Deutscher Gewerkschaftsbund

16.08.2013
Die DGB-Jugend im Gespräch mit der stellvertretenden DGB-Vorsitzenden Elke Hannack

Nur gemeinsam sind wir stark!

Elke Hannack, seit Juni stellvertretende DGB-Vorsitzende, im Interview mit dem Jugendmagazin Soli aktuell über Jugend und Gewerkschaften in Deutschland, Jugendarbeitslosigkeit in Europa und was sie von der Politik nach der Wahl erwartet. 

Elke Hannack Foto

Elke Hannack, Stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes DGB/Simone M. Neumann

Elke, warum sollte ein Azubi in die Gewerkschaft eintreten?

Er muss das auf jeden Fall, wenn er irgendetwas durchsetzen will, was gute Arbeitsbedingungen oder eine gute Ausbildungsvergütung angeht. Allein wird er nichts erreichen gegen derzeit ziemlich mächtige Arbeitgeber. Mit der Sozialpartnerschaft ist es im Moment nicht so weit her - da hat das Kapital nach wie vor bessere Chancen als ein einzelner Arbeitnehmer. Also: Organisieren. Nur gemeinsam sind wir stark.

Was willst du in der Jugendpolitik als Erstes angehen?  

Das Übergangssystem. Was sich da in den letzten Jahren verfestigt hat, muss man sehr, sehr kritisch auseinandernehmen. Wir haben immer mehr junge Leute, die in den Warteschleifen hängen. Die zum Teil unsinnige Maßnahmen durchlaufen müssen, an deren Ende kein qualifizierter Abschluss steht. Die meisten sind absolut ausbildungswillig und ausbildungsfähig - denen muss man auch eine Ausbildung ermöglichen. Wir brauchen ein gesetzliches Recht auf Ausbildung und dafür werde ich mich über die Parteigrenzen hinweg einsetzen. Es muss auch Schluss damit sein, dass jährlich 50.000 junge Leute die Schule ohne Abschluss verlassen. Und man muss sich verstärkt um die Hauptschüler kümmern, da findet eine Stigmatisierung statt. Die haben auch mit Abschluss keine Chance auf einen Ausbildungsplatz.

"Wir brauchen ein gesetzliches Recht auf Ausbildung"

Was muss die Politik von den Gewerkschaften in Sachen Jugendpolitik annehmen?

Ich kenne überhaupt keine Politikerin oder Politiker, die oder der nicht an irgendeiner Stelle sagt: Die Jugend ist unsere Zukunft, da müssen wir gute Bedingungen schaffen. Aber getan wird regelmäßig nix. Ich glaube, das Bewusstsein für die Probleme ist da, aber es muss viel mehr gemacht werden, um Jugendlichen gute Startbedingungen ins Berufsleben zu geben. Und diese Forderung muss man immer wieder in die Öffentlichkeit tragen. Wenn eine Bundeskanzlerin mit dem französischen Präsidenten einen Jugendgipfel wie am 3. Juli organisiert, ohne die Sozialpartner - sprich Gewerkschaften und Arbeitgeber - einzuladen, dann ist das skandalös. Deshalb finde ich es gut, dass wir im DGB gesagt haben, dass wir einen alternativen Gipfel am selben Tag organisieren, möglichst gegenüber vom Kanzleramt. Und dann laden wir die hohen Herrschaften mal ein zu den jungen Leuten. Dann sollen die sich mal mit jungen Spaniern, Italienern, Franzosen und Deutschen auseinandersetzen. Und wirklich sagen, was sie konkret tun, um die Jugendarbeitslosigkeit einzudämmen.

Angeblich geht's der Jugend in Deutschland ja gut?

Ja, die Arbeitslosigkeit ist hier relativ niedrig. Aber da wird natürlich vergessen, dass wir ein gutes System haben, um die Jugendarbeitslosigkeit nicht exponentiell anwachsen zu lassen: die duale Ausbildung. Doch wir haben unglaubliche Unwuchten bei uns. Das wird bei der Diskussion eigentlich immer vergessen. 270.000 junge Menschen in Warteschleifen, das finde ich einen Skandal, den sich das Land nicht leisten kann.

"270.000 junge Menschen in Warteschleifen, das ist ein Skandal, den sich das Land nicht leisten kann."

Ist denn grundsätzlich mit der CDU und der FDP an der Regierung eine sozialere Politik möglich?

