DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell DGB/Simone M. Neumann
Anfang August war DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell für eine Woche auf seiner DGB-Sommertour 2018 unterwegs in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Bayern und Hessen.
Los geht es an einem Ort, den es so bald nicht mehr geben wird. Das Bergwerk Prosper Haniel ist das letzte aktive Steinkohle-Bergwerk im Ruhrgebiet, seit rund 150 Jahren wird hier Kohle abgebaut. Ende des Jahres ist damit Schluss, dann ist für immer Schicht im Schacht.
2007 wurde der Ausstieg aus dem subventionierten Bergbau beschlossen, seitdem bereitet man sich auch auf Prosper Haniel auf das Ende der Förderung vor. Wie geht es mit den rund 2.600 Beschäftigten weiter? Was bedeutet das Ende dieser traditionsreichen Branche für das Ruhrgebiet? Und was kann man aus den Erfahrungen, die man hier mit dem Strukturwandel gemacht hat, für andere Branchen und Regionen lernen?
Darüber spricht DGB-Vorstand Stefan Körzell mit Beschäftigten vor Ort - und nutzt eine der letzten Chancen, beim Hobelbetrieb unter Tage dabei zu sein.
Bericht der Süddeutschen Zeitung über den Besuch im Bergwerk Proper Haniel:
Ende der Steinkohle-Förderung: Der Steiger kommt nicht mehr
Tag 2 der Sommertour startet im Münsterland, beim Zementwerk Dyckerhoff in Lengerich. In der Region, die sonst von prekärer Arbeit geprägt ist, ist das Unternehmen ein wichtiger Arbeitgeber, der auch viele Aus- und Weiterbildungsplätze bietet. Da der Regionalrat die Abbaugenehmigungen für die Zementwerke nicht erweitert hat, stehen jetzt jedoch knapp 2000 Arbeitsplätze in der gesamten Wertschöpfungsketteauf dem Spiel.
Der Kalksteinbruch in Lengerich ist noch 25 Jahre lang ausbeutbar. Weil die angrenzenden Areale den Flora-Fauna-Habitat (FFH)-Schutz-Stempel der EU tragen, kommt nur eine Vertiefung des aktuellen Steinbruchs um 15 Meter und eine Ausweitung nach Osten in Frage, um den Bedarf der nächsten 30 Jahre zu decken.
Wie lassen sich Nachhaltigkeit, Umweltschutz und die Sicherung von Industriearbeitsplätzen miteinander vereinbaren? Das ist eine zentrale Frage, um die es beim Besuch im Zementwerk Dyckerhoff geht.
Weiter geht es von Lengerich nach Ibbenbüren. Am Beispiel des RWE Kohlekraftwerks schaut sich Stefan Körzell an, welche Veränderungen auf noch bestehende Kohlekraftwerke zukommen, welche Umrüstungen nötig und Innovationen vorhanden sind, um Arbeitsplätze zu erhalten und gleichzeitig eine Transformation hin zu einer kohlenstoffärmeren Wirtschaft zu erreichen.
Denn: Auch nach dem Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau laufen Steinkohlekraftwerke weiter, sie werden nicht parallel abgeschaltet. Die Nachfrage nach Kohle besteht also weiterhin. Entsprechend ist in den letzten beiden Jahrzehnten der Import von Steinkohle gestiegen.
Am dritten Tag der Sommertour dreht sich alles um den öffentlichen Personennahverkehr. Am Vormittag steht ein Besuch bei den Ludwigsburger Verkehrslinien (LVL) Jäger auf dem Programm. Sie betreiben seit fast 100 Jahren die Stadtbuslinien von Ludwigsburg in der Region Stuttgart. Doch 2020 wird ein neuer Verkehrsvertrag in Kraft treten, die Linien sind seit März 2018 ausgeschrieben.
Das tarifgebundene Unternehmen Jäger sieht sich nun in einem Konkurrenzkampf mit anderen Unternehmen, die sich nicht an das Landestariftreuegesetz Baden-Württembergs halten müssen - weil das im Ausschreibungsverfahren von der Kommune nicht vorgeschrieben wurde. Wie reagiert das Unternehmen darauf? Muss es sich dem Wettlauf um niedrige Kosten anschließen, um die Buslinien weiterhin zu betreiben?
Darüber spricht Stefan Körzell mit dem Betriebsrat der LVL Jäger und der Ludwigsburger Kreiszeitung.
Bericht der Ludwigsburger Kreiszeitung zum Besuch bei den LVL Jäger:
Busverkehr: Die Fahrer sind besorgt, der Druck ist groß
Von Ludwigsburg geht es weiter nach Stuttgart. Hier wurden im Juli 2016 die Verträge für die Verkehrsnetze neu vergeben; zwei private Anbieter konnten sich gegen die Deutsche Bahn durchsetzen. Nächstes Jahr soll der Betrieb aufgenommen werden.
Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) kritisiert, dass das Landesverkehrsministerium Baden-Württemberg bei der Ausschreibung keinen verbindlichen Personalübergang festgeschrieben hat. Das führt dazu, dass es beim Wechsel der Beschäftigten zu den neuen Betreibern zu Einbußen beim Gehalt und der Altersvorsorge kommt - und die privaten Unternehmen Schwierigkeiten haben, Fahrer zu finden und die Strecken zu bedienen.
Tag 4 startet auf einer der größten Baustellen Europas. Seit 2010 wird der Stuttgarter Kopfbahnhof bei laufendem Betrieb zu einem unterirdischen Durchgangsbahnhof umgebaut, das Projekt ist nach wie vor hoch umstritten. Statt der ursprünglich veranschlagten 4,5 Milliarden Euro soll es nun 8,2 Milliarden Euro kosten, der Termin für die Fertigstellung hat sich von 2021 auf Ende 2025 verschoben.
Rund 5.000 Menschen arbeiten für das Mammutprojekt Stuttgart 21, kurz S21. Die meisten von ihnen kommen aus dem Ausland, vor allem aus Polen, Rumänien, Ungarn und Slowenien. Wie sehen ihre Arbeitsbedingungen aus? Gibt es Probleme mit Schwarzarbeit, Scheinselbstständigkeit oder der Zahlung des Mindestlohns? Werden Arbeitsschutzregelungen eingehalten?
Im Rahmen des DGB-Projekts Faire Mobilität wurde in Stuttgart eine Beratungsstelle für Beschäftigte aus Mittel- und Osteuropa eingerichtet, die die Arbeiter über ihre Rechte informiert und sie bei Problemen unterstützt. Außerdem ist auf der Baustelle ein Betriebsseelsorger im Einsatz, der sich um die Sorge und Nöte der Arbeiter kümmert – etwas, das es so woanders nicht gibt.
Arbeitszeit und Digitalisierung: Das sind die Themen, die bei der nächsten Station der Sommertour im Mittelpunkt stehen. In der Bergader Käserei wird Käse sowohl manuell als auch automatisiert hergestellt. Wo liegen die Vorteile, wo die Nachteile der jeweiligen Produktionsart? Was bedeutet die Automatisierung für die Beschäftigten? Und was tut das Unternehmen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern?
Hintergrund: Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) geht zurzeit das Thema Arbeitszeit in der Milchwirtschaft an. Anfang des Jahres hat dazu eine große Beschäftigtenbefragung in Bayern stattgefunden, die Ergebnisse wurden Ende Juli der Tarifkommission bayrische Milchwirtschaft vorgestellt. Auf dieser Grundlage will die NGG ihre Forderungen für die Tarifrunde, die im nächsten Jahr ansteht, aufstellen.
Der letzte Tag der Sommertour startet im bayrischen Staatswald, in einem der 41 dortigen Forstbetriebe. Insgesamt sind bei den Bayerischen Staatsforsten rund 2.900 Menschen beschäftigt, hier im Forstbetrieb Wasserburg sind es knapp 60.
Einige von ihnen trifft das DGB-Team, um sich über die aktuelle Situation und die nachhaltige Entwicklung in den bayrischen Staatswäldern zu informieren. Dazu besucht es unter anderem ein Nasslager und eine Waldarbeiterrotte, in der Werkzeuge und Fahrzeuge gestellt werden. Außerdem lässt sich Stefan Körzell den Harvestereinsatz zur Borkenkäferbekämpfung erklären.
Die Verwendung des Holzes aus dem Forstbetrieb Wasserburg reicht vom Brennholz über Industrie-, Bau- und Konstruktionsholz bis zum feinsten Bergahornfurnier. Schwerpunkt der Waldpflege ist der Umbau der fichtendominierten Wälder hin zu stabilen und attraktiven Mischwäldern.
Die Sommertour endet mit einem Arbeitseinsatz im Internationalen Postzentrum (IPZ) am Frankfurter Flughafen. Hier legt Stefan Körzell in der Nachtschicht mit Hand an - und muss zum Abschluss der Tour nochmal alles geben.
Im IPZ in Frankfurt werden täglich 1,4 Millionen Briefsendungen bearbeitet, dazu kommen 17 Millionen Postkarten pro Jahr. Ein Großteil der Sendungen, die hier sortiert werden, sind Warensendungen aus China und Asien; durch den boomenden Online-Handel steigt die Menge von Jahr zu Jahr um 20 Prozent.
Sortiert wird mit moderner Technik, rund 1.500 Menschen sind im IPZ im Einsatz. Sie kommen aus 63 verschiedenen Ländern, der Frauenanteil liegt bei 51 Prozent. Gearbeitet wird rund um die Uhr: Von 7 Uhr bis 22 Uhr sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Import-Sicht aktiv, von 22 Uhr bis 7 Uhr übernimmt die Export-Schicht. Zwischenzeiten werden unter anderem für die Wartung der Maschinen und Förderbänder genutzt.