Deutscher Gewerkschaftsbund

23.12.2015
DGB-Analyse

Zwei-Klassen-Gesellschaft in der Weiterbildung

DGB-Analyse zur sozialen Spaltung in der Weiterbildung 2015

Wer hat, dem wird gegeben – nach diesem Prinzip läuft in Deutschland oft die berufliche Weiterbildung: Beschäftigte, die ohnehin bereits eine hohe Qualifikation haben, bekommen überdurchschnittlich oft Weiterbildung. Un- und Angelernte, bei denen zusätzliche Qualifikation am notwendigsten wäre, hinken hinterher. Eine DGB-Analyse zeigt die soziale Spaltung in der Weiterbildung.

Zwei Männer (von hinten) in Seminarraum

Colourbox.de

Hannack: "Bei Weiterbildung gilt das Prinzip: Wer hat, dem wird gegeben"

"In kaum einem anderen Politikfeld klafft die Lücke zwischen Sonntagsreden und Wirklichkeit mehr auseinander als in der Weiterbildung", erklärt die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack mit Blick auf die aktuelle DGB-Analyse Die Zwei-Klassen-Gesellschaft - DGB-Analyse zur sozialen Spaltung in der Weiterbildung 2015. "Die steigenden Anforderungen am Arbeitsplatz, die zunehmend geringere Halbwertszeit von Wissen, der drohende Fachkräftemangel", all das mache eine kontinuierliche Qualifizierung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern notwendig, so Hannack. Das sei allen klar und "gesellschaftlicher Konsens". Trotzdem ändere sich kaum etwas: "Bei der Weiterbildung gilt weiter das Prinzip: Wer hat, dem wird gegeben."

Einige Ergebnisse der DGB-Analyse:

  • Un- und Angelernte abgehängt: Führungskräfte haben mit einer Weiterbildungsquote von 77% eine deutlich höhere Chance auf Weiterbildungsmaßnahmen als An- und Ungelernte (44%).
  • Soziale Spaltung des Schulsystems setzt sich im Berufsleben bei Weiterbildung fort: Junge Menschen mit maximal einem Hauptschulabschluss nehmen mit 36% Weiterbildungsquote deutlich seltener an Weiterbildung teil, als Erwerbstätige mit hohem Schulabschluss (62%).
  • Frauen im Betrieb im Nachteil: Vor allem im Bereich der betrieblichen Weiterbildung fällt der Abstand zwischen Frauen (34% Weiterbildungsquote) und Männern (40%) deutlich aus.
  • Berufsabschluss - wer hat, dem wird gegeben: Grundsätzlich gilt auch hier: Je höher der berufliche Abschluss, desto eher profitieren die Beschäftigten von Weiterbildung. Von den Menschen ohne Berufsabschluss haben sich 39% weitergebildet, bei den Menschen mit Hochschulabschluss waren es 67%.
  • Beschäftigte mit Migrationshintergrund bei Weiterbildung benachteiligt: Menschen mit Zuwanderungsgeschichte werden im Weiterbildungssystem zunehmend abgehängt. Bei ihnen stagnierte die Quote der Weiterbildung bei 33%, während sie bei den Menschen ohne Zuwanderungsgeschichte von 45% (2010) auf 52% im Jahr 2012 gestiegen ist. Für das Jahr 2014 weist der Trendbericht Weiterbildung die Kategorie „Migrationshintergrund“ nicht mehr aus. Es wird lediglich zwischen Deutschen und Ausländern unterschieden. Hier zeigt sich jedoch, dass von 2012 auf 2014 die Weiterbildungsbeteiligung der AusländerInnen gesunken ist (von 34% auf 33%).
Für Weiterbildung fehlt den Beschäftigten oft Zeit und Geld

"Ein Blick auf die Angebote in der Weiterbildung zeigt: Es gibt zu wenig Angebote für eine längerfristige berufliche Qualifizierung und gravierende Qualitätsprobleme. Der Markt ist intransparent, der persönliche und gesellschaftliche Nutzen dadurch zu oft nicht erkennbar", so Hannack weiter. "Zudem fehlen vielen Beschäftigten, die sich an einem zunehmend deregulierten Arbeitsmarkt behaupten müssen, schlicht die nötige Zeit und das Geld für Qualifizierungen."

Elke Hannack, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes

DGB/Simone M. Neumann

Hannack: Deutschland braucht neues Weiterbildungssystem

Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack fordert für Deutschland ein "neues und besseres Weiterbildungssystem". Das könne nur "vom Staat, den Tarifvertragsparteien und den Betrieben gemeinsam gestaltet werden".

Betriebsräte und Personalräte als Motor der Weiterbildung - Bildungsteilzeit gefordert

Die Betriebe allein seien beim Thema Weiterbildung oft nicht engagiert genug. In Betrieben und Dienststellen mit Betriebs- oder Personalräten sei die Situation deutlich besser, so Hannack: "Insbesondere dort, wo Betriebs- oder Personalräte mit den Personalleitungen auf Augenhöhe kommunizieren, entstehen innovative Konzepte. Notwendig sind deshalb mehr Tarifverträge und die Förderung einer Bildungsteilzeit. Und es hat sich gezeigt, dass in Betrieben mit Betriebsrat mehr Weiterbildung angeboten wird." Letztlich müsse jedem Betrieb klar sein: "Nur mit einer modernen Erstausbildung werden die Unternehmen nicht fit für die Arbeitswelt 4.0. Es müssen alle Beschäftigten in den Betrieben auf den Wandel der Arbeitswelt vorbereitet werden. Arbeitsplätze müssen Lernplätze werden. Und: Die Bildungsteilzeit kann hier ein Schlüsselinstrument für bessere Qualifizierung sein, stärkt sie doch die Ansprüche auch der älteren Beschäftigten."

Zentrale Forderungen

  • Recht auf Bildungsteilzeit, um Beschäftigten finanziell wie auch zeitlich bessere Chancen auf Weiterbildung zu geben

Der DGB fordert zudem für eine bessere Finanzierung der Weiterbildung einen Mix aus drei Komponenten:

  • Erstens: Die Beschäftigten benötigen eine finanzielle Absicherung während der Weiterbildung. Es ist höchste Zeit, dass ein Erwachsenen-BAföG nach schwedischem Vorbild eingeführt wird. So wird es für Erwachsene leichter, ihren Bildungsabschluss später nachzuholen.
  • Zweitens: Wir müssen die Betriebe stärker in die Pflicht nehmen, um die berufliche Weiterbildung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finanzieren. Letztlich profitieren die Unternehmen von der steigenden Qualifizierung ihrer Belegschaften. Sie sollten daher branchenbezogene Weiterbildungs-Fonds einrichten.
  • Drittens: Wer die Weiterbildung in Deutschland voranbringen will, muss – wie im Berufsbildungsgesetz für die Ausbildung – klare Strukturen schaffen, die für mehr Verbindlichkeit, Verlässlichkeit und Planungssicherheit für alle Beteiligten sorgen. In einem Bundesgesetz muss deshalb der Rahmen gesetzt werden für ein Recht auf Weiterbildung, für rechtlich garantierte Lernzeiten, für eine sichere Finanzierung, mehr Beratung und Transparenz sowie für bessere Qualitätssicherung und Zertifizierung.

 


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