Viele Beschäftigte in der deutschen Fleischindustrie arbeiten zu menschenunwürdigen Bedingungen. Damit soll jetzt Schluss sein: Der Bundestag hat ein Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft verabschiedet. Der DGB-klartext fordert zusätzlich 10.000 Stellen, um die Umsetzung und Kontrolle des Gesetzes zu gewährleisten.
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Da kann einem das Messer in der Tasche aufgehen: Kriminelle Sub-Unternehmer locken Beschäftigte aus Osteuropa in deutsche Schlachthöfe, um sie auszubeuten. Viele schuften länger als erlaubt und werden um ihren korrekten Lohn geprellt. Sie hausen in menschenunwürdigen Unterkünften, für die dann auch noch aberwitzige Summen fällig werden. Etliche müssen für ihre Messer oder Schutzkleidung selbst aufkommen, erhalten kein Geld im Krankheitsfall oder werden rausgeschmissen, wenn sie ihre Rechte einfordern.
Bereits vor zwei Jahren gelobten die Fleischkonzerne auf einem Treffen mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuss- Gaststätten und dem damaligen Wirtschaftsminister Gabriel Besserung. Bei der Überführung der Arbeitsverhältnisse in deutsches Recht scheint es Fortschritte zu geben. Doch die Missstände blieben, die freiwillige Selbstverpflichtung läuft ins Leere. Nun könnte es besser werden: In einer Ruck-Zuck-Mission verabschiedete der Bundestag das „Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft“ (GSA Fleisch). Zu groß war die Sorge, dass Lobbyisten aus der mächtigen Fleischindustrie das Vorhaben noch verwässern könnten. In dieser Woche soll der Bundesrat grünes Licht geben.
Was regelt das Gesetz? Firmen in der Fleischwirtschaft, die Subunternehmen beauftragen, haften künftig auch für die Sozialversicherungsbeiträge. Das „Messergeld“ gehört der Vergangenheit an: Selbstverständlich müssen Arbeitgeber Arbeitsmittel und Schutzausrüstung kostenlos stellen. Der Lohn muss in Euro ausgezahlt werden und darf nicht mit vermeintlichen Leistungen der Unternehmer, etwa für die Unterkunft oder Transporte, verrechnet werden. Und: Die Dokumentationspflicht der Arbeitsstunden wird verschärft: Künftig müssen Anfang, Ende und Dauer der Arbeitszeit täglich aufgezeichnet werden. Bei Verstößen drohen Bußgelder bis zu 50.000 Euro. Um die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie aber nachhaltig zu verbessern, braucht es mehr als ein GSA Fleisch: Die Beschäftigten mit Werkverträgen müssen in die Stammbelegschaft überführt werden.
DGB/Kleine Anfrage Bündnis 90/ DIE GRÜNEN „Finanzkontrolle Schwarzarbeit: Kontrolle von Mindestlöhnen 2016“, BT-Drucksache 18/11304 vom 15. Februar 2017
Dennoch ist das Gesetz ein Schritt nach vorne. Benötigt werden strengere Regeln zum Schutz der Arbeitnehmerrechte auch in vielen anderen Branchen – warum es also nicht ausdehnen auf alle Wirtschaftszweige? Und warum werden Verstöße nur als Ordnungswidrigkeit und nicht als Straftat behandelt? Das würde manch‘ schwarzes Schaf zusätzlich abschrecken.
Die erfolgreiche Umsetzung des Gesetzes hängt zudem – wie auch beim Mindestlohn – von ausreichenden und effektiven Kontrollen ab. Ohnehin gibt es zu wenige Planstellen bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS). Der DGB fordert die Aufstockung auf 10.000 Stellen. Aber es sind laut Bundesfinanzministerium sogar 13 Prozent der vorhandenen Planstellen nicht besetzt! Auch das ein Grund dafür, dass die Anzahl der Kontrollen des Mindestlohn-, des Arbeitnehmerentsende- und des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes in den letzten Jahren rückläufig war (siehe Abbildung). Nachsteuern!