Im Vorfeld der 19. Bundesfrauenkonferenz des DGB erklärt die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack, welche gleichstellungspolitischen Themen jetzt wichtig werden und welche Erwartungen sie an die nächste Bundesregierung hat.
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Frauen müssen endlich die Möglichkeit bekommen, Teilzeit zu arbeiten und dann auch wieder aufstocken zu können auf Vollzeitarbeit, wenn sie das wollen. Das ist das Kernprojekt in dieser Legislaturperiode. Und selbstverständlich sollten dann auch Männer diese Möglichkeit nutzen können. Niemand, der nicht Teilzeit arbeiten möchte, sollte Teilzeit arbeiten müssen. Als Zweites gilt es, das Entgelttransparenzgesetz weiterzuentwickeln. Zwar knackt es das Tabu, dass man über Löhne und Gehälter nicht sprechen darf. Aber abgesehen vom individuellen Auskunftsanspruch verpflichtet es die Unternehmen und Betriebe zu nichts. Sie müssen aber verpflichtet werden, systematisch zu überprüfen, wo Frauen oder Männer diskriminiert werden und dann auch Maßnahmen dagegen zu entwickeln. Generell ist es wichtig, die sozialen Berufe aufzuwerten.
Teilzeitarbeit wieder aufstocken zu können – das ist das Kernprojekt.
DGB
Die Union ist in der Pflicht, das Thema Rückkehrrecht aus Teilzeit wieder aufzunehmen. Sie hatte es im letzten Koalitionsvertrag und hat es nicht umgesetzt. Mit den Grünen haben wir große Chancen das Thema ebenfalls bewegen zu können. Bei der FDP muss man schauen, inwieweit bei diesem Thema etwas geht. Da habe ich noch Hoffnung.
Das ist ein verheerendes Signal für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in ganz Deutschland. Ihre Themen werden künftig von einem Großteil männlicher Abgeordneter bearbeitet – oder eben nicht. Die Befürchtung ist schon sehr groß, dass gleichstellungspolitische Themen nun hinten runter fallen.
Wir als Gewerkschaften sehen die Digitalisierung erst einmal als Chance. Dabei gilt es, Risiken zu minimieren und die Chancen zu maximieren. Dazu gehört eine größere Souveränität bei den Arbeitszeiten: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen auch selbst bestimmen können, wie sie arbeiten – und nicht nur von den Arbeitgebern diese Flexibilität vorgegeben bekommen. Wenn Arbeitgeber mehr Home Office-Plätze anbieten, kann das den Beschäftigten helfen, Familie und Beruf oder Pflege und Beruf besser zu vereinbaren. Aber gerade beim Thema Home Office sind Fragen offen, denn das ist nicht immer gleich Gute Arbeit für die Beschäftigten. Sie brauchen Schutzfaktoren, damit nicht rund um die Uhr gearbeitet werden kann. Auch Störfaktoren und Ablenkungen, die die Arbeit unterbrechen, gilt es zu minimieren. Home Office muss ein geschützter Raum sein – und als solcher muss es außerhalb der digitalen Kontrolle des Arbeitgebers stehen. Um Home Office-Arbeit zu guter Arbeit zu machen, bedarf es gemeinsamer Regelungen – Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge. Da sind wir dabei, das zu gestalten.
Informationen zu frauen- und gleichstellungspolitischen Forderungen der Gewerkschaften gibt es im DGB-Newsletter "einblick"
Die Verantwortung, die die Beschäftigten tragen, wird zunehmen. Deshalb brauchen wir ein lebenslanges Lernen, das finanziell gefördert wird – und zwar für Frauen und Männer. Hier ist der Gesetzgeber gefordert, aber auch viele Betriebe haben Nachholbedarf, weil sie insbesondere gut ausgebildete, junge Männer bei der betrieblichen Weiterbildung bevorzugen. Frauen, Teilzeitbeschäftigte, Migrantinnen und Ältere werden bei den Qualifizierungsmaßnahmen oft benachteiligt. Hier muss es gerecht zugehen, damit im Digitalisierungszeitalter alle mithalten können.
Deshalb ist es wichtig, eine größere Balance herzustellen zwischen den Branchen. In Bereichen der Industrie 4.0 wird die Arbeit des Menschen abnehmen. Da geht es dann darum, an Apparaten zu stehen und zu kontrollieren, ob die Roboter richtig arbeiten. Das muss ins richtige Verhältnis gesetzt werden zur Arbeit, einen alten Menschen zu betreuen oder einen kranken Menschen zu pflegen. Die Dienstleistungen am Menschen – die zum Beispiel Krankenpflegerinnen, aber auch Frisörinnen leisten – werden auch in Zukunft von Menschen gemacht werden. Diese sozial wichtigen Berufe müssen wir aufwerten – in erster Linie über eine höhere Bezahlung.
