In Spanien eskaliert der Konflikt um Katalonien. Die wirtschaftlich starke Region will sich vom Mutterland abspalten, denn viele Katalanen fühlen sich von Madrid benachteiligt. Mitschuld an der Krise habe auch die rigide Sparpolitik der EU, schreibt der DGB-klartext. Die Probleme müssten jetzt am Verhandlungstisch gelöst werden - denn eine Abspaltung wäre sozialpolitisch wie wirtschaftlich äußerst riskant.
Spanien wird von einer neuen Krise heimgesucht. Wirtschaftlich geht es dem Land wieder besser, doch jetzt brodelt es in Katalonien. „Spanien raubt uns aus!“, lautet ein Schlachtruf der Katalanen, die sich vom Königreich Spanien loslösen und einen unabhängigen Staat gründen wollen. Die Regionalregierung hat am letzten Wochenende ein Referendum durchgeführt, aus dem ein eindeutiges Votum für ein unabhängiges Katalonien hervorging. Am Wochenende will das Parlament der Region seine Unabhängigkeit beschließen. Der Konflikt eskaliert. Weder die spanische Zentralregierung noch die katalonische tragen zur politischen Entspannung bei. Ganz im Gegenteil – alle gießen Öl ins Feuer.
DGB
Der wirtschaftliche Hintergrund: Katalonien hat mit seinen sieben Millionen Einwohnern im europäischen Vergleich eine der höchsten Wachstumsraten (siehe Grafik). Die Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung übersteigt den spanischen Durchschnitt um etwa 20 Prozent. Zum Vergleich: Bayern, das wirtschaftsstärkste deutsche Flächenland, übertrifft den Bundesschnitt um nur rund 15 Prozent. Das kleine Katalonien profitiert dabei besonders stark von der Einbindung in den spanischen und den europäischen Binnenmarkt.
Trotz guter Wirtschaftszahlen verharrt die Arbeitslosigkeit in Katalonien allerdings bei mehr als 13 Prozent. Das ist zwar unter dem spanischen Durchschnitt, aber höher als in den abgehängtesten Bundesländern Deutschlands. Viele Katalanen fühlen sich seit Jahren benachteiligt, weil aus der Region mehr Geld in den gesamt-spanischen Topf fließt, als sie aus Madrid zurück erhalten. Anders als beim deutschen Länderfinanzausgleich setzt der spanische Zentralstaat dabei die Zahlungen der als Autonomiegemeinschaften bezeichneten Regionen einseitig fest und entscheidet auch über deren Verteilung. Bestrebungen, ein neues Finanzabkommen zu verabreden, das den Beitrag Kataloniens verringert hätte, scheiterten. Zudem wurde der finanzielle Handlungsspielraum der Regionalregierung infolge der Wirtschaftskrise und der Kürzungspolitik nach 2007 noch stärker beschnitten, wodurch sich die finanzielle Abhängigkeit von der Zentralregierung deutlich erhöhte. Den Katalanen schlicht Egoismus zu unterstellen, wäre also zu einfach geurteilt.
Dennoch ist die Abspaltung keine Lösung. Sie würde Unternehmen und Investoren aus Katalonien vertreiben, das sich plötzlich außerhalb der EU und ohne Euro neu aufstellen müsste. Wirtschaftliche Risiken einer Abspaltung gefährden Katalonien, aber auch den Boom in ganz Spanien. Negative Auswirkungen auf den ohnehin schon volatilen Arbeitsmarkt sind heute schon absehbar, soziale Risiken vorprogrammiert.
Eine unmittelbare Ursache für die Unzufriedenheit in Katalonien liegt in der verfehlten Anti-Krisen-Politik begründet. Die europäischen Finanzhilfen zur Stützung seiner Banken konnte Spanien nur um den Preis eines rigiden Sozialabbaus bekommen. Über diese und andere Probleme sollte am Verhandlungstisch gesprochen werden. Abspaltung ist keine Lösung.