Der öffentliche Dienst ergraut, der Altersdurchschnitt ist hoch. Das ist gut, weil es dadurch viele erfahrene KollegInnen gibt. Aber das heißt auch, dass das Thema Nachwuchsgewinnung auf die Tagesordnung gehört. Denn mittlerweile kommen 27 Prozent der Beschäftigten aus der Altersklasse der über 55-Jährigen. Ganz offensichtlich fehlt der Nachwuchs. Das BM hat vor Ort nachgefragt, wie es um die Rekrutierung steht.
Dieser Beitrag ist Titel im BM Ausgabe 03/2020 - dem Magazin für Beamtinnen und Beamte des Deutschen Gewerkschaftsbundes.
Fakt ist, dass in den nächsten 10 Jahren mehr als ein Viertel der Beschäftigten den öffentlichen Dienst altersbedingt verlässt. In einzelnen Arbeitsbereichen, etwa an Schulen, in der Verwaltung oder in staatlichen Forsten, wird die Lücke sogar noch größer sein (vgl. Abb. 1). Niemand kann also ernsthaft bestreiten, dass die Zeit drängt. Aber sind Bund, Land und Kommune aktiv genug?
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Bei der Stadtverwaltung Hannover arbeiten über 11.000 Menschen. Von ihnen geht in den nächsten Jahren ein Drittel in den wohlverdienten Ruhestand. Das geht an die Substanz. Aber Matthias Schrade, Geschäftsführer im Gesamtpersonalrat, zieht zunächst eine positive Bilanz. Durch Filme im Netz und in der U-Bahn und Clips im Radio werbe die Stadt um Auszubildende. Der Auftritt sei professionell. Wer sich bewirbt, erhalte deutlich schneller eine Antwort als früher. Und die neue Arbeitgeberin bemühe sich sofort, zu den Auszubildenden eine Bindung herzustellen, etwa durch Treffen zum gemeinsamen Bowlen, um sich kennenzulernen.
Aber rosig ist die Situation keineswegs, erklärt Schrade. Das größte Problem ist aus seiner Sicht der harte Konkurrenzkampf mit anderen öffentlichen Arbeitgebern und der freien Wirtschaft: „Wir bilden natürlich selber aus, auch im dualen Studiengang Wirtschaftsinformatik. Das ist ein super Ausbildungsangebot für einen zukunftssicheren Job. Aber für die AbsolventInnen stehen potentielle Arbeitgeber Schlange. Zum Beispiel Versicherungen. Deren Rechenzentren nehmen unser gut ausgebildetes Personal mit Kusshand. Hier ist das niedrige Einkommensniveau im öffentlichen Dienst ein Problem.“ Für Schrade ist klar, dass die Bezahlung attraktiver werden muss. Gleichwohl sei das duale Studium für soziale oder technische Berufe ein Erfolgsmodell. Denn auch für ArchitektInnen und BauingenieurInnen gelte, dass durch Praxisphasen in der Verwaltung Bindungen entstehen, die langfristig halten können.
Dieser Effekt ist tatsächlich messbar: Studierende, die als PraktikantIn oder WerkstudentIn bereits Erfahrung in der Verwaltung gesammelt haben, wünschen sich sehr viel stärker eine spätere Tätigkeit im öffentlichen Dienst. Zu diesem Ergebnis kommt das Nachwuchsbarometer 2019, ein Gradmesser für die Attraktivität von Arbeitgeber Staat (siehe Infokasten). Vor allem zeigt die Umfrage aber, dass dieser bei der nächsten Generation durchaus beliebt ist. 58 Prozent der Befragten wollen dort arbeiten, in einzelnen Studiengängen sogar deutlich mehr (vgl. Abb. 2).
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Positiv fällt dabei vor allem ins Gewicht, dass die Arbeitsplätze als sicher gelten und eine langfristige Perspektive ermöglichen. Andere Punkte, die den Studierenden am Herzen liegen, sieht die Umfrage dagegen nicht erfüllt. So seien den meisten Befragten eine möglichst selbstbestimmte Arbeitsorganisation und die Arbeit in selbstverantwortlichen Teams wichtig. Selbstorganisation und Selbstbestimmung bei der Arbeit benötigen aber ein passendes Umfeld und Unterstützung, etwa durch Führungskräfte. All das würden die Studierenden dem öffentlichen Dienst bisher nicht zutrauen. Dem Wunsch nach einer offeneren Arbeitskultur soll also stärker nachgegangen werden, so die AutorInnen.