Ich glaube: in der Konstellation absolut nicht. Der CDA-Vorsitzende Karl-Josef Laumann hat das für die Sozialpolitik so ausgedrückt: eine verlorene Legislaturperiode. Es ist nichts zustande gebracht worden. Deshalb brauchen wir eine andere Parteienkonstellation nach der Wahl. Mit der FDP werden wir wichtige gewerkschaftspolitische Themen nicht bearbeiten können.

Wäre dir eine große Koalition am liebsten?

Ich habe da keine Präferenzen. Letztlich muss ich in meiner Position auf alle Parteien zugehen können. Das ist wichtig für uns, um glaubwürdig zu sein.

Können die Gewerkschaften die Ausbildungsbereitschaft der Wirtschaft verändern?

Da bin ich nicht sicher. Die Wirtschaft ist in der Verantwortung und nimmt sie nicht wahr. Gerade nach der Krise wäre es logisch, vermehrt auszubilden. Das Ausbildungsbemühen ist auf historischem Tiefstand, nur knapp 22 Prozent der Betriebe sind da noch aktiv. Deshalb bin ich für eine Ausbildungsumlage. Wir haben immer gesagt: Wer nicht ausbildet, soll zahlen. Die Betriebe würden ja - Stichwort Fachkräftemangel - auch davon profitieren.

Was sagst du zum Thema Studium? Du hast ja selbst als Packerin angefangen, wie wichtig ist dir Bildung?

Bildung war mir immer sehr wichtig. Ich habe neben meiner Schulzeit schon gearbeitet, dann nach dem Abitur; irgendwann auch unbefristet, von der Packerin ging es zur Verkäuferin und zur Erstverkäuferin. Dann Betriebsratsvorsitzende in dem Laden. Anschließend habe ich studiert. Die Familie hat mir vermittelt: Bildung ist das A und O. Und mit vernünftiger Ausbildung und Bildung hast du auch eine Chance, dein Leben zu meistern. Dass es heute nicht mehr so ist, dass jeder, der eine Ausbildung gemacht hat, auch einen Arbeitsplatz kriegt, ist eine krasse Veränderung. Früher war klar: Wer eine Ausbildung hatte, der wurde übernommen.

"Wir haben immer gesagt: Wer nicht ausbildet, soll zahlen."

Viele landen heute trotz Ausbildung in prekärer Beschäftigung. Was hast du da vor? Wie steht es mit der gewerkschaftlichen Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro?

Mindestens 8,50 Euro. Das soll nur ein Einstieg sein. Wir wissen heute, dass auch zehn Euro nicht reichen. Man bräuchte heute schon einen Mindestlohn von knapp 14 Euro, um nach 45 Jahren eine armutsfeste Rente zu haben. Bei 8,50 Euro wurde an den Niedriglohnbereich gedacht, der heute schon 22 Prozent des Arbeitsmarktes ausmacht. Damit man einigermaßen über die Runden kommt und den Lohn nicht zusätzlich mit Hartz IV aufstocken muss. Jedes Jahr müssten die Lebenshaltungskosten berechnet und auf dieser Grundlage ein Mindestlohn entwickelt werden.

Welche Impulse können für die Jugend in Europa von den deutschen Gewerkschaften ausgehen?

Ich bin gegen das, was die Bundesregierung will: die duale Ausbildung einfach nach Europa exportieren und hoffen, dass dann alles gut wird. Mit dualer Ausbildung allein wirst du die Jugendarbeitslosigkeit nicht in den Griff kriegen. Ich glaube schon, dass wir Hilfestellung geben können - wenn z. B. duale Elemente als Mindeststandards eingeführt würden, wie etwa eine drei- bis vierjährige Regelausbildung, ein Berufsbildungsgesetz, gesetzliche Ausbildungsvergütungen. Dann hätten wir schon viel erreicht. Da sind wir schon in einer besonderen Ver-antwortung. Deutschland muss andere Länder finanziell unterstützen, damit sie eine entsprechende Infrastruktur für eine Ausbildung und gegen Jugendarbeitslosigkeit aufbauen können.

Das Geld ist aber bei den Banken gelandet.

Tja, und eigentlich müsste es in die Wirtschaftspolitik fließen. In Griechenland sind fast 70 Prozent der jungen Leute arbeitslos, man lässt eine ganze Generation ins Nichts laufen. Ich glaube nicht, dass das eine Volkswirtschaft lange aushält. Wer die stärksten Schultern hat, und dazu gehört Deutschland, muss auch am meisten tragen.

Das vollständige Interview finden Sie hier

 


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