Rund zwei Monate nach dem Start des gesetzlichen Mindestlohns gibt es ein erstes wichtiges Urteil eines Arbeitsgerichts zur neuen Lohnuntergrenze: Arbeitgeber dürfen ein zusätzliches Urlaubsgeld und eine jährliche Sonderzahlung wie das "Weihnachtsgeld" nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechnen. Das hat das Arbeitsgericht Berlin entschieden.
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Die Begründung des Gerichts: Der gesetzliche Mindestlohn solle unmittelbar die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entgelten. Zusätzliche Sonderzahlungen wie Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld dienten nicht diesem Zweck. Deshalb dürfen sie auch nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden.
DGB/Simone M. Neumann
DGB-Vorstand Stefan Körzell erklärt zum Urteil des Berliner Arbeitsgerichts: "Es ist erfreulich, dass ein Arbeitsgericht eine der vielfältigen Praktiken zur Umgehung des Mindestlohns für rechtswidrig erklärt hat. Damit solche Tricksereien aufgedeckt werden können, brauchen wir aber effektive Kontrollen und als Grundlage dafür die Pflicht der Arbeitgeber zur Aufzeichnung der Arbeitszeiten. An die Adresse der Unionsparteien geht daher der Aufruf: Lassen Sie die Finger von den bestehenden Aufzeichnungspflichten."
Im konkreten Fall, den das Gericht zu entscheiden hatte, verdiente die Arbeitnehmerin vor dem Start des gesetzlichen Mindestlohns 6,44 Euro pro Stunde. Ihr Arbeitgeber wollte per Änderungskündigung einen neuen Arbeitsvertrag durchsetzen. Der sah zwar einen Stundenlohn von 8,50 Euro vor. Gleichzeitig sollten aber Leistungszulagen, zusätzliches Urlaubsgeld und eine jährliche Sonderzahlung wegfallen. Damit würden diese zusätzlichen Zahlungen aber de facto auf den Mindestlohn angerechnet, so das Gericht. Deshalb sei die Änderungskündigung unwirksam.
Gegen das Urteil ist noch Berufung an das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg zulässig.
Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 04.03.2015, Aktenzeichen 54 Ca 14420/14