Zwischen Wunsch und Wirklichkeit klafft auch bei den Beschäftigten in den Landesforsten eine Lücke. Claudia Mävers arbeitet seit dreißig Jahren als Försterin im hessischen Staatswald und leitet derzeit das Revier Homberg/Ohm. In der IG BAU ist sie Landesvorsitzende für den Bereich Forst und Naturschutz. Auf der einen Seite beschreibt sie, wie viel Herzblut in Hessen in die Ausbildung der angehenden FörsterInnen gesteckt wird. „Wir haben eine sehr intensive und praxisnahe Ausbildung, quasi mit Eins-zu-eins-Betreuung. Der Betrieb investiert viel in Lehrgänge und in die Fortbildung von Ausbildern. Es gibt eine sehr gute Waldarbeitsschule in Weilburg. Hessen ist tatsächlich bekannt für die gute Ausbildung.“
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Doch das, was in die Ausbildung investiert wurde, werde im Anschluss leichtfertig verspielt, weil die Wünsche der Beschäftigten keine Beachtung fänden. Wer als FörsterIn arbeitet, möchte zum Beispiel gerne an einem Ort bleiben, erklärt Mävers. Diese Mentalität habe auch damit zu tun, dass die Arbeit im Wald erst langfristig Früchte trägt: „Du siehst ja erst nach zehn Jahren, was du gemacht hast.“ Wenn beim Landesforst das gut und aufwendig ausgebildete Personal nach der Anwärterzeit erst mal Löcher stopfen und als Springer arbeiten müsse, stehe das im Widerspruch zu dieser Mentalität. Zudem entstünden lange Wegstrecken durch die großen Reviere, und das in einer Lebensphase, in der für viele auch die Familiengründung anstehe.
Wenn andere Bundesländer in dieser Situation direkt ein eigenes Revier und einen Dienstwagen anbieten, sei das verlockend. Wenn diese Bundesländer, anders als Hessen, FörsterInnen weiterhin verbeamten, komme noch ein finanzielles Argument dazu. Eine im Vergleich schlechtere Bezahlung (für FörsterInnen und erst recht für Forstwirte), eine schlechte technische Ausstattung und keine Personalentwicklung, die Perspektiven aufzeigt. In der Summe würden für den Nachwuchs einige Argumente gegen den Arbeitgeber HessenForst sprechen– trotz der gepriesenen Ausbildung. „Wir bilden aus, und dann gehen die Leute woanders hin“, lautet auch für Mävers deshalb das ernüchternde Fazit.
Das sich der öffentliche Dienst vielerorts ernsthaft bemüht, Nachwuchs auszubilden und einzustellen, ist nicht von der Hand zu weisen. Sicherlich können hier noch Details verbessert werden. Aber die Schilderungen aus Hannover und Hessen und die Befunde aus dem Nachwuchsbarometer verweisen weniger auf Probleme wie langwierige Bewerbungsverfahren oder einen schlechten Internetauftritt der Verwaltung. Vielmehr sind die Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst, zumal im Vergleich zur Privatwirtschaft, oft nicht attraktiv. Es muss klar sein: Die Beschäftigten verdienen eine gute, leistungs- und verantwortungsgerechte Bezahlung. Es kann nicht sein, dass sich PolizeianwärterInnen einen Nebenjob suchen müssen, um explodierende Mieten zahlen zu können, kritisiert daher die GdP im DGB-Anwärterbezügereport völlig zurecht. Die finanziellen Rahmenbedingungen müssen stimmen, für den Nachwuchs wie für die alten Häsinnen und Hasen.
Zudem ist, verstärkt durch die schon heute dünne Personaldecke, die Arbeitsbelastung vielerorts zu hoch. So berichtet Matthias Schrade aus Hannover, dass es immer schwieriger wird, in der Verwaltung erfahrene Ausbilder zu finden: „Dafür ist kein Zeitanteil in der Stellenbemessung verankert. Und die Leute sind mit ihrer Fachaufgabe schon so eingespannt, dass dafür die Luft fehlt“, erklärt er. Und im Forst? Als Claudia Mävers anfing, hatte ihr Revier 700 Hektar und sie hatte zwölf MitarbeiterInnen. Heute sind es 1.700 Hektar und vier Kollegen. Fakt ist also, dass Gute Arbeit das Ziel sein muss. Sonst haben auch die schönsten Ausbildungsgänge keinen langfristigen Effekt.