Deutscher Gewerkschaftsbund

26.10.2012
klartext 36/2012

Leiharbeit: Was heißt hier schon "vorübergehend"?

Selbst nach vier Jahren in Leiharbeit haben die Betroffenen keinen Anspruch auf eine feste Stelle, entschied jüngst das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg. Dabei sollte Leiharbeit ursprünglich nur Auftragsspitzen überbrücken. Der klartext.

Schlechte Arbeitsbedingungen erwartet man ohnehin schon, wenn von Leiharbeit die Rede ist: Unsicherheit, niedrige Löhne und ständig wechselnde Einsätze. Nun gibt es eine neue Variante, Leiharbeitskräften selbstverständliche Rechte zu verweigern: Selbst nach vier Jahren Überlassung gilt ein Einsatz als „vorübergehend“, so dass die Betroffenen keinen Anspruch auf Übernahme haben. So entschied erst jüngst das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg im Fall einer Krankenschwester, die vier Jahre lang an die gleiche Privatklinik verliehen worden war.

Leiharbeit nimmt zu

Ein Urteil, das den Verleihfirmen gefallen dürfte. Ihre Zahl ist bis Ende 2011 auf 17.700 Betriebe gestiegen. Seit der Deregulierung der Leiharbeit durch die Hartz-Gesetze wächst allerdings auch die Zahl der Leiharbeitnehmer/-innen rasant an: Ende Dezember 2011 waren in Deutschland fast 900.000 Leiharbeitnehmer/-innen beschäftigt – im Vergleich zu nur 170.000 Personen im Jahr 1996.

 Entwicklung der Leiharbeit in Deutschland seit 1996

Quelle: Bundesagentur für Arbeit

Vergangene Bundesregierungen haben dafür gesorgt, dass die Leiharbeit hierzulande für die Betroffenen nur unbefriedigend reguliert ist: Vor allem die Möglichkeit, dauerhaft durch tarifliche Vereinbarungen von der gesetzlich geforderten Lohngleichheit abzuweichen, hat dazu geführt, dass Leiharbeit vor allem Niedriglohnarbeit ist. Trotz besserer tariflicher Vereinbarungen durch Branchenzuschläge verdienen Leiharbeitnehmer/-innen immer noch weniger als die Stammbelegschaft und damit nicht Equal Pay.

Leiharbeit zeitlich begrenzen!

Zudem sind die Arbeitsplätze besonders unsicher: Von den 2011 ausgelaufenen Leiharbeitsverhältnissen dauerten 51 Prozent weniger als drei Monate. Außerdem käm­pfen Betriebsräte und Gewerkschaften dagegen, dass Stammbelegschaften durch Leiharbeitnehmer/-innen ersetzt werden. Erst die Streichung der Höchstüberlassungsdauer aus dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) im Jahr 2003 hat die zeitlich unbegrenzte Überlassung möglich gemacht. 2011 musste das AÜG an die EU-Leiharbeitsrichtlinie angepasst werden. Hier hätte eine Begrenzung der zulässigen Überlassungsdauer festgelegt werden können, denn die Richtlinie definierte Leiharbeit immerhin als nur „vorübergehend“. Nichts geschah! So stiehlt sich der deutsche Gesetzgeber weiter aus der Verantwortung für gute Arbeitsbedingungen in der Leiharbeit. Die Folge: Rechtsunsicherheit und Urteile, in denen der Status „vorübergehend“ schon mal für Leiharbeitskräfte gilt, die über viele Jahre an den gleichen Betrieb verliehen wurden.

Dem Trend, ursprünglich „normale“ Arbeitsplätze durch Leiharbeit zu ersetzen, muss mit allen Mitteln entgegengewirkt werden. Leiharbeit gehört wieder auf ihre Funktion zurückgeführt, Auftragsspitzen abzufangen. Deshalb sollte der Einsatz der Leiharbeitnehmer/-innen in einem Betrieb zeitlich begrenzt werden. Die Beschäftigten brauchen nach einer bestimmten Dauer der Beschäftigung einen gesetzlichen Anspruch auf Festanstellung im Entleihunternehmen! Schließlich ist auch das Leben nur „vorübergehend“…


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