Seit Anfang Juli verhandelt das Bundesverfassungsgericht erneut über die Erbschaftsteuer. Konkret geht es darum, ob Erben von Betriebsvermögen gegenüber Erben von Privatvermögen begünstigt werden dürfen. Der DGB hält die Begünstigung für "nicht haltbar" – und fordert grundsätzlich, die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer zu erhöhen. Wir erläutern die Hintergründe.
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Seit dem 9. Juli verhandelt das Bundesverfassungsgericht über das aktuelle Erbschaftsteuer-Recht. Der Bundesfinanzhof, oberstes deutsches Gericht für Steuersachen, hatte die Karlsruher RichterInnen angerufen. Er bezweifelt, dass die derzeit bestehenden Privilegien für Erben von Betriebsvermögen mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes vereinbar sind. Denn wer Privatvermögen erbt – zum Beispiel Geldvermögen aus einem Fonds – muss volle Erbschaftsteuer zahlen. Wer aber einen Betrieb und dessen Vermögen erbt, kann 85 bis 100 Prozent Steuern sparen, wenn garantiert wird, dass die Arbeitsplätze im Betrieb erhalten bleiben.
Eingeführt hatte das neue Erbschaftsteuer-Recht die Große Koalition im Jahr 2008. Mit der Begünstigung für Erben von Betrieben sollte verhindert werden, dass Betriebe wegen der zu zahlenden Erbschaftsteuer Arbeitsplätze abbauen müssen oder gar Insolvenz anmelden.
Der DGB bezweifelt, dass die Erbschaftsteuer Betriebe in den Ruin treiben würde. Denn im Erbschaftsteuer-Recht exisitiert bereits heute eine Regelung, mit der Erben die Zahlung der Erbschaftsteuer über zehn Jahre hinweg "stunden" können, wenn der Fortbestand des Unternehmens bei sofortiger Zahlung der gesamten fälligen Steuer gefährdet wäre. Außerdem gibt es keine empirischen Belege, dass eine Besteuerung von Betriebsvermögen tatsächlich zum Abbau von Arbeitsplätzen führen würde. Das bestätigen auch etliche Fachleute, wie etwa Johanna Hey, Professorin für Steuerrecht an der Universität Köln, kürzlich gegenüber dem SWR: "Es gibt keinen Beleg dafür, dass die Erbschaftsteuer zu Unternehmensinsolvenzen führt."
Der DGB hält deshalb die Argumente für eine steuerliche Begünstigung von Betriebsvermögen für nicht halbar.
Das Bundesverfassungsgericht wird voraussichtlich erst im Herbst urteilen. Die RichterInnen haben in der mündlichen Verhandlung am 9. Juli aber bereits deutlich gemacht, dass sie die Privilegierung von Betriebsvermögen kritisch beurteilen.
Der DGB fordert seit Langem eine Anhebung der Erbschaftsteuer. Die Einnahmen könnten für dringend notwendige Investitionen in Bildung und Infrastruktur genutzt werden. Ein Großteil der Erben hätte übrigens auch bei einer Anhebung der Erbschaftsteuer nichts zu befürchten. Es geht keinesfalls um Omas sprichwörtliches Häuschen, denn schon heute gelten für Partner großzügige Freibeträge von 500.000 Euro und für Kinder Freibeträge von je 400.000 Euro.
Ganz gleich, wie das Verfassungsgericht urteilt: Wir brauchen eine verfassungskonforme Regelung. Schon heute bringt die Erbschaftsteuer den Bundesländern pro Jahr mehr als 4,6 Milliarden Euro ein (Quelle: BMF 2013). Eine verfassungskonforme Lösung ist also wichtig, um den öffentlichen Haushalten der Länder drastische Einnahmeausfälle zu ersparen. Vielmehr sollten die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer nach Meinung des DGB durch eine verfassungskonforme Reform steigen – damit der Staat handlungsfähig bleibt und die öffentliche Daseinsvorsorge sowie wichtige Zukunftsinvestitionen garantieren kann. Bedeutend für Bildung und Infrastrukturmaßnahmen ist die Erbschaftsteuer vor allem deshalb, weil sie den Bundesländern direkt zufließt – und die sind schließlich für Bildungseinrichtungen und viele Infrastrukturprojekte zuständig.
Der DGB-Bundeskongress hat zur Erbschaftsteuer im Mai 2014 folgende Forderungen beschlossen:
Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts zur Verhandlung