Deutscher Gewerkschaftsbund

14.03.2024
FAQ Streikrecht

Streik: Das sind deine Rechte als Arbeitnehmer*in

Streik ist ein Mittel, um höheres Entgelt, Beteiligung am wirtschaftlichen Reichtum oder auch sozialen Fortschritt durchzusetzen: Ohne das Streikrecht sind Tarifverhandlungen kollektives Betteln. Doch wer darf eigentlich streiken und wann ist ein Streik rechtmäßig?

Warnstreik Demonstration Gewerkschaften verdi GEW Yasmin Fahimi

DGB / Gordon Welters

"Hände weg vom Streikrecht! Es geht um die berechtigten Interessen der Beschäftigten – höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen, mehr Zeitsouveränität.
DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi

Warum Streiks so wichtig sind

  • Beschäftigte stehen mit Streiks für ihre Interessen ein. Der Streik ist das einzige Mittel, um diese Interesse auf Augenhöhe zu verhandeln.
  • Und durch Streiks erzielte Erfolge sind für uns alle gut. Höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und mehr Tarifverträge bedeuten mehr Kaufkraft, mehr Geld in der Sozialversicherung (=mehr Sicherheit), mehr Steuereinnahmen für den Staat.
  • Schuld an Streiks sind nicht die Arbeitnehmer*innen, die für ihre Interessen einstehen, sondern die Arbeitgeber, die in Tarifverhandlungen keine guten Angebote machen. In einem Konflikt gib es immer zwei Konfliktparteien – und in einer Tarifverhandlung sind Arbeitgeber genauso in der Pflicht, die Verhandlungen zum Erfolg zu führen.
  • Unternehmen haben trotz Krisen große Gewinne eingefahren. Es ist nur fair, wenn Beschäftigte sich ihren Anteil am Wohlstand erstreiken. Gerade in Zeiten von Reallohnverlusten ist das ein berechtigtes Anliegen. Sie haben ihn schließlich erarbeitet.

Wann ist ein Streik erlaubt und damit rechtmäßig?

Ein Streik ist dann rechtmäßig, wenn

  • es um ein tarifvertraglich regelbares Ziel geht,
  • von einer zuständigen Gewerkschaft zum Streik aufgerufen wird,
  • die Tarifforderung nicht unter die Friedenspflicht fällt
  • keine verbindliche Schlichtungsregelung besteht
  • und der Streik nicht offensichtlich unverhältnismäßig ist.

Sämtliche Streikaktionen müssen auf genau diese Streikziele ausgerichtet sein. Streik ist ein Grundrecht und das rechtmäßige Mittel zur Durchsetzung der Tarifforderung.

Streikleitung: Die Streikleitung ist für die Durchführung der Streikmaßnahmen verantwortlich. In der Regel gibt es eine sogenannte "zentrale Streikleitung", welche je nachdem wie umfangreich der Streik ist vom Bundesvorstand oder von den Bezirksleitungen der Gewerkschaften eingesetzt wird. Neben der zentralen Streikleitung gibt es noch die „örtlichen“ oder „bezirklichen Streikleitungen“ und in den bestreikten Betrieben die sogenannten „betrieblichen Streikleitungen“. Die Streikleitung legt die bestreikten Betriebe fest, sorgt für Notdienste in den Betrieben, kümmert sich um die Öffentlichkeitsarbeit und führt Gespräche mit Arbeitgebern und Polizei.

Streikziele: Ein Streikziel ist ein tariflich regelbares Ziel. Das heißt, dass nach aktueller Rechtsprechung mit dem Streik nur Forderungen verbunden sein dürfen, die in einem Tarifvertrag vereinbart werden können. Neben Lohnerhöhungen können das also zum Beispiel auch Forderungen nach einer verkürzten Wochenarbeitszeit, mehr Urlaubstagen oder tariflichen Leistungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld sein.

Worum geht es beim Streiken?

