umgesetzt wurde, suspendierte die US–amerikanische Besatzungsmacht das hessische Votum (71 Prozent). Derart weitreichende Entscheidungen müssten einem künftigen gesamtdeutschen Parlament vorbehalten bleiben.
Im „Ahlener Programm“ der CDU hieß es noch 1947: „Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden.“ Die CDU forderte deshalb die Verstaatlichung des Bergbaus.
Die Gewerkschaften gingen davon aus, dass die politischen Mehrheitsverhältnisse ihre Forderung nach Vergesellschaftung begünstigen würden. Zumal ihre Sozialisierungsforderungen nicht auf eine Zentralverwaltungswirtschaft nach sowjetischem Muster abzielten.
Hans Böckler unterschied bewusst zwischen Vergesellschaftung und Verstaatlichung. Ihm ging es auch nicht um die gesamte Wirtschaft. Nicht der Tante–Emma–Laden oder die Strumpffabrik sollten sozialisiert werden, sondern die Schlüsselindustrien, vor allem Kohle und Stahl. Denn mit deren Mitteln, so Böckler auf dem DGB–Gründungskongress, sei die erste deutsche Republik, ein demokratisches Staatsgefüge, zerstört worden. Eine Wiederholung gelte es für alle Zeiten auszuschließen.
Grundgesetz garantiert sozialen Bundesstaat
Maiplakat 1958
Mit dem Grundgesetz hatte sich die Bundesrepublik eine demokratische Verfassung gegeben, die in Artikel 14 das Privateigentum garantiert. Dessen Gebrauch knüpft sich allerdings an die Beachtung des Gemeinwohls, wobei Artikel 15 Sozialisierungsmöglichkeiten offen lässt. Soziale Rechte sind im Grundgesetz eher sparsam verankert, ein Recht auf Arbeit, wie es viele Gewerkschafter forderten, fehlt. In Artikel 9 ist das Koalitionsrecht verankert.
Artikel 20 schreibt die Bundesrepublik als demokratischen und sozialen Bundesstaat fest, wobei dieser Artikel neben dem Grundrechtsartikel 1 („Die Würde des Menschen ist unantastbar“) als unabänderbar gilt („Ewigkeitsgarantie“ des Artikels 79 Grundgesetz). Der Artikel 28 verpflichtet den Staat auf die Beachtung sozialer Rechtsgrundsätze, und Artikel 47 legt die Zuständigkeit des Bundes für gesetzgeberische Initiativen im Bereich des Sozialrechts fest.