Gegen das "Diktat der Zahlen ist die Qualität der Idee und die Begeisterung für die Inhalte zu setzen", schreibt der Bundestagsabgeordnete Ernst Dieter Rossmann in seinem Statement zum Leitbild "Demokratische und Soziale Hochschule“. Er plädiert für eine europäisch geprägte Hochschule der Zukunft.
Von Dr. Ernst Dieter Rossmann, Mitglied des Deutschen Bundestages
Wilhelm von Humboldt-Skulptur vor der Humboldt-Universität in Berlin. DGB/Simone M. Neumann
Das Diktum von Peter Glotz, einem der großen intellektuellen Vordenker der SPD, steht aktueller denn je im Raum:
"Die Bildung der Zukunft muss humanistisch, ökologisch und europäisch sein. Humanistisch gewiss, weil nur diese Geistes- und Werthaltung zur Abwehr von Biologismus und Nationalchauvinismus und ihren Wiedergängern in der Lage ist. Sarrazin lässt grüßen. Ökologisch bestimmt, weil der nachhaltige Umgang mit den natürlichen Ressourcen die menschliche Überlebensfrage überhaupt im 21. Jahrhundert ist. Und europäisch, weil darin in weltweit einmaliger Weise Geschichte, Vielfalt und Reichtum an Sprachen, Wissen, Ideen, Kulturen gebündelt sind, die Tragkraft als ganz eigene Stimme von Fortschritt auch in der globalisierten Welt haben können und sollten."
Im Übrigen: Was Peter Glotz als Leitidee für die Bildung der Zukunft gesetzt hat, gilt doch erst recht für die Sozialdemokratie der Zukunft und ihre größte Partei in Europa, die SPD. Auch diese muss selbstbewusst und kämpferisch humanistisch, ökologisch und europäisch sein.
„Die europäische Hochschule der Zukunft muss für Jeden persönlich erfahrbar sein – durch das Studium an einer Hochschule in einem anderen europäischen Land.“
Für die Hochschulpolitik der SPD und ihrer Schwesterparteien in der europäischen Sozialdemokratie stellen sich deshalb in diesem Sinne einige Fragen: Werden wir dem Anspruch europäischer Bildung für die Hochschulen jetzt schon wirklich gerecht? Haben wir hinreichend registriert, welches gesellschaftliche, politische und nicht zuletzt auch ökonomische Potential im Europäischen Hochschulraum mit 43 Staaten, über 8.000 Hochschulen und mehr als 22 Millionen Studierenden liegt? Können wir es zulassen, dass wir in Europa womöglich eher eine europäische Armee bekommen als eine „europäische Hochschule“ und eine gemeinsame abgestimmte und vertiefte Hochschulkultur? Wie laden wir hierzu den Bologna–Prozess inhaltlich neu auf, der ja nicht zufällig nach der ältesten „europäischen“ Universität aus dem Jahr 1119 benannt worden ist? Wie viele Studierende und Hochschulangehörige verbinden mit dem Stichwort „Bologna“ eigentlich mehr als den technokratischen Rahmen von Bachelor, Master, ECTS und Workload?
Wo Fragen gestellt werden, müssen auch Antworten gegeben werden. Deshalb hier 3 Kernpunkte:
Manche werden in diesen Forderungen einen Überschuss an Utopie erkennen wollen angesichts der Ökonomisierung von Bildung und speziell der Hochschulbildung. Aber gerade gegen das Diktat der Zahlen ist die Qualität der Idee und die Begeisterung für die Inhalte zu setzen. Und andere werden die Europäisierung als Rückschritt gegenüber der Kontinente überspannenden Internationalität kritisieren. Aber gerade das Fundament der humanistischen Bildung, das auf eine europäische Ideengeschichte gegründet ist und im Europa des 21. Jahrhunderts wieder neu gemeinsam gefestigt werden kann, ist für den Kosmopolitismus als geistige und werthaltige Antwort auf die Globalisierung unverzichtbar. Deshalb Mut zur Utopie, deshalb Mut zu klaren Leitbildern, deshalb Mut zur Idee der Europäischen Hochschule.