Der Arbeitskampf ist international anerkannt. In Deutschland ist er grundgesetzlich geschützt. Die Rechtsprechung formt das Streikrecht mit jeder Entscheidung weiter aus. Im Arbeitsleben besteht ein großes Ungleichgewicht zwischen den Beschäftigten und den Arbeitgebern. Die Arbeitgeberseite verfügt über die Finanz- und Produktionsmittel und hat damit die Macht z.B. über Einkommen, Arbeitsplätze, Investitionen und Produktionsprozesse zu bestimmen. Unternehmer sind den Beschäftigten somit strukturell überlegen.

Die Rechtsprechung hat deshalb anerkannt, dass aufgrund dieser strukturellen Unterlegenheit die einzelnen Beschäftigten zur Durchsetzung ihrer Interessen auf kollektives Handeln – z.B. den Streik – angewiesen sind, um das Machtverhältnis auszugleichen. Beim Streik müssen aber bestimmte Spielregeln eingehalten werden, weil Grundrechte der Beschäftigten, der Arbeitgeber und Dritter aufeinandertreffen (Siehe Frage 1).

Der Streik ist das letzte Mittel der Beschäftigten – verfassungsmäßig garantiert – um Tarifforderungen durchzusetzen. Wesentliches Element im Streik ist die Kommunikation: Zum Streikrecht gehört das Recht, alle betroffenen Beschäftigten anzusprechen, um sie für eine Streikteilnahme zu motivieren. Das Streikrecht ist auch das Mittel, um soziale Anliegen im Konflikt mit dem Arbeitgeber, in den öffentlichen Raum zu tragen. Es geht also gerade auch um die öffentliche Auseinandersetzung sowie um die Kommunikation mit der Öffentlichkeit.

Dabei folgt für beide Seiten:

  • freie Wahl der Mittel, die sie für geeignet halten, und
  • Verbot der Tarifzensur: Tarifforderungen können von den Gerichten nicht auf ihre Angemessenheit inhaltlich überprüft werden.

Wie wichtig ist es, dass ein Streik von der Gesellschaft mitgetragen wird?

Ein Streik kann zu Einschränkungen führen, die im (Arbeits-)Alltag stören. Gerade dann, wenn bestreikte Arbeitgeber Dienstleistungen gegenüber der Öffentlichkeit erbringen, ist ein effektiver Streik nicht ohne Beeinträchtigung der Öffentlichkeit durchführbar. Beschäftigte im Verkehrssektor, im Gesundheitswesen, in der Energieversorgung oder im Erziehungswesen können nicht streiken, ohne dass Dritte beeinträchtigt werden. Es gilt: Auch sie haben ein Recht auf Streik.

Wichtig für eine Tarifauseinandersetzung ist daher der Austausch mit der Öffentlichkeit und ein breit getragenes Verständnis, dass Beschäftigte und Gewerkschaften für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen. Hier einige Beispiele, warum wir alle ein großes Interesse an erfolgreichen Tarifverhandlungen haben:

  • Kinder und Eltern haben ein Interesse daran, dass das pädagogische Personal in Kitas angemessen vergütet wird und motiviert ist.
  • Patient*innen wollen, dass Krankenhausbeschäftigte Arbeitsbedingungen haben, die eine optimale Versorgung gewährleisten.
  • Bahnreisende und Nutzer*innen des ÖPNV wollen motivierte und gut bezahlte Beschäftigte, die sie sicher und pünktlich ans Ziel bringen

Wir werben als DGB deshalb ausdrücklich um Verständnis für Streikende in der Bevölkerung, auch und gerade wenn diese von Einschränkungen betroffen ist. Denn: Solidarität stärkt Arbeitnehmer*innen in Tarifkonflikten den Rücken.

Wer darf streiken?

Streik ist ein Grundrecht und das rechtmäßige Mittel zur Durchsetzung der Tarifforderung gemäß Artikel 9 Abs. 3 Grundgesetz (BAG v. 12.09.1984 – 1 AZR 342/83). Jede*r Arbeitnehmer*in unabhängig davon, ob gewerkschaftlich organisiert, darf an einem Streik teilnehmen.

