In seiner Rede zur „Lage der Union“ fordert EU-Kommissionspräsident Juncker ein stärkeres soziales Europa. Diese Forderungen stehen im krassen Widerspruch zu den EU-Budgetplänen. Diese sehen Kürzungen von Geldern vor, auf die viele EU-Staaten angewiesen sind. Dies ist nicht hinnehmbar, es braucht einen EU-Haushalt, der wirklich auf das soziale Europa zielt, fordert der DGB-klartext.
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Es ist schon fast ein Ritual: Wie jedes Jahr forderte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auch vergangenen Mittwoch in seiner Rede zur „Lage der Union“ wieder eine Stärkung der sozialen Dimension Europas. Leider steht dieses Plädoyer im krassen Widerspruch zu den EU-Budgetplänen, die die EU-Kommission Anfang Mai vorgelegt hat. Denn ein Blick in den Haushalt zeigt: Gelder für den sozialen Zusammenhalt werden gekürzt, falsche Prioritäten stattdessen gefördert.
Ein zentrales Mittel, um ein sozialeres Europa zu erreichen, ist die so genannte Kohäsionspolitik mit den Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESI-Fonds). Über den Programmzeitraum 2014-2020 werden insgesamt 349 Mrd. Euro dort investiert, wo es wirklich nötig ist. Die Programme reichen dabei von Unternehmensförderung und Infrastruktur, über Stadterneuerung bis hin zu Kultur und sozialer Infrastruktur. Kurz: Die ESI-Fonds geben dem sozialen Europa ein Gesicht.
Dennoch will die Kommission die ESI-Fonds in der nächsten Haushaltsperiode um durchschnittlich 10 Prozent kürzen. Der Europäische Sozialfonds soll um 7 Prozent gekürzt werden. Der Kohäsionsfonds gar um 45 Prozent und der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes um 25 Prozent. Nach Berechnungen der Europäischen Kommission erhält Deutschland rd. 15,7 Mrd. Euro an Strukturmitteln für den neuen Förderzeitraum. Dies ist ein Rückgang von 20,7 Prozent.
Die politischen Konsequenzen einer solchen Kürzungspolitik wären gravierend: In zahlreichen Staaten sind die Fonds mittlerweile die Hauptquelle für öffentliche Investitionen. In Portugal, Kroatien, Litauen und Polen liegt der Anteil der Kohäsionsmittel an den öffentlichen Investitionen über 60 Prozent (siehe Grafik).
Quelle: Europäische Kommission, Kohäsionsbericht 2017/ DGB
Die Europäische Kommission argumentiert, dass das zukünftige EU-Budget sich stärker auf die Erbringung eines europäischen Mehrwertes und an der Finanzierung europäischer öffentlicher Güter konzentrieren sollte. Was nachvollziehbar klingt, ist in Wirklichkeit eine klare Verschiebung der Prioritätensetzung: Ausgabenposten die einen sozialen Umverteilungseffekt haben, wie die ESI-Fonds, werden drastisch gekürzt, für Militär und Grenzschutz soll hingegen deutlich mehr Geld ausgegeben werden.
Doch damit nicht genug: Die ESI-Fonds sollen noch stärker als bisher als ein Instrument der wirtschaftspolitischen Steuerung eingesetzt werden. Die Auszahlung von Finanzmitteln aus den ESI-Fonds soll zukünftig noch stärker davon abhängig gemacht werden, ob die Mitgliedstaaten die - meist neoliberalen - EU-Vorgaben in der Haushalts-, Wirtschafts- und Sozialpolitik erfüllen.
Für den DGB sind diese Reformvorhaben nicht tragbar. Eine starke Kohäsionspolitik ist ein essentieller Baustein auf dem Weg zu einem sozialen Europa. Sie sollte, wie in den europäischen Verträgen vorgesehen, dem Ziel des territorialen und sozialen Zusammenhaltes verpflichtet sein und nicht als Druckmittel eingesetzt werden, um die Umsetzung von Strukturreformen zu erzwingen. Es braucht einen EU-Haushalt, der wirklich auf das soziale Europa zielt!