Die Arbeitgeberverbände wollen die Differenz bei den Löhnen von Männern und Frauen am liebsten klein reden – so nach dem Motto „die gibt’s gar nicht, diese Entgeltlücke“. Wir richten uns beim DGB – mit vielen anderen Organisationen in Deutschland – nach dem Statistischen Bundesamt. Die nehmen die Bruttostundenlöhne als Kriterium und weisen jedes Jahr die Entgeltlücke aus. Genau diese Berechnungsgrundlage haben alle anderen Organisationen übernommen – auch die Europäische Union vergleicht die einzelnen Länder der Union genau nach diesem Prinzip. Und Deutschland steht da eben weiterhin an einem der letzten Plätze, weil wir immer noch einen der größten Gender Pay Gaps haben. Das Weltwirtschaftsinstitut hat gezeigt, dass man die 21 Prozent sehr genau aufsplitten kann. Eine Ursache liegt zum Beispiel in den unterschiedlichen Arbeitszeiten von Männern und Frauen. Das macht etwa fünf bis sechs Prozent aus. Die geringeren Aufstiegschancen bei Frauen haben eine Wirkung, die schlechtere Bezahlung in den unterschiedlichen Branchen und vieles mehr. Am Ende bleibt eine Lücke von 7 Prozent über, die nicht erklärbar ist. Dahinter ist eine echte Diskriminierung zu vermuten. Deshalb müssen wir da ran. Wir wollen den Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“ umsetzen – da ist Deutschland noch meilenweit von entfernt.
Das einzig Positive ist, dass die Öffentlichkeit für das Problem der unterschiedlichen Bezahlung inzwischen sensibilisiert ist. Mit den wenigen Instrumenten, die wir durch das neue Gesetz nun haben – also das Recht, eine Auskunft über das Gehalt zu verlangen in Betrieben mit über 200 Beschäftigten – durchaus weitere Fortschritte erzielen werden. Aber es reicht bei weitem nicht aus.
Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ab der ersten Stunde und ab dem ersten Euro.
Die Politik muss die prekäre Beschäftigung – wie Leiharbeit, Minijobs, ungewollte Teilzeitarbeit – insgesamt massiv einschränken. Da bleiben wir als DGB bei unserer Forderung und schieben sie wieder nach oben auf die Tagesordnung: sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ab der ersten Stunde und ab dem ersten Euro. Die Menschen müssen wieder eine sichere Perspektive haben. Und dazu gehört neben der inneren Sicherheit auch das Thema soziale Sicherheit. Die Menschen brauchen soziale Sicherheit. Sie wollen wissen, was später mit ihrer Rente ist, sie wollen so viel verdienen, um die Miete und den Lebensunterhalt bezahlen zu können.
Unser Reformkonzept enthält drei konkrete Vorschläge: Erstens soll auch für Minijobs der volle Sozialversicherungsschutz ab dem ersten Euro gelten. Ich denke, niemand wird dagegen sein, wenn es heißt: Du kannst weiterhin deine 15 Stunden arbeiten, aber in diesen 15 Stunden bist du sozialversichert. Du hast eine Arbeitslosenversicherung, wenn Du arbeitslos wirst, und erwirbst Rentenansprüche für diese Stunden. Zweitens: Die pauschale Besteuerung von Minijobs muss beendet werden. Das Einkommen aus Minijobs soll in das allgemeine Besteuerungssystem eingegliedert werden. Darüber hinaus soll es weiterhin Sonderregelungen für bestimmte Gruppen geben, die nicht Vollzeit erwerbstätig sind, etwa für Rentner, Schüler und Studenten., Da gibt es heute schon Ausnahmeregelungen, die zulassen, dass diese Gruppen auch im Minijob hinzuverdienen dürfen. Drittens müssen elementare Arbeitnehmerrechte wie etwa die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und der bestehende Urlaubsanspruch auch tatsächlich durchgesetzt werden. Sie gelten auch für Minijobs.
Die Rentenlücke zwischen Männern und Frauen wird immer größer – sie liegt bei 53 Prozent. Die Rente ist das Spiegelbild des Erwerbslebens. Deshalb ist es wichtig, die Hürden abzubauen, denen Frauen im Erwerbsleben begegnen. Gleiche Rechte, gleiche Bedingungen, gute Arbeit für Frauen mit guter Bezahlung zu schaffen, das muss die Aufgabe sein. Nur dann haben Frauen die Chance, eine gute Rente zu bekommen. Notwendig sind aber auch Änderungen in der gesetzlichen Rentenversicherung selbst. Da setzt der DGB seine Rentenkampagne fort. Eine Stabilisierung des heutigen Rentenniveaus und ein Aufbau beim Rentenniveau etwa auf 50 Prozent werden vielen Frauen helfen, eine Rente oberhalb des Existenzminimums zu erlangen. Das allein wird aber nicht reichen. Wenn sich am Arbeitsmarkt nichts tut, wird die Rentenlücke zwischen Männern und Frauen nicht kleiner. Beides muss zugleich angegangen werden – das fordern wir von der nächsten Bundesregierung.
Die wachsende Bedeutung von Frauen in der Arbeitswelt, Gleichstellung 4.0 und die Herausforderungen der Digitalisierung sind die Themen, mit denen sich die 150 Delegierten der 19. DGB-Bundesfrauenkonferenz beschäftigen. Vom 23. bis 25. November 2017 legen sie die Grundsätze der gewerkschaftlichen Frauen- und Gleichstellungspolitik für die nächsten vier Jahre fest. Die Bundesfrauenkonferenz ist das höchste Organ der Frauen im Deutschen Gewerkschaftsbund.
www.frauen.dgb.de