Das heißt, du darfst auch streiken, wenn du kein Gewerkschaftsmitglied bist. Auch das ist im Grundgesetz verankert und folgt aus der sogenannten "Freiheit zur koalitionsgemäßen Betätigung" des Artikels 9 Absatz 3 Grundgesetz. Aber bedenke: Nur Gewerkschaftsmitglieder haben einen Rechtsanspruch auf Leistungen des Tarifvertrages und im Falle eines Streiks auf Unterstützungsleistungen (Streikgeld).

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Durch den Arbeitgeber darf eine Streikteilnahme nicht verhindert werden. Nur Beamt*innen dürfen in Deutschland nicht streiken.

Ein Streik ist nie Selbstzweck, sondern das notwendige letzte Mittel

 

"Ein Streik ist ja nie Selbstzweck, sondern das notwendige letzte Mittel, um berechtigte Interessen durchzusetzen. Im Übrigen gehört Deutschland zu den Industrieländern mit den wenigsten Streiktagen im Jahr. Es gibt keinen Anlass, sich darüber aufzuregen. Was mich aufregt, sind sinkende Reallöhne von Millionen Beschäftigten, die nicht unter den Schutz von Tarifverträgen fallen. Das ist dramatisch und ein sozialpolitischer Skandal. Die Gesellschaft droht noch weiter in Arm und Reich auseinander zu fallen. Darüber wird kaum geredet."

DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi, 6. Juni 2023
Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland

Warum dürfen Beamt*innen in Deutschland nicht streiken, obwohl streiken ein Grundrecht ist?

In Deutschland dürfen Beamt*innen nicht streiken. Das Beamtenstreikverbot ergibt sich nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zwingend aus den „hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums“. Dahinter müsse die in Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz garantierte Koalitionsfreiheit, die das Streikrecht begründet, zurückstehen. Ende 2023 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschieden, dass dieses generelle Beamtenstreikverbot nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt.

Kann es arbeitsrechtliche Konsequenzen haben, wenn ich streike?

Nein. Wenn du einem Streikaufruf einer Gewerkschaft folgst und an einem rechtmäßigen Streik teilnimmst, werden die Hauptpflichten aus deinem Arbeitsverhältnis ausgesetzt. Das heißt, dass die Hauptpflichten während des Streiks nicht gelten: Du musst während des Streiks deiner Arbeitspflicht nicht nachkommen, aber der Arbeitgeber muss dir umgekehrt für den Zeitraum des Streiks auch kein Entgelt zahlen. Für die Arbeitsniederlegung darf dein Arbeitgeber dich nicht sanktionieren, weder mit einer Abmahnung noch mit einer Kündigung.

Was ist das Streikgeld und wie bekomme ich es?

Die Streikunterstützung oder auch das Streikgeld ist eine solidarische Leistung aller Gewerkschaftsmitglieder für streikende Mitglieder, damit diese einen Streik durchstehen können.

Wer sich als Mitglied einer Gewerkschaft am Streik beteiligt, bekommt pro Streiktag Geld, um die Nettolohneinbußen aufzufangen. Wie hoch das Streikgeld ist, hängt u.a. vom Mitgliedsbeitrag und der Mitgliedsdauer ab. Informiere dich am besten direkt bei deiner Gewerkschaft dazu!

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Warnstreik, Erzwingungsstreik, Solidaritätsstreik – Welche Streikformen gibt es und wann kommen sie zum Einsatz?

Definition Warnstreik

Warnstreiks sind meist kurzfristige Arbeitsniederlegungen, die sich z.B. über wenige Arbeitsstunden oder eine Schicht erstrecken und wiederholt werden können. Zu Warnstreiks können Gewerkschaften schon während noch laufender Tarifverhandlungen und sogar vor deren Beginn aufrufen. Sie dienen der Mobilisierung der Mitglieder und Beschäftigten, die sich mit den Tarifforderungen identifizieren und sich intensiv dafür einsetzen sollen und der Herstellung von Verhandlungsbereitschaft auf Arbeitgeberseite. Wichtig ist, dass auch Warnstreiks während der Friedenspflicht unzulässig sind. Das Bundesarbeitsgericht hat Warnstreiks ausdrücklich als rechtmäßig anerkannt.

