Deutscher Gewerkschaftsbund

07.11.2019

Unternehmen und Menschenrechte – Studie zu Sorgfaltspflicht-Gesetzen im Vergleich

von Frederike Boll, Referentin für Wirtschaft und Menschenrechte und Gute Arbeit Weltweit in der Friedrich-Ebert-Stiftung

Wie können wir Unternehmen per Gesetz dazu zu verpflichten, entlang ihrer Lieferketten für die Achtung der Menschenrechte zu sorgen? Eine neue Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung hat sich mit dieser Frage beschäftigt und elf Lieferkettengesetze aus sieben Ländern sowie auf europäischer Ebene unter die Lupe genommen. Frederike Boll fasst die wichtigsten Ergebnisse für uns zusammen.

Asiatische Frauen arbeiten an Nähmaschinen in Textilfabrik

DGB/hxdbzxy/123rf.com

Jeder Staat hat die Pflicht, die Menschenrechte innerhalb seiner Einflusssphäre zu schützen. In Zeiten einer global vernetzten Welt, in der das Kapital immer grenzenloser und mächtiger unterwegs ist und in der transnationale Unternehmen über riesige Produktionsnetzwerke verfügen, wird der Nationalstaat beim Menschenrechtsschutz zunehmend herausgefordert. Diese Schutzlücke versuchten die Vereinten Nationen (UN) im Jahr 2011 dadurch zu schließen, dass sie – rechtlich unverbindliche – Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte formulierten. Von da an dauerte es über fünf Jahre, bis die Bundesregierung ihren so genannten Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) verabschiedete. Mit ihm sollten die Leitprinzipien endlich auch in Deutschland konkret umgesetzt werden.

Was genau steht im Nationalen Aktionsplan?

Die Bundesregierung formuliert in ihrem NAP die Erwartung an alle Unternehmen, menschenrechtliche Sorgfaltspflichten in ihren Geschäftsprozessen zu implementieren, um dem Ziel nachhaltiger Lieferketten näher zu kommen – und damit bessere Arbeitsbedingungen in einer globalisierten Welt zu schaffen, u.a. durch existenzsichernde Löhne und eine Stärkung von Gewerkschaftsrechten. Bis zum Jahr 2020 soll untersucht werden, ob 50 % der Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten menschenrechtliche Sorgfaltsprozesse eingeführt haben. Sollte dies nicht der Fall sein, behält sich die Bundesregierung vor, eine Verpflichtung per Gesetz einzuführen.

Parallel zum Prozess der Bundesregierung sind andere Länder in den letzten Jahren gesetzgeberisch tätig geworden, um ihre Rechtssysteme einer globalisierten Welt anzupassen. Dabei scheuen andere Gesetzgeber nicht vor extraterritorialen Ansätzen zurück: Nicht nur betreffen die Gesetze ausländische Sachverhalte, sie gelten zudem vielfach sowohl für in- als auch für ausländische Unternehmen.

Andere Länder, andere gesetzliche Lösungen

Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat in ihrer kürzlich erschienenen Studie („Unternehmen und Menschenrechte – gesetzliche Verpflichtungen zur Sorgfalt im weltweiten Vergleich“) elf weltweite Regulierungsansätze in sieben Ländern und der EU untersucht, die alle das Thema der nachhaltigen Lieferketten in den Blick nehmen (siehe Abb.). Insgesamt lässt sich feststellen, dass bisherige Regulierungsansätze von Staaten im Alleingang verabschiedet wurden. Diese gelten jedoch häufig auch für ausländische Unternehmen, die in einem Staat ansässig sind, Geschäfte treiben oder an der Börse notiert sind. Es zeichnet sich somit ein Trend dahingehend ab, dass rechtliche Maßnahmen überregional Anwendung finden. Dabei ähneln die inhaltlichen Anforderungen der Staaten einander und orientieren sich an den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, welche vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen 2011 einstimmig angenommen wurden.

Häufig beschränken sich Gesetzgeber auf thematische oder regionale Sorgfaltspflichten. Dabei können unterschiedliche Formen von Menschenrechtsverletzungen (Verbot von Kinderarbeit in den Niederlanden, Verbot von Formen moderner Sklaverei in England, etc.) oder bestimmte Weltregionen (Dodd Frank Consumer Act, USA) adressiert werden.

Ländervergleich: Welche Lieferkettengesetze gibt es schon?

Ländervergleich: Welche Lieferkettengesetze gibt es schon? Friedrich-Ebert-Stiftung

Die Grafik in optimaler Auflösung zum Download:

Gesetze für faire Lieferketten – besser mit Gewerkschaftsbeteiligung!

Insbesondere die Zivilgesellschaft und die Gewerkschaften spielen eine entscheidende Rolle. Je stärker sie als Akteure bei der Gesetzgebung eingebunden waren, desto praxistauglicher wurden die Gesetze. Dabei wurde beispielsweise die Konkretisierung gesetzlicher Vorgaben sogenannten Multi-Akteurs-Partnerschaften (multi stakeholder partnerships) überlassen, um die menschenrechtlichen Sorgfaltsprozesse aus praktischer Perspektive zu spezifizieren (wie bspw. in den Niederlanden). Zudem ist es wichtig, die Perspektive der Menschen zu berücksichtigen, um deren Schutz es letztendlich geht. Internationale Prozesse sind besonders kostspielig und oft tragen die betroffenen Menschen die Beweislast vor Gericht. Da sie jedoch in der Regel keinen Zugang zu den betrieblichen Dokumentationen haben, bleiben die Betroffenen meist schutzlos. Dies sollte bei allen gesetzgeberischen Maßnahmen berücksichtigt und gelöst werden.

Die Studie versucht einen ersten Überblick zu schaffen, welche Gesetze es bislang gibt, und liefert Hinweise darauf, in welche Richtung sich die Debatte um nachhaltige Lieferketten entwickelt. Das Thema der nachhaltigen Lieferketten wird im Jahr 2020 für Deutschland von entscheidender Bedeutung sein. Zum einen wird es erste Ergebnisse des Monitoring-Prozesses bezüglich des NAP geben und zum anderen wird Deutschland im zweiten Halbjahr die EU-Ratspräsidentschaft innehaben, in der das Thema einer der Schwerpunkte sein wird. Wichtig ist, dass es weiterhin auf der politischen Agenda bleibt und z.B. durch die Kampagne „Lieferkettengesetz.de“ Druck aufgebaut wird – damit die Betroffenen von unternehmerischen Menschenrechtsverletzungen ihre Rechte durchsetzen können.

 


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