Deutscher Gewerkschaftsbund

Von der Lehrlingsbewegung zur Berufsbildungsreform

In den Siebzigerjahren gehen der Bundesrepublik die Lehrstellen aus, ein bisher unbekanntes Phänomen macht sich breit: die Jugendarbeitslosigkeit. Der DGB setzt sich für eine Reform der Berufsbildung ein, 1975 demonstrieren bundesweit über 200 000 Menschen für mehr Lehrstellen und ein verbesserte Ausbildung.

„Jahrzehntelange Versäumnisse und die ideologischen Vorbehalte der Arbeitgeber machen sich im Zusammenhang mit der für die Schulabgänger nicht ausreichenden Ausbildungsstellensituation bemerkbar,“ klagten 1977 die BildungsexpertInnen des DGB. Es war das ernüchternde Fazit eines jahrelangen gewerkschaftlichen Kampfes gegen die Lehrstellenmisere der 1970er–Jahre und für eine aus Gewerkschaftssicht notwendige Reform des Berufsbildungsgesetzes (BBiG).

Mit Sprechchören gegen Ausbildungsmängel

Erst 1969 hatte der Bundestag das BBiG verabschiedet und damit auf die Lehrlingsbewegung Ende der 1960er–Jahre reagiert. Damals herrschte in der Bundesrepublik Vollbeschäftigung, Lehrlinge hatte beim Ausbildungsplatz die freie Auswahl. Doch die Qualität der Ausbildung war von Betrieb zu Betrieb sehr unterschiedlich. Die Lehrlinge wehrten sich dagegen, 1968 begannen die ersten Proteste für einheitliche Standards in den Lehrbetrieben.

Auftakt war eine Flugblattaktion bei der traditionellen Freisprechungsfeier in der Hamburger Börse. 1969 artikulierten die Lehrlinge auf der zentralen Maikundgebung des DGB lautstark ihre Forderungen, Bundeskanzler Willy Brandt und IG Metall–Chef Otto Brenner mussten ihre Reden unter den Sprechchören von rund 3.000 Lehrlingen vortragen. Die Proteste beeinflussten sowohl die gewerkschaftliche Tarifpolitik wie auch die Reformbestrebungen in der beruflichen Ausbildung.

Alternative Ausbildungswege statt Duales System

In den 70er-Jahren wurde aus dem Überschuss ein Mangel – der Bundesrepublik fehlten plötzlich die Lehrstellen. 1975 kamen auf rund 375 000 Bewerber nur noch 326 000 Ausbildungsplätze. Anfang des Jahres machte der DGB zahlreiche Vorschläge, wie die inzwischen grassierende Jugendarbeitslosigkeit abgebaut werden könnte. So sollte die Schulpflicht auf zehn Jahre verlängert werden, besonders für strukturschwache Gebiete forderte der DGB alternative Angebote zum dualen Berufsausbildungssystem. Zudem machten sich die Gewerkschaften für die Einführung des Berufsgrundbildungsjahrs stark.

Erklärtes Ziel war jedoch, die Berufsbildung aus der Verfügungsgewalt der Arbeitgeber und ihrer Kammerorganisationen herauszulösen. Stattdessen sollte nach dem Willen der Gewerkschaften die berufliche Bildung unter die Selbstverwaltung aller Beteiligten gestellt werden.

FDP blockiert Reformwerk

Die SPD schwenkte mit ihrem Entwurf für das neue Berufsbildungsgesetz auf die Linie der Gewerkschaften ein. Doch bald zeichnete sich ab, dass die Reform am Widerstand der mitregierenden Freidemokraten scheitern würde. „Wieder einmal ist es dem kleinen Koalitionspartner gelungen, ein sozialdemokratisches Reformwerk zu rupfen“, kommentiert der „Spiegel“ im Februar 1975 den arbeitgeberfreundlichen Kurs der FDP.

Noch während des ganzen Jahres 1975 versuchten die Gewerkschaften die Regierungskoalition für eine fortschrittlichere und bessere Berufsbildung zu gewinnen. Über 200 000 Menschen beteiligten sich an zahlreichen Demonstrationen, allein am 8. November 1975 gingen in Dortmund mehrere Zehntausend für diese Ziele auf die Straße.

Doch am Ende blieben die gewerkschaftlichen Bemühungen erfolglos. Zwar beschloss der Bundestag im April 1976 eine Neufassung des Berufsbildungsgesetzes, der Bundesrat jedoch lehnte das Gesetz einen Monat später ab. Fazit des DGB–Geschäftsberichts: „Die Reform der beruflichen Bildung wurde nicht erreicht.“


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