Definition Erzwingungsstreik

Wenn Tarifverhandlungen gescheitert sind und die Mitglieder der Gewerkschaft in einer Urabstimmung für einen Streik votiert haben, darf zu einem sogenannten Erzwingungsstreik aufgerufen werden. Dieser ist dann im Gegensatz zum Warnstreik unbefristet und endet in der Regel, wenn Arbeitgeber und Gewerkschaft zu einer Einigung kommen.

Im Jahr 2023 hat zuletzt die Gewerkschaft ver.di nach den gescheiterten Tarifverhandlungen mit der Deutschen Post eine Urabstimmung unter den Mitgliedern durchgeführt. Die Mitglieder stimmten für den unbefristeten Streik. Nach diesem Ergebnis legten die Arbeitgeber ein neues Angebot vor und der unbefristete Streik konnte kurzerhand abgewendet werden.

Im Jahr 2023 hat zuletzt die Gewerkschaft ver.di nach den gescheiterten Tarifverhandlungen mit der Deutschen Post eine Urabstimmung unter den Mitgliedern durchgeführt. Die Mitglieder stimmten für den unbefristeten Streik. Nach diesem Ergebnis legten die Arbeitgeber ein neues Angebot vor und der unbefristete Streik konnte kurzerhand abgewendet werden. 

Definition Solidaritätsstreik

Ein Solidaritätsstreik oder Unterstützungsstreik ist eine Sonderform des Streiks. In einem Solidaritätsstreik unterstützen Streikende außerhalb des Geltungsbereichs des zu erstreikenden Tarifvertrags einen Hauptstreik. Die Friedenspflicht aus dem Tarifvertrag steht dem nicht entgegen; allerdings muss eine gewisse wirtschaftliche oder gesellschaftsrechtliche Verflechtung zwischen den Streikbetrieben bestehen. Auch zu einem Solidaritätsstreik muss eine Gewerkschaft aufrufen.

Definition Wellenstreik

Bei einem Wellenstreik handelt es sich um mehrere Kurzstreiks. Dabei können die Arbeitsniederlegungen in einzelnen Abteilungen und Schichten zu jeweils verschiedenen Zeiten von unterschiedlicher Dauer erfolgen. Oftmals werden sie gar nicht oder nur mit einer kürzeren Frist angekündigt. Dem Arbeitgeber wird so die Abwehr der Streikmaßnahmen erheblich erschwert.

Wie lang darf ein Warnstreik sein? Wie lang darf ein Streik sein?

Rechtlich gibt es mit Blick auf die Voraussetzungen keine Unterschiede zwischen Warn- und Erzwingungsstreik. Deswegen gibt es weder rechtliche Grenzen was die Dauer oder die Anzahl der Wiederholungen betrifft. Tatsächlich dauern Warnstreiks aber oft nur wenige Stunden oder eine Schicht, weil sie noch begleitend zu Verhandlungen stattfinden. Erzwingungsstreiks sind dagegen oft unbefristet.

Einige praktische Beispiele zur Streikdauer:

Am 11. März 2024 haben die Beschäftigten des Recyclingunternehmens SRW metalfloat in Espenhain einen neuen Streikrekord aufgestellt: 125 Tage Streik, somit der längste Streik in der Geschichte der IG Metall. Für weniger als 2.000 Euro brutto im Monat sortieren die Beschäftigten dort Metallschrott im Dreischichtbetrieb. Lohnerhöhungen gab es in den vergangenen Jahren kaum. Zwar hat ihr Arbeitgeber immer wieder viel versprochen. Doch dann kam nichts. Deshalb fordern sie jetzt einen Tarifvertrag: 8 Prozent mehr Geld, jeweils 1.500 Euro Urlaubs- und Weihnachtsgeld und eine Verkürzung der Arbeitszeit von 40 auf 38 Stunden.

In 2023 hat sich die IG Metall nach 123 Streiktagen auf ein Paket von Tarifverträgen mit der deutschen Tochter des dänischen Windanlagenbauers Vestas geeinigt.

Der bisher längste Streik der Gewerkschaftsgeschichte der Bundesrepublik fand 1994 in der Druckindustrie statt. Über 117 Tage erstritt die ver.di-Vorläufergewerkschaft IG Druck 2 Prozent höhere Löhne. Mit 114 Tagen, also gut 16 Wochen, knapp dahinter: der Streik 1956 in der Metallindustrie. Damals ging es um die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

1984 streikten die Beschäftigten in der westdeutschen Metallindustrie fast 7 Wochen lang – für die Verkürzung der Arbeitszeit von 40 auf 35 Stunden in der Woche. Dieser Streik gehörte damit auch zu einem der längsten und härtesten in der bundesdeutschen Tarifgeschichte mit einem Ergebnis, wovon heute noch viele Beschäftigte profitieren.

Darf ein Streik wirtschaftliche Auswirkungen haben?

Da es beim Streikrecht um den Ausgleich eines bestehenden Ungleichgewichts geht, darf und soll der Streik betriebswirtschaftlichen Schaden für das bestreikte Unternehmen herbeiführen. Nur so kann Augenhöhe für die Lösung eines Tarifkonflikts hergestellt werden.

Ein Streik kann auch Folgen für Vertragspartner des bestreikten Arbeitgebers und die Öffentlichkeit haben. Dies sind notwendige Nebenfolgen des Streikrechts. Den Streikenden, die sich für eine Verbesserung ihrer Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen einsetzen, bleibt oft keine andere Wahl, um ihre berechtigten Forderungen durchzusetzen. Deshalb gilt ihnen unser Verständnis und unsere Solidarität.

Was ist eine Urabstimmung und wie funktioniert sie?

Ein Erzwingungsstreik, also ein unbefristeter Streik, ist das letzte Mittel und die schärfste Waffe der Gewerkschaften in einem Tarifkonflikt. Einem solchen Streik geht in der Regel eine Urabstimmung voraus. Doch was ist eine Urabstimmung und wer darf dabei abstimmen?

Definition Urabstimmung

In einer Urabstimmung werden die betroffenen Mitglieder, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallen, gefragt, ob sie bereit sind, für die von den Gewerkschaften erhobenen Forderungen die Arbeit niederzulegen. Zu einer Urabstimmung kann es also erst kommen, wenn Tarifverhandlungen gescheitert sind und die Friedenspflicht abgelaufen ist.

Wie läuft eine Urabstimmung ab? Wie viel Prozent müssen mindestens zustimmen?

Das Verfahren über eine Urabstimmung und Arbeitskampfmaßnahmen ist in den jeweiligen Satzungen und Richtlinien der DGB-Mitgliedsgewerkschaften geregelt. Bei den meisten Gewerkschaften müssen 75 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder die zum Streik aufgerufen werden sollen, für Streik stimmen. Erst dann kann der jeweilige Gewerkschaftsvorstand den Streik genehmigen. Er entscheidet auch, ob eine Urabstimmung durchgeführt werden soll.

Die Urabstimmung kann in den Räumlichkeiten der Gewerkschaft stattfinden oder sie erfolgt schriftlich per Brief. Sie muss auf jeden Fall in geheimer Wahl erfolgen.

Warum gibt es eine zweite Urabstimmung?

Das nach dem Streik erzielte Tarifergebnis wird den Mitgliedern in einer zweiten Urabstimmung vorgelegt. Dann müssen in der Regel 25 Prozent der Mitglieder zustimmen. Sie erklären damit ihr Einverständnis mit den ausgehandelten Tarifergebnissen und zugleich ihren Entschluss, den Streik nicht weiter fortzusetzen. Zuletzt wird das Ergebnis der Urabstimmung auf Antrag der Tarifkommission vom Vorstand der Gewerkschaft beschlossen.

Müssen Streiks grundsätzlich angekündigt werden und wenn ja, mit welchen Fristen?

Nein. Es besteht grundsätzlich keine Pflicht einen Streik innerhalb einer bestimmten Frist anzukündigen. Arbeitskampfmittel wie der Streik dürfen gerade überraschend und punktuell eingesetzt werden.

Im Einzelfall können aber Erhaltungsarbeiten oder Notdienste erforderlich sein. Sofern die Öffentlichkeit oder Dritte betroffen sind, kann aus dem Gebot der Verhältnismäßigkeit auch eine Verpflichtung zur Vorankündigung folgen. Gefahren für Leib und Leben und unangemessene Schäden bei Dritten und der Öffentlichkeit sollen – auch um die öffentliche Akzeptanz nicht zu gefährden – in jedem Fall vermieden werden.

Was ist eine Schlichtung?

Erfahre hier, was eine Schlichtung ist und wer in einer Schlichtungskommission sitzt.

Große Erfolge, die durch Streiks herbeigeführt wurden

Streiks beziehen sich meist auf Lohnerhöhungen, die regelmäßig erfolgreich durchgesetzt werden. 

>> Unser Tarifticker mit aktuellen Meldungen zu Tarifverhandlungen und Streiks <<

Große Erfolge gewerkschaftlicher Streiks, von denen alle profitieren, waren außerdem: 

  • 5-Tage-Woche (bis in die 1950er Jahre war der Samstag ein regulärer Arbeitstag)
  • Verkürzung der Arbeitszeit auf bis zu 35 Stunden pro Woche (in den 1980er Jahren)
  • 6 Wochen Urlaub statt der gesetzlich vorgeschriebenen vier Wochen

Hat die Zahl der Streiks in den letzten Jahren zugenommen?

Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut der Hans-Böckler-Stiftung hat in einen leichten Anstieg an Streiks festgestellt: "Vor dem Hintergrund anhaltend hoher Inflationsraten lagen die Forderungen der Gewerkschaften 2023 deutlich über denen des Vorjahres. Sie reichten von 8 Prozent in der westdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie bis zu 15 Prozent bei der Deutschen Post. In vielen Branchen wurde zudem eine soziale Komponente gefordert, meist in Form eines zusätzlichen festen Betrags. Eine Einigung konnte teilweise erst nach umfangreichen Warnstreiks erzielt werden. Bei der Deutschen Post wurde sogar eine Urabstimmung für einen unbefristeten Erzwingungsstreik durchgeführt, bevor kurz vor Streikbeginn doch noch ein Abschluss erzielt werden konnte. Im öffentlichen Dienst (Bund und Gemeinden) sowie in der Tarifrunde der EVG bei der Deutschen Bahn konnte hingegen erst im Rahmen von Schlichtungsverfahren ein Kompromiss gefunden werden. Die Gewerkschaft Verdi berichtete für ihren Bereich von insgesamt 140 Streiks, an denen sich über 300.000 Mitglieder beteiligt haben. Die Gewerkschaft NGG meldete sogar einen neuen Rekord von mehr als 400 Streiks."

Reale Tariflöhne aktuell nur noch auf dem Niveau von 2016, trotz Kaufkraftsicherung 2023 – Experte erwartet „offensive Tarifrunde“ - Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut (wsi.de)

Was gilt in Bereichen der Daseinsvorsorge?

Es gibt immer wieder Forderungen, dass das Streikrecht im Bereich der Daseinsvorsorge eingeschränkt werden müsste – also wenn etwa im Bahnbereich, in Kitas oder Krankenhäusern länger gestreikt wird. Konservative und liberale Politiker*innen bringen zum Beispiel längere Ankündigungsfristen, weitgehende Notdienstpflichten und obligatorischen Schlichtungsverfahren ins Spiel. Der DGB und die Gewerkschaften lehnen solche massiven Einschnitte kategorisch ab.

Für unsere Haltung gibt es handfeste juristische Gründe: Eine pauschale Streikbeschränkung oder gar ein Streikverbot in der Daseinsvorsorge oder für das Gemeinwohl – für beide Begriffe gibt es keine anerkannten Definitionen – wäre aber mit Art. 9 Abs. 3 GG und europarechtlichen Anforderungen unvereinbar. Auch die Beschäftigten in diesen Branchen haben ein Recht auf die wirkungsvolle Durchsetzung ihrer Interessen im Arbeitsleben. Zugleich hat die Allgemeinheit ein Interesse daran, dass – gerade im Bereich der Daseinsvorsorge – wettbewerbsfähige Arbeitsbedingungen herrschen, die den dort Beschäftigten eine optimale Erbringung der Leistungen ermöglichen. Deswegen gilt: Streiken darf man unabhängig vom Tätigkeitsbereich. 

Aber: Leben und Gesundheit von anderen dürfen durch einen Arbeitskampf nicht gefährdet werden. Dem kann durch Notdienst oder Vorankündigung ausreichend Rechnung getragen werden. Damit gehen Gewerkschaften verantwortungsvoll um und haben das im Blick. Hierbei gilt aber ein Grundsatz: Es geht um das absolut Erforderliche. Der Notdienst darf nicht als Deckmantel missbraucht werden, um die normale Produktion, auch nur teilweise aufrechtzuerhalten.

"Hände weg vom Streikrecht!"

In Deutschland werden Löhne, Urlaub, Arbeitszeitregelungen und andere Arbeitsbedingungen von Arbeitgebern bzw. den jeweiligen Verbänden und Gewerkschaften ausgehandelt. Die Arbeitgeber haben in Tarifverhandlungen mehr Macht. Um gewerkschaftliche Forderungen trotzdem durchzusetzen, brauchen wir Augenhöhe. Diese Augenhöhe gibt es nur mit einem Recht auf Streik für Beschäftigte.

Vom Streik können neben Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite auch Dritte betroffen sein. Das kann zu kurzfristigen Beeinträchtigungen führen. Streikende haben Reallohnverluste während des Streiks. Die Streikunterstützung, die streikende Mitglieder einer Gewerkschaft erhalten, deckt üblicherweise nicht den Bruttoverdienst ab. Auch für sie ist es also eine Ausnahmesituation und sie sind sich dessen bewusst.

Die weit überwiegende Zahl der Tarifauseinandersetzungen läuft ohne große Komplikationen und ohne die öffentliche Wahrnehmung. Eine einzelne öffentlich wahrnehmbare Tarifauseinandersetzung kann niemals Anlass sein, das Grundrecht auf Streik infrage zu stellen. Es ist ein hohes Gut. Wer das Streikrecht in Frage stellt, nimmt den Belegschaften die Stimme, um für ihre Forderungen einzustehen. Und es wäre ein schlechtes Signal: Schlechtere Tarifabschlüsse und Arbeitsbedingungen können Fachkräfte aus dem Land treiben. Und heute streikt vielleicht deine Nachbarin, dein Freund, aber morgen geht es vielleicht um dich und deine Arbeitsbedingungen. Solidarität mit den Forderungen anderer ist deswegen immens wichtig.

Uferlos ist das Streikrecht nicht, ein Streik muss verhältnismäßig sein. In sensiblen Bereichen, wo es um Leib und Leben geht, gibt es Notdienste, wenn es zum Streik kommt. Arbeitgeber und Betroffene sind dadurch ausreichend geschützt. Streiks werden meist rechtzeitig angekündigt, damit sich Arbeitgeber (und Betroffene) darauf einstellen können, obwohl das nicht zwingend ist.

Es gibt daher keine Notwendigkeit, in das Streikrecht einzugreifen. Wer das fordert, will in Wahrheit etwas anderes: Nämlich die Augenhöhe zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmer*innen abschaffen, die das Streikrecht sichert. Die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi betont deshalb: "Tarifautonomie ohne Streikrecht ist am Ende kollektives Betteln".

Deshalb: Hände weg vom Streikrecht! Es geht um die berechtigten Interessen der Beschäftigten – höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen, mehr Zeitsouveränität.


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