Deutscher Gewerkschaftsbund

01.04.2020
Handwerk

Corona-Krise: DGB fordert Mindestsicherung im Handwerk

3 Fragen an Stefan Körzell

Die Corona-Krise trifft viele Beschäftigte im Handwerk hart. DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell fordert eine Mindestsicherung, damit die ArbeitnehmerInnen finanziell über die Runden kommen. Arbeitgeber sollen den Arbeitnehmeranteil an den erstatteten Sozialversicherungsbeiträgen an die Beschäftigten weitergeben.

Junge Friseurin fönt Haare junger Kundin vor Spiegel

Colourbox.de

Warum braucht es jetzt einen Schutzschirm für Beschäftigte und Ausbildung im Handwerk?

Unser Land, unsere Wirtschaft und damit auch das Handwerk mit rund 5,3 Millionen Beschäftigten stehen angesichts der weltweiten Verbreitung des Corona-Virus vor gigantischen Herausforderungen. Das außerordentliche schnell geschaffene Hilfspaket der Bundesregierung ist wichtiger und guter Schritt zur Stabilisierung von Wirtschaft und Beschäftigung. Diese Maßnahmen sind insbesondere für die mehr als eine Million meist kleiner und mittlerer Handwerksbetriebe existenziell wichtig um die aktuelle Krise zu überstehen.

Aus Sicht der Beschäftigten gibt es jedoch dringenden Nachbesserungsbedarf. Bei den wirtschaftlichen und finanziellen Hilfspaketen ist eine soziale Schieflage entstanden, die weder gerecht noch volkswirtschaftlich sinnvoll ist. Der Staat hilft den Unternehmen mit sehr viel Geld, setzt dabei auch die Schuldenbremse außer Kraft. Das ist richtig. In Fällen von Kurzarbeit werden den Arbeitgebern sogar 100 Prozent der Sozialversicherungsbeiträge zurückerstattet – nicht nur die Arbeitgeberanteile, sondern auch der Anteil der Beschäftigten. Eine Auszahlungsverpflichtung dieser Arbeitnehmeranteile an die Beschäftigten besteht jedoch nicht. Das ist nicht gerecht!

Portrait Stefan Körzell

DGB/Simone M. Neumann

Was muss passieren, damit auch die Beschäftigten etwas von den Hilfen haben?

Beschäftigte werden schon sehr bald hunderttausendfach in Kurzarbeit sein – mit dramatischen Einkommenseinbußen bis zu 40 Prozent ihres Nettoentgeltes. Verschärft wird diese Situation dadurch, dass die Einkommen im Handwerk durchschnittlich 20 Prozent unter den Einkommen der Gesamtwirtschaft liegen.

Um das auszugleichen haben viele Beschäftigte im Handwerk in der anhaltenden Hochkonjunktur im Handwerk lange Arbeitszeiten in Kauf genommen und im Durchschnitt 40,6 Stunden pro Woche gearbeitet. Basis für die Berechnung des Kurzarbeitergeldes ist jedoch die arbeitsvertragliche oder tarifliche Arbeitszeit. Das auf dieser Basis errechnete Kurzarbeitergeld reicht für viele Handwerkerinnen und Handwerker in unserem Land bei weitem nicht, um Miete und Lebenshaltungskosten zu finanzieren. Im Friseurhandwerk sind oftmals auch Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse üblich. Jede Überstunde und jedes Trinkgeld sind zur Finanzierung des Lebensunterhaltes unerlässlich. Und sie sind die ersten, die nun im Handwerk flächendeckend von der Kurzarbeit betroffen sind.

Wir fordern die Bundesregierung deshalb auf, auch den Beschäftigten im Handwerk eine Mindestsicherung von mindestens 80 Prozent, besser 90 Prozent oder mehr zu ermöglichen. Das bedeutet auch, dass die Arbeitgeber den Arbeitnehmeranteil an den erstatteten Sozialversicherungsbeiträgen an die Beschäftigten weitergeben. Die Handwerksbetriebe und –verbände sind jetzt gefordert, ihrer Verantwortung für die Beschäftigten nachzukommen. Auch deshalb, um die Beschäftigten im Betrieb zu halten, damit sie nach der Krise nicht einen noch größeren Fachkräftemangel zu beklagen haben, wie vor der Krise.

Ein Teil der Handwerkerinnen und Handwerker profitieren von Tarifverträgen, in denen eine Aufzahlung auf das Kurzarbeitergeld vereinbart worden ist. Aber 70 Prozent der Beschäftigten im Handwerk gehen durch die geringe Tarifbindung leer aus.

Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf die Berufsausbildung im Handwerk?

Die Corona-Krise betrifft auch massiv die duale Berufsausbildung. In dieser Situation müssen insbesondere die Betriebe daran denken, dass sie die Fachkräfte ausbilden, die sie morgen brauchen. Einen wichtigen Beitrag, den die Handwerksbetriebe jetzt leisten können, ist es, die Ausbildungsverhältnisse fortzuführen.

Durch die Absage aller Prüfungen bis zum 24. April stehen viele Auszubildende kurz vor Abschluss ihrer Ausbildung vor der Frage, wie es weitergeht. Mit Ablauf der im Berufsausbildungsvertrag vorgesehenen Zeit endet das Berufsausbildungsverhältnis automatisch, auch wenn der Auszubildende seine Abschlussprüfung noch nicht abgelegt hat. Wenn es sich als nicht möglich erweisen sollte, die Prüfungen vor Ende des Ausbildungsvertrages durchzuführen, braucht es einen verbindlichen Rechtsanspruch auf die Verlängerung des Ausbildungsverhältnisses bis zur Nachholung der Prüfungstermine.

Auch gefährdet die Corona-Krise die handwerkliche Bildungsinfrastruktur der Kammern und Verbände in ihrem Bestand. In den 550 überbetrieblichen Bildungsstätten (ÜLU) mit rund 90.000 Werkstattplätzen des Handwerks sind aktuell alle Lehrgänge abgesagt. Diese Bildungsstätten sind als dritter Lernort für die 430.000 Auszubildenden im Handwerk existenziell wichtig. Zur Kompensation, der durch den krisenbedingten Ausfall der Lehrgänge entstandenen Finanzierungslücke, schlagen wir vor, über verlorene Zuschüsse oder Beihilfen nachzudenken. Analog zu den Bildungs-Dienstleistern im Bereich des Sozialgesetzbuches II und III sollte der der Fortbestand der Bildungsstätten durch die Zuschussgeber sichergestellt